Bewährungsprobe am Trolleck - Familienbande (1): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 24. Dezember 2019, 17:15 Uhr


Eine Episode der Briefspielgeschichten Die Knappen des Fürsten und Bewährungsprobe am Trolleck

1033 BF

Berwin hastete an der Torwache vorbei, nachdem er bereits mit schnellen Schritten die Rampe von Burg Fürstenhort hinunter und durch den Ort gestürmt war. Vor zwei Jahren wäre er nun noch ziemlich außer Atem gewesen, aber die Knappschaft am Fürstenhof hatte seinen jugendlichen Körper gestählt. Die letzten Spuren kindlichen Specks waren verschwunden. Das fiel auch der Magd Nale auf, für die Berwin nur einen hastigen Gruß übrig hatte, als er im Innern der Feste Zwingenberg aus alter Gewohnheit den Dienstboteneingang bei der Küche nahm. Früher hatte Berwin von ihr oft Leckereien zugesteckt bekommen, und gewiss würde er auch diesmal in der Küche vorbeischauen, aber jetzt wurde er erwartet.

„Dein Großvater, der Landvogt, wünscht dich zu sehen. Du bist für den Rest des Tages beurlaubt“, hatte Burgsaß Halwart vom Eberstamm Berwin mitgeteilt. Seit er beim Fürsten in Dienst war, war das nicht oft geschehen, denn Berwin sollte gegenüber seinen Kameradinnen und Kameraden keinen Vorteil genießen, nur weil seine Familie so nahebei wohnte. Doch nun war Berwin trotzdem zu spät dran. Hastig holte er noch einmal Luft, zog sein Wams glatt und trat dann ins Gemach, wo man ihn erwartete.

„Berwin.“ Landvogt Roban von Treublatt saß in seinen schweren Lehnsessel hinter seinem Schreibtisch, vor sich ein Stapel Korrespondenz und eine Landkarte. Aber er hatte sich in dem Stuhl etwas zurücksinken lassen, die Schultern hochgezogen, was ihn älter wirken ließ, als Berwin seinen Großvater in Erinnerung hatte. Über die Knie hatte er ein wärmendes Hollerbärenfell gelegt – Katzen oder Hunde mochte der Vogt genauso wenig wie die Tiere ihn, das hatte sich mit den Jahren nicht geändert. Aber Robans Augen maßen Berwin mit dem gleichen durchdringen Blick, vor dem er als Kind am liebstem im Boden versunken wäre.

Hinter dem alten Mann fläzte sich auf der ins Fenster eingelassenen Bank sein Sohn Gisbrun, Robans Vater. Er trug ein kurzes Kettenhemd, im Mund eine Tabakspfeife und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Eine Augenklappe! Hat man dir einen verpasst, oder was? Und dann auch noch auf dem guten ... Sohn!“ blafft er Berwin nicht ohne Freundlichkeit an, als dieser nicht gleich antwortete.

„Das ... verzeiht!“ stammelte Berwin. „Weil ich doch schiele ... Kunigelda sagte, ... ihr Vater. Das eine Auge soll sich schärfen, wenn man auf dem anderen ...“ Hastig zog er die Augenklappe von seinem gute Auge und wußte nicht recht, ob er Haltung annehmen oder sich sicherheitshalber wegducken sollte.

„Berwin.“ Jetzt sprach Vogt Roban. Aber kein Donnerwetter folgte. „Berwin, dein Vater hat Recht. Mach dich nicht lächerlich, denn sonst machst du nicht nur ihn lächerlich, sondern auch mich ...“ Für einen Augenblick hing die Drohung in der Luft. „Aber das tust du ja auch sonst nicht, nach allem, was mir vom Fürstenhof berichtet wird.“

Berwin nickte eifrig – nur nicht unangenehm auffallen, dass hatte ihm sein Großvater als eiserne Parole mit auf den Weg gegeben, als er die Knappschaft beim Fürsten angetreten hatte, und im Großen und Ganzen war ihm das auch gelungen. Von ein paar Ausrutschern abgesehen, wenn er wieder sein Maul nicht hatte schließen können, bevor ein paar freche Worte herausgerutscht waren.

„Seine Durchlaucht ist sogar so zufrieden mit dir, dass er dir erlaubt, den Zug des Grafen Wilbur gegen die Räuber zu begleiten. Ich selbst bin zu alt, als dass mich solches Geschmeiß aus meiner Burg zu locken vermag, und dein Vater wird dringend wieder in Roterz erwartet, bevor dort die Mäuse auf dem Tisch tanzen. Also wirst du mit deinem Großonkel Eichbart unsere Familie vertreten. Du gehorchst ihm aufs Wort, und sollte irgendetwas passieren, hältst du dich an einen unserer Leute.“

„Du weißt doch, wer unsere Leute sind?“ hakte jetzt Gisbrun bei seinem Sohn nach. Der nickte eifrig.

„Gut. Du kannst gehen. Nein, noch etwas ...“ schob der Landvogt nach, als sich Berwin eben mit einer Verbeugung zurückziehen wollte. „Du bist verlobt, Junge. Travia mit dir!“

Berwin war perplex. „Halt keine Maulaffen feil! Es ist eine höchst vorteilhafte Verbindung, du wirst zu gegebener Zeit erfahren, um wenn es sich handelt.“ Der alte Landvogt schnaufte. Etwas mehr Dankbarkeit hatte er von seinem Enkel für dieses Arrangement erwartet, aber der starrte bloß in der Gegend herum wie ein tumber Jungbulle. Apropos ... Roban wandte sich jetzt an seinen Sohn. „Die Hörner kann er sich ja abstoßen, Gisbrun, aber wehe, es gibt deswegen Schereien. Und jetzt raus mit euch! Bis zum Nachtmahl brauche ich noch etwas Ruhe.“

Eilfertig sprang Gisbrun auf, kniff seinen Sohn in die Wange und zog ihn in Richtung Tür. Draußen verpasste er Berwin noch eine kleine Kopfnuss, legte ihm aber kameradschaftlich seinen Arm auf die Schulter. „Na, wird schon werden, Knappe. Sei doch froh, dass du diesen Wilbur zeigen kannst, was ein Treublatt ist. Wenn du willst, kannst du meinen alten Morgenstern mitnehmen. Aber lass dir dann von Onkel Eichbart unterwegs ein paar Tricks beibringen. Ich bin mir sicher, dass ihr bei diesem feinen Kuniswart nicht lernt, wie man damit Geschmeiß den Schädel zerklopft.“