Schnitzkunst: Unterschied zwischen den Versionen
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 5: | Zeile 5: | ||
Die öde Winterszeit, wenn Schnee die grünen Weiden bedeckt, wird von vielen Almhirten und Waldbauern genutzt, um sich ein karges Zubrot zu verdienen. Nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie Löffel, Becher oder Schüsseln, sind es, die sie schaffen; nein, unter ihren kundigen Messern erwachsen aus Wurzelstrünken oder knotigen Aststücken die mannigfaltigsten Figuren, die sie dann im Frühjahr an einen wandernden [[Krambold]] oder Händler verkaufen. Beliebte Motive sind vor allem die treuen Herdentiere und das scheue Bergwild wie springende Gemsen, röhrende Hirsche oder ein brüllender Bär. Auch die Fabelwesen des Kosch werden so ins Holz gebannt: da findet man [[Graubolde]], [[Wurzelköppe]], [[Wildmännlein]] oder den struppigen [[Rabbatzmann]], wie er seine Keule schwingt. Sieht man diese Bilder im Halbduster einer schummrigen Kate beim Flackerschein des Feuers, so könnte man meinen, sie lebten und reckten ihre Glieder. | Die öde Winterszeit, wenn Schnee die grünen Weiden bedeckt, wird von vielen Almhirten und Waldbauern genutzt, um sich ein karges Zubrot zu verdienen. Nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie Löffel, Becher oder Schüsseln, sind es, die sie schaffen; nein, unter ihren kundigen Messern erwachsen aus Wurzelstrünken oder knotigen Aststücken die mannigfaltigsten Figuren, die sie dann im Frühjahr an einen wandernden [[Krambold]] oder Händler verkaufen. Beliebte Motive sind vor allem die treuen Herdentiere und das scheue Bergwild wie springende Gemsen, röhrende Hirsche oder ein brüllender Bär. Auch die Fabelwesen des Kosch werden so ins Holz gebannt: da findet man [[Graubolde]], [[Wurzelköppe]], [[Wildmännlein]] oder den struppigen [[Rabbatzmann]], wie er seine Keule schwingt. Sieht man diese Bilder im Halbduster einer schummrigen Kate beim Flackerschein des Feuers, so könnte man meinen, sie lebten und reckten ihre Glieder. | ||
Doch nicht nur Abergläubisches und Heidenzeug schafft man aus dem Holze. Einige Meister in der Gegend verstehen sich darauf, ehrwürdige Heiligenbilder zu erstellen; besonders den [[Kupperus|St. Kupperus]] sieht man oft in Schreinen am Wegesrand oder auf den Dorfplätzen wachen. Manche Kapelle besitzt einen Altar, ganz und gar aus einem einzigen Stück der rotbraunen [[Wengeneiche|Wengenholmer Eiche]] geschnitten und herrlich mit Bilder aus den Heilsgeschichten verziert, daß es den Zwölfen eine wahre Freude ist. | Doch nicht nur Abergläubisches und Heidenzeug schafft man aus dem Holze. Einige Meister in der Gegend verstehen sich darauf, ehrwürdige Heiligenbilder zu erstellen; besonders den [[Kupperus von Wormsalt|St. Kupperus]] sieht man oft in Schreinen am Wegesrand oder auf den Dorfplätzen wachen. Manche Kapelle besitzt einen Altar, ganz und gar aus einem einzigen Stück der rotbraunen [[Wengeneiche|Wengenholmer Eiche]] geschnitten und herrlich mit Bilder aus den Heilsgeschichten verziert, daß es den Zwölfen eine wahre Freude ist. | ||
Als schönstes dieser Werke gilt der Peraineschrein von [[Auersbrück]], den Meister [[Angfold Buchenwurz]] gefertigt hat. Er zeigt den Wechsel der Jahreszeiten, am linken Rand beginnend mit Firuns [[Wilde Jagd|wilder Jagd]], daneben [[Tsa]]s Blütenwunder, in der Mitte [[Peraine]]s Ährensegen, und auf der rechten Seite [[Travia]]s Erntedank und den wiederkehrenden Winterkönig auf dem weißen Roß. | Als schönstes dieser Werke gilt der Peraineschrein von [[Auersbrück]], den Meister [[Angfold Buchenwurz]] gefertigt hat. Er zeigt den Wechsel der Jahreszeiten, am linken Rand beginnend mit Firuns [[Wilde Jagd|wilder Jagd]], daneben [[Tsa]]s Blütenwunder, in der Mitte [[Peraine]]s Ährensegen, und auf der rechten Seite [[Travia]]s Erntedank und den wiederkehrenden Winterkönig auf dem weißen Roß. |
Version vom 24. März 2019, 08:20 Uhr
Von der Wengenholmer Schnitzkunst
Wer einmal ins Wengenholmsche reist, wird sicherlich Gelegenheit haben, dort zahlreiche Meisterstücke der Schnitzkunst zu bewundern; denn dieses schöne und ehrenwerte Handwerk wird in der mitternächtlichen Grafschaft seit alters her besonders gepflegt.
Die öde Winterszeit, wenn Schnee die grünen Weiden bedeckt, wird von vielen Almhirten und Waldbauern genutzt, um sich ein karges Zubrot zu verdienen. Nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie Löffel, Becher oder Schüsseln, sind es, die sie schaffen; nein, unter ihren kundigen Messern erwachsen aus Wurzelstrünken oder knotigen Aststücken die mannigfaltigsten Figuren, die sie dann im Frühjahr an einen wandernden Krambold oder Händler verkaufen. Beliebte Motive sind vor allem die treuen Herdentiere und das scheue Bergwild wie springende Gemsen, röhrende Hirsche oder ein brüllender Bär. Auch die Fabelwesen des Kosch werden so ins Holz gebannt: da findet man Graubolde, Wurzelköppe, Wildmännlein oder den struppigen Rabbatzmann, wie er seine Keule schwingt. Sieht man diese Bilder im Halbduster einer schummrigen Kate beim Flackerschein des Feuers, so könnte man meinen, sie lebten und reckten ihre Glieder.
Doch nicht nur Abergläubisches und Heidenzeug schafft man aus dem Holze. Einige Meister in der Gegend verstehen sich darauf, ehrwürdige Heiligenbilder zu erstellen; besonders den St. Kupperus sieht man oft in Schreinen am Wegesrand oder auf den Dorfplätzen wachen. Manche Kapelle besitzt einen Altar, ganz und gar aus einem einzigen Stück der rotbraunen Wengenholmer Eiche geschnitten und herrlich mit Bilder aus den Heilsgeschichten verziert, daß es den Zwölfen eine wahre Freude ist.
Als schönstes dieser Werke gilt der Peraineschrein von Auersbrück, den Meister Angfold Buchenwurz gefertigt hat. Er zeigt den Wechsel der Jahreszeiten, am linken Rand beginnend mit Firuns wilder Jagd, daneben Tsas Blütenwunder, in der Mitte Peraines Ährensegen, und auf der rechten Seite Travias Erntedank und den wiederkehrenden Winterkönig auf dem weißen Roß.
Meister Buchenwurz ist auch bekannt für seine Haustafeln, in die er Segensformeln oder fromme Sprüche einschneidet, damit man sie an die Pforte, über den Herd oder die Kinderwiege hängen kann, wo sie Schutz und Glück bringen. An gastlichen Häusern sieht man häufig Inschriften wie: „Wandrer, tritt ein, bring Glück herein“, oder: „Firun schone unser Haus, Travia segne unsern Schmaus“. Und der Wahlspruch „Wackre Tat von früh bis spat“ ziert die Hallen vieler Wengenholmer Rittersleut’.
Quelle: Kosch-Kurier 32