Willkommen zuhause - willkommen daheim: Die Gefangenen

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Roterz, 1037

Trotz der Müdigkeit setzte Roban sich den Gefangenen gegenüber, starrte sie finster an und fingerte seine Pfeife aus der Tasche. Die meisten der Gefesselten erwiderten seinen Blick nicht, starrten ins Leere, wohl wissend, wohin ihr Weg sie führen würde. Nur einer starrte wütend zurück, während der Ritter den Tabak in den Pfeifenkopf stopfte.
„Du bist also Hogg“, murmelte Roban, ohne ihm mehr Aufmerksamkeit zu widmen als unbedingt notwendig.
„Wer sagt das?“ zischte der andere.
„Die Tatsache, dass all deine Spießgesellen wegsehen wie feige Bergschafe. Nur du, du hast nicht nur genug Traute für einen Anführer, sondern auch ein elend großes Maul. Also bist du der Wortführer.“
Keine einzige Frage, und der Gefangene schluckte schwer. Erst jetzt schien ihm aufzugehen, was ihm blühte, wenn er nicht entkam.
„Wir...können euch bezahlen!“ bot er nach einigen Augenblicken an. „Wir haben noch mehr als das, was Ihr hier gefunden habt.“
„Wir haben auch etwas“, entgegnete Roban. Sigismund kam vom Feuer zu ihm herüber und reichte ihm einen glimmenden Kienspan. Der Ritter grinste dankbar angesichts von so viel Aufmerksamkeit.
„Nämlich eine hübsche Schlinge für jeden von euch. Da stecken wir dann die Rübe durch, ziehen zu und krrrrk...“
Die ersten Rauchwolken stiegen empor, für Roban das traditionelle Ende jeden Gefechtes.
„Man hat uns bezahlt, die Überfälle zu begehen“, sagte Hogg hastig. „Man hat uns angeheuert! Ich sage alles, was ich weiß, wenn Ihr mich begnadigt!“
Sigismund hatte sich gerade wieder abgewandt und wollte sich auf die Felle betten, um seinen angeschlagenen Rücken zu schonen, doch bei den überraschenden Worten Hoggs ging er zu seinem Lager, wickelte die geliebte Meerschaumpfeife mit ihrem fein ziselierten, wenn auch zerbrechlichem Kopf aus ihrem Polster, griff sich eine kleine Tonkruke aus seinem Gepäck und gesellte sich zu Roban. Ohne Hogg anzublicken, entzündete er sich seine Pfeife, paffte ein paarmal und öffnete dann die Kruke, roch daran und bot dann Roban einen Schluck mit den folgenden Worten an:
„Zum Wohle, hoher Herr, ein kleiner Gruß aus meiner Heimat. Vorsicht, er ist stark.“
Er blickte nachdenklich auf seine Pfeife und frug dann:
„Singen eigentlich alle Vögel, wenn sie 'Zugvögel' werden?“
Er lächelte, als Roban kurz das Gesicht verzog ob der Stärke des Getränkes, dann aber anerkennend nickte.
„Echter Bornbärenfang nach einem Rezept meiner Großmutter.“
Dann nahm er selbst einen Schluck, noch immer ohne Hogg eines einzigen Blickes gewürdigt zu haben. Schwaches Geschöpf, bei der Andeutung des Galgens schon singen zu wollen.
„Lässt sich äußerlich und innerlich anwenden, der edle Tropfen. Innerlich schmeckt aber besser.“
Roban nahm noch einen weiteren Schluck und besah sich dann nachdenklich die Kruke.
„Lässt sich der edle Trank auch hier herstellen?“
Hogg fühlte sich für einen Moment unbeobachtet und versuchte seine Fesseln ein wenig zu lockern, doch da hatte er die Rechnung ohne den Bornländer gemacht. Dieser schnalzte mit der Zunge, als er der Bewegung aus dem Augenwinkel gewahr wurde und die Hündin sprang herbei und begann, Hogg niederzustarren. Diesem wurde ganz anders, als so plötzlich der große, dunkle Hund vor ihm stand und ihn aus honigfarbenen Augen intensiv ansah – und nässte sich ein.
Dieweil blieb für die drei Nachtwachen draußen alles ruhig. Es schien sich keine weitere Person für die Höhle zu interessieren und bald dämmerte der Morgen herauf. Zeit, die Gefangenen zu einer Reihe zusammen zu binden, um sie zurück zum Adlerstein und zum Baron zu führen.
„Erspart es uns, euch mit Arschtritten antreiben zu müssen!“ röhrte Roban die Gefesselten an. „Andererseits...sträubt euch ruhig, ein paar Tritte werden euch auch nicht mehr schaden!“
Rondrolf ächzte ein wenig und streckte den Rücken, als sich der Zug in Bewegung setzte.
„Eins habe ich aus diesem kleinen Abenteuer gelernt!“ gestand er stirnrunzelnd.
„Das ein Pfeil ins Gedärm verdammt ungesund ist?“ fragte Roban höhnisch.
„Oder wie ehrenvoll der Kampf für Recht und Gesetz ist?“ schlug Ladislaus ohne Spott vor.
„In beidem mögt ihr recht haben“, lächelte Rondrolf. „Aber vor allen Dingen habe ich gelernt, wo mein Platz ist. Schon die Nacht in der Höhle war für meinen Rücken eine Tortur, auch ohne Kämpfe, Hinterhalte, Leichen und Blut. Nein, derlei Aktionen überlasse ich gern all jenen, welche die notwendige Härte und Kampfkraft mitbringen. Mein Platz bleibt in der warmen Stube und an der Verwaltung der Baronie.“
Roban grollte etwas Abfälliges, während Ladislaus zustimmend nickte.
„Die Götter verteilen die Talente ganz nach ihrem Willen, und jeder macht das Beste aus dem, was er bekommen hat. Die Welt kann schließlich nicht nur aus Kriegern bestehen.“
Da man auch die Gefallenen mitnahm, hatten die Ritter selbst die Bewachung übernommen. Die Angroschim, deren Dienst im Prinzip erfüllt war, hatten eingewilligt, den Zug bis zum Roterzpass zu begleiten. Von dort wollte man den nächsten geheimen Zugang zum Bergkönigreich aufsuchen, dass natürlich ohne die Gesellschaft der Großlinge.
Der Abschied von den treuen Waffengefährten war herzlich, und Rondrolf zahlte ohne zu zögern den vereinbarten Sold samt einer großzügigen Zulage aus, was die Zwerge mit höflichem Jubel honorierten. Dann zogen die Adligen mit den verbliebenen Burgmannen wieder bergauf.