Liebe geht durch den Magen - Brombeerwein bei Skretin

Aus KoschWiki
Version vom 11. Juni 2024, 20:32 Uhr von Kunar (D | B)
(Unterschiede) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschiede) | Nächstjüngere Version → (Unterschiede)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Skretin, Einige Tage später, im Ingerimm 1035 BF

Es war früher Abend, als ein einzelner Reiter zwischen den Häusern der Hügelzwerge auftauchte. Die wenigen Angroschim, die sich zu dieser Zeit draußen aufhielten, anstatt alle Vorbereitungen für das Abendbrot zu treffen, blickten ihn erstaunt an. Was wollte jemand um diese Zeit bei ihnen – außer natürlich eine Einladung zum Essen anzunehmen?

Der menschliche Besucher hielt vor dem Haus der Dornenstrauchs, band sein Pferd fest und klopfte an die Tür. Eine gutgelaunte Zwergin öffnete die Tür.

"Ingerimm und Travia zum Gruße! Wer ehrt uns mit seinem überraschenden Besuch?"

Nun trat der Mensch näher an die Tür, so dass das Licht aus dem Innern auf sein Gesicht fiel.

"Den Zwölfen zum Gruße! Ich bin Boronar vom Kargen Land, der Junker zu Mistelstein!"

Einen Augenblick stutzte die Zwergin, dann rief sie erfreut ins Haus hinein: "Hagebar, stell Dir vor, wer vor der Tür steht! Boronwyns Sohn!"

Bei dieser Titulierung zuckte Boronar innerlich zusammen. Das Jahr in Mistelstein unter seinen eigenen Leuten hatte ihn ganz vergessen gemacht, dass er hier vor allem als Sohn seines Vaters bekannt war. Doch mehr Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht, schon erschallte lautes Jubeln im Korridor, als Hagebar Dornenstrauch zur Tür stürmte, um den jungen Mann herzlich zu umarmen.

"Das nenne ich eine Gnade Phexens! Wir hatten gar nicht gedacht, dass Du jemals aus Sindelsaum wiederkommen würdest, jetzt, da Du ein eigenes Lehen hast."

"Oh, da gibt es einiges zu erzählen..."

"Natürlich! Nun komm erst einmal herein und iss mit uns!"

Mit diesen Worten fassten die Dornenstrauchs Boronar rechts und links am Arm und führten ihn ins Innere der guten Stube. Dort saß bereits ein älterer Zwerg, der dem Neuankömmling lächelnd zunickte.

"Sieh an, ein junger vom Kargen Land!"

Zunächst gab es eine Gemüsesuppe mit dampfendem Brot. Auch standen sofort eine Flasche Brombeerwein und frisches Quellwasser auf dem Tisch. Danach servierte Garescha Hühnchen mit Kräutersoße, dazu Pilze und Salat. Den guten Teil einer Stunde kam Boronar kaum dazu, etwas zu sagen, weil er nur damit beschäftigt war, den Essensberg auf seinem Teller zu bewältigen. Erst als beim Nachtisch Obstkuchen mit Schlagsahne gab, stellte sich die erste Gelegenheit für ein richtiges Gespräch ein.

Doch bevor er zum Grund seiner Reise kam, ging es um Neuigkeiten aus Moorbrück, für deren Austausch Olbyn Grambart heute zum Essen gekommen war. Seit vor etwa drei Jahren Boronars Cousin Boromil bei den Hügelzwergen um einige Siedler für die neuen Rittergüter in der Baronie im Süden geworben hatte, waren alle Verwandten wissbegierig zu erfahren, wie es den Zwergen erging, die tatsächlich die heimatliche Umgebung verlassen hatten, um mitten im unheimlichen Moorbrücker Sumpf zu siedeln.

"Thoram vermisst uns sehr!", seufzte Garescha. "Aber der Beerenwein, den Ritter Boromil wie versprochen schickt, ist nicht zu verachten."

"Es war doch gut, dass unser Thoram damals mitgegangen ist", brummte Hagebar zufrieden, "jetzt haben die armen Leute in Moorbrück wenigstens gute Brombeersträucher. Und der Wein, den sie herstellen, hat ein etwas anderes Aroma als unsrer hier. Muss wohl am Boden liegen."

"So schlimm kann es dort unten gar nicht sein", feixte Olbyn, "Ingramosch hat mir ausrichten lassen, dass er sich ab und zu langweilt!"

"Aber was ist denn mit den Geschichten, die man sich erzählt?", fragte Hagebar besorgt zurück.

"Jaja," setzte Garescha nach, "es heißt doch, dort seien Untote und Monster!"

"Nun, davon muss es wohl tatsächlich einige geben – zumindest wilde Tiere und ab und zu auch Schlimmeres! Aber die Ambosszwerge, die Ingramosch und Thoram unter ihre Fittiche genommen haben, passen wohl gut auf. Solange die wachen, kommt mein Großneffe auch nicht auf dumme Gedanken und reißt aus! Ein paar Mal ist er mit ihnen sogar schon in den Sumpf losgezogen!"

"Machst Du Dir denn keine Sorgen?", fragte Garescha etwas ängstlich.

"Ach was!", winkte Olbyn ab, "ich war früher schließlich genauso! Ich glaube, mit Ritter Boromil hat er's gut getroffen."

"Da fällt mir ein: Hat jemand etwas vom jungen Pilzanger gehört?"

"Der ist immer noch mitten im Sumpf in der Siedlung dieses anderen Ritters", erzählte Garescha. "Jalosch meint, Thurescha sei ein harter Brocken, aber sie werde seinem Werben schon noch nachgeben! Was sind in seinem Alter schon 20 oder 30 Jahre?"

"Wo Ihr gerade von Brautwerbung spricht", brachte sich Boronar ins Gespräch ein. "Das ist der Grund, warum ich Euch besuchen komme."

Nun guckten ihn alle drei Zwerge erstaunt an. Zwischen zwei Stücken Kuchen erläuterte er ihnen den Plan, welchen er gemeinsam mit seiner Vögtin Muroscha Apfelbach ausgeheckt hatte. Mithilfe eines Backwettbewerbs sollte entschieden werden, wer Anglinde von Mackenstein heiraten würde, und Boronar wollte mit Hilfe der Skretiner Zwerge gewinnen!

"Ihr Hügelzwerge könnt doch ohnehin am besten backen, da hätte es doch gar keinen Sinn, wenn ich ohne Euch antreten würde!"

"Das freut mich natürlich, dass Du unsere Backkunst richtig einzuschätzen weißt", stimmte Garescha ein wenig schüchtern zu, "aber bedeutet das nicht, dass wir eine lange, ungemütliche Reise antreten müssen?"

"Brrr", schüttelte sich Hagebar, "also das geht nun wirklich nicht! Am Ende verpassen wir noch eine unserer Mahlzeiten."

"Mackenstein liegt doch in der Baronie Stanniz", sagte Olbyn leise, während er sich durch den Bart strich. "Da ist doch auch dieser Ort namens Tallon."

"Den mit dem Apfelwein?"

Hagebars Augen leuchteten auf.

"Ja, richtig! Die Äpfel sind weithin berühmt für ihre Qualität. Man sagt, sie schmecken in Streifen geschnitten schon wunderbar. Da soll man selbst aus dem Fallobst noch ganz herrlichen Saft, Kuchen und Mus machen können!", ergänzte Garescha.

"Ob man wohl einen Baum von dort bekommen und hier einpflanzen könnte?"

In seiner Phantasie sah Hagebar bereits goldene Zeiten auf sich zukommen.

"Da bin ich mir nicht ganz sicher", wandte Boronar ein, "ich meine, gehört zu haben, dass es ein Perainewunder ist, das mit der Gegend dort zusammenhängt. Woanders gedeihen die Äpfel nicht mit ihrem unvergleichlichen Geschmack."

"Schade", schmollte Hagebar sichtlich enttäuscht. "Aber werter Boronar, das ist doch kein Grund, unsere Gastgeber traurig zu machen! Ich bin mir sicher, wenn Du auf Schloss Felsenried wohnen würdest, wäre es ein Leichtes für Dich, ab und zu eine Lieferung Äpfel oder Wein nach Skretin zu schicken, stimmt's?"

"Äh... ach so, na klar!" Boronar hatte gerade rechtzeitig begriffen, was Sache war. "Diejenigen, die mir bei der Brautwerbung geholfen haben, würden natürlich nicht vergessen werden!"

Hagebar und Garescha sahen sich an. Wollten sie es wagen? Immerhin stand die Aussicht auf höchste kulinarische Genüsse in Aussicht, und das auf viele Jahre lang! Am Ende siegte der Gaumen über den Verstand. Schon bald diskutierten die beiden miteinander, welches Rezept man nehmen solle und welche Zutaten man besorgen müsste.

Etwas mit Alkohol? Schließlich könnte eine berauschende Wirkung helfen! Aber nein, Alkohol betäubte die Sinne, da gingen die Feinheiten des Geschmacks der Richter verloren!

Sollten es Zutaten von zu Hause sein? Da wüsste man am besten, wie sie schmeckten! Aber wenn man woanders hinreisen wollte, wäre es vielleicht schlauer, erst vor Ort einzukaufen! Dann hätte man ganz frische Sachen.

Müsste es nicht ein Rezept sein, dass höchste Wertschätzung unter den Zwergen genoss? Schließlich war nur das die beste Backkunst! Aber vielleicht wäre es besser, etwas zu wählen, das auch die Menschen mochten, selbst wenn es aus Sicht eines Hügelzwerges etwas einfallslos war. Es musste schließlich denen schmecken, die es zu beurteilen hatten.

"Heiliger Argelion!", dachte Boronar. "Worauf habe ich mich da nur eingelassen?"

"Komm doch mit nach draußen", ludt ihn Olbyn ein. "Ich möchte gerne an der frischen Luft ein Pfeifchen rauchen."

Der Junker von Mistelstein, sichtlich überwältigt von dem zwergischen Ringen um das beste Backwerk, willigte ein.

Während der alte Grambart an seiner Pfeife zog und, den Rauch langsam pustend, in den Himmel blickte, erinnerte sich Boronar daran, dass es der Zwerg gewesen war, der die entscheidende Wende im Gespräch herbeigeführt hatte. Fragend blickte er ihn an.

"Weißt Du", begann Olbyn schließlich, "vor etwa drei Jahren habe ich auch hier draußen gesessen, zusammen mit Boromil. Da habe ich mich an alte Zeiten erinnert. Und als Dein Onkel Gero zum Markvogt von Ferdok eingesetzt wurde, war ich Ehrengast!"

Für einen Moment schien der alte Zwerg ein wenig wehmütig, doch dann musste er lachen.

"Es scheint so zu sein, dass mich die alte Verbindung zu Deiner Familie wieder einholt. Ich bin zwar nicht mehr so reiselustig wie früher und nicht so abenteuerlustig wie Ingramosch, aber dieser Backwettbewerb ist mal etwas anderes als das übliche Turnier, bei dem sich die Ritter gegenseitig schlagen! Das möchte ich selbst erleben, und deswegen komme ich mit! Als Dein Glücksbringer sozusagen! Denn das letzte Mal, als ich mit einem vom Kargen Land loszog, wurde der am Ende Baron!"

Aufmunternd schlug er Boronar auf die Schulter. Dieser stutzte für einen Moment, dann fragte er Olbyn: "Ich habe von der Geschichte gehört. Wie hat es sich damals genau zugetragen?"

"Das will ich Dir gerne erzählen..."

Und so kam es, dass Zwerg und Mensch noch viel an diesem Abend zu reden hatten.