Die Zweite Neufarnhainer Tafel - Festliche Vorbereitungen: Unterschied zwischen den Versionen
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Wie es der Zufall so wollte, klopfte just in diesem Moment erneut jemand ans Tor im Nordwesten, das auf den Weg Richtung [[Donken]] führte. Eine tiefe Stimme dröhnte: "Im Namen Angroschs, öffnet uns! Wir kommen in friedlicher Absicht." | Wie es der Zufall so wollte, klopfte just in diesem Moment erneut jemand ans Tor im Nordwesten, das auf den Weg Richtung [[Donken]] führte. Eine tiefe Stimme dröhnte: "Im Namen Angroschs, öffnet uns! Wir kommen in friedlicher Absicht." | ||
”Hagelschlag und Wolkenbruch”, schimpfte Edelbrecht, der sich von Rainfried abgewandt hatte, auf die betreten dreinblickenden Torwachen. ”Ihr seid ja wirklich zu nichts zu gebrauchen! Schon wieder ein Reisender, der eurem trüben Blick entgangen ist. Na wird’s bald öffnet das Tor oder ich mache euch Beine!” Etosch Gabelbart, der in der Zwischenzeit aus dem Haus seines Freundes getreten war, wurde hellhörig. "Täuschen mich meine Ohren, oder ist das da draußen... Olgosch?" Als Kalmun und Brauwin das Tor öffneten, stellte sich heraus, dass dem Angroscho sein Gehör tatsächlich keinen Streich gespielt hatte. Der Ambosszwerg, dessen Bart zu prächtigen Zöpfen zusammengebunden war, begrüßte zunächst seinen alten Freund mit einer herzlichen Umarmung. "Na also, kennt man mich also doch noch! Aber sag mal, Etosch, du sahst auch schon mal etwas frischer aus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf!" "Du hingegen bist ganz der charmante Angroscho geblieben, als den ich dich kannte!" "Doch genug gescherzt. Wo ist der Herr von Neufarnhain?" Erst jetzt begann Olgosch, sich umzublicken. | ”Hagelschlag und Wolkenbruch”, schimpfte Edelbrecht, der sich von Rainfried abgewandt hatte, auf die betreten dreinblickenden Torwachen. ”Ihr seid ja wirklich zu nichts zu gebrauchen! Schon wieder ein Reisender, der eurem trüben Blick entgangen ist. Na wird’s bald öffnet das Tor oder ich mache euch Beine!” Etosch Gabelbart, der in der Zwischenzeit aus dem Haus seines Freundes getreten war, wurde hellhörig. "Täuschen mich meine Ohren, oder ist das da draußen... [[Olgosch Sohn des Ogrim|Olgosch]]?" Als Kalmun und Brauwin das Tor öffneten, stellte sich heraus, dass dem Angroscho sein Gehör tatsächlich keinen Streich gespielt hatte. Der Ambosszwerg, dessen Bart zu prächtigen Zöpfen zusammengebunden war, begrüßte zunächst seinen alten Freund mit einer herzlichen Umarmung. "Na also, kennt man mich also doch noch! Aber sag mal, Etosch, du sahst auch schon mal etwas frischer aus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf!" "Du hingegen bist ganz der charmante Angroscho geblieben, als den ich dich kannte!" "Doch genug gescherzt. Wo ist der Herr von Neufarnhain?" Erst jetzt begann Olgosch, sich umzublicken. | ||
Edelbrecht war das Feixen am Tor nicht unbemerkt geblieben und so trat er vor, um den Zwergen zu begrüßen, den er vor fast genau einem Götterlauf fortgeschickt hatte, damit dieser seinen Freund Boromil unterstütze. "Seid gegrüßt, Olgosch Sohn des Ogrim! Welch unerwartete Freude, Euch wiederzusehen! Doch sagt, habt Ihr denn Boromil vom Kargen Land nicht mitgebracht?" Bei diesen Worten wich die Freude aus Olgoschs Antlitz. "Er bat mich, Euch diesen Brief zu übergeben." Mit diesen Worten förderte der Sohn des Ogrim ein Schriftstück aus der Tasche an seinem Gürtel. "Lest es am besten selbst!" | Edelbrecht war das Feixen am Tor nicht unbemerkt geblieben und so trat er vor, um den Zwergen zu begrüßen, den er vor fast genau einem Götterlauf fortgeschickt hatte, damit dieser seinen Freund Boromil unterstütze. "Seid gegrüßt, Olgosch Sohn des Ogrim! Welch unerwartete Freude, Euch wiederzusehen! Doch sagt, habt Ihr denn Boromil vom Kargen Land nicht mitgebracht?" Bei diesen Worten wich die Freude aus Olgoschs Antlitz. "Er bat mich, Euch diesen Brief zu übergeben." Mit diesen Worten förderte der Sohn des Ogrim ein Schriftstück aus der Tasche an seinem Gürtel. "Lest es am besten selbst!" | ||
Nachdem der Zwerg einige Blicke auf sich gezogen hatte, stellte er sich noch einmal offiziell allen vor. Dann präsentierte er seinen ebenfalls zwergischen Begleiter, der sich bisher zurückgehalten hatte und alles und jeden mit wachen Augen und voller Interesse angesehen hatte. "Das ist Ingramosch Grambart. Er stammt ursprünglich aus der Gegend von [[Skretin]] in der Baronie [[Rohalssteg]], wohnt aber jetzt in [[Neuvaloor]]." Der offensichtlich noch sehr junge Angroscho begrüßte nun freundlich die anwesenden Adeligen und Artgenossen. Als er die Magierin erblickte, die er ja bereits früher kennengelernt hatte, deutete er sogar eine galante Verbeugung an. Olgosch hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Dieser junge Hügelzwerg würde nur Schwierigkeiten machen! Angrosch allein wusste, warum Ritter Boromil wohl einen Narren an ihm gefressen hatte und ihm erlaubte, einfach mitzureisen. | Nachdem der Zwerg einige Blicke auf sich gezogen hatte, stellte er sich noch einmal offiziell allen vor. Dann präsentierte er seinen ebenfalls zwergischen Begleiter, der sich bisher zurückgehalten hatte und alles und jeden mit wachen Augen und voller Interesse angesehen hatte. "Das ist [[Ingramosch Grambart]]. Er stammt ursprünglich aus der Gegend von [[Skretin]] in der Baronie [[Rohalssteg]], wohnt aber jetzt in [[Neuvaloor]]." Der offensichtlich noch sehr junge Angroscho begrüßte nun freundlich die anwesenden Adeligen und Artgenossen. Als er die Magierin erblickte, die er ja bereits früher kennengelernt hatte, deutete er sogar eine galante Verbeugung an. Olgosch hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Dieser junge Hügelzwerg würde nur Schwierigkeiten machen! Angrosch allein wusste, warum Ritter Boromil wohl einen Narren an ihm gefressen hatte und ihm erlaubte, einfach mitzureisen. | ||
”Seid mir alle aufs Herzlichste willkommen!” erhob Edelbrecht seine Stimme. ”Höchst unerfreulich, was Boromil hier schreibt.” Er schaute in die bestürzt blickende Menge der Versammelten und fügte erklärend hinzu: ”Er wird nicht kommen! Dringende private Angelegenheiten, die ihn von der Reise abhalten. Außerdem habe ich den Reichskongress in [[Perricum]] nicht bedacht; wer kann denn auch schon ahnen, dass jemand von uns Moorbrücker Sumpftitanen dorthin reisen würde? Wirklich sehr bedauerlich! Allerdings vertritt Olgosch hier, Boromils Stellvertreter, die Würde Neuvaloors in unserem Kreise, so dass die Neusiedlungen fast komplett vertreten sind. | ”Seid mir alle aufs Herzlichste willkommen!” erhob Edelbrecht seine Stimme. ”Höchst unerfreulich, was Boromil hier schreibt.” Er schaute in die bestürzt blickende Menge der Versammelten und fügte erklärend hinzu: ”Er wird nicht kommen! Dringende private Angelegenheiten, die ihn von der Reise abhalten. Außerdem habe ich den Reichskongress in [[wikav:Perricum|Perricum]] nicht bedacht; wer kann denn auch schon ahnen, dass jemand von uns Moorbrücker Sumpftitanen dorthin reisen würde? Wirklich sehr bedauerlich! Allerdings vertritt Olgosch hier, Boromils Stellvertreter, die Würde Neuvaloors in unserem Kreise, so dass die Neusiedlungen fast komplett vertreten sind. | ||
Vielleicht kommen wir dann erst einmal zum Naheliegendsten – den Unterkünften. Ich denke, den Neueingetroffenen wird es Recht sein, wenn sie Gelegenheit dazu erhalten, sich erst einmal etwas frisch zu machen. Hernach treffen wir uns alle zum gemeinsamen Morgenmahl am Gedenkstein dort hinten.” | Vielleicht kommen wir dann erst einmal zum Naheliegendsten – den Unterkünften. Ich denke, den Neueingetroffenen wird es Recht sein, wenn sie Gelegenheit dazu erhalten, sich erst einmal etwas frisch zu machen. Hernach treffen wir uns alle zum gemeinsamen Morgenmahl am Gedenkstein dort hinten.” |
Version vom 11. September 2012, 22:28 Uhr
Teil der Briefspielgeschichte "Die Zweite Neufarnhainer Tafel"
Die Zweite Neufarnhainer Tafel - 17. Phex | Die Zweite Neufarnhainer Tafel - Festliche Vorbereitungen |
18. Phex Mit verhaltenem Vogelgezwitscher brach der Tag der II. Neufarnhainer Tafel an. Kaum war das helle Praiosauge über der vernebelten Neufarnhainer Senke aufgegangen, erwachte das Leben an dem Ort, an dem vor nunmehr einem Götterlauf die Siedlungsplätze im Sumpf ihre neuen Herren gefunden hatten. Den vorhergegangenen Tag hatte Edelbrecht mit seinen Besuchern für eine gründliche Inspektion des Dorfes und der näheren Umgebung genutzt. Sowohl Reto als auch Roban hatten sich ehrlich beeindruckt gezeigt von den Fortschritten, die man hier im Osten des Sumpfes erzielt hatte, und verstanden es dennoch mit fachkundigen Blicken gerade auch die strategischen Schwachstellen auszuspähen und den Borkinger darauf aufmerksam zu machen. Doch heute sollte erst einmal das Erinnern und Feiern im Vordergrund stehen. Allein der Umstand, dass sowohl Rainfried von Grimsau als auch Boromil vom Kargen Land noch immer nicht eingetroffen waren, trübte Edelbrechts gute Laune an diesem Morgen. Es wäre doch wirklich zu schade, wenn dieser Tag verstreichen sollte, ohne dass alle angekündigten Neusiedler hier versammelt wären. Wirklich zu ärgerlich, dass Boromil es nicht hatte früher einrichten können, so vieles gab es, über das es sich zu reden gelohnt hätte. Allein bei der Vorstellung, dass Morwald Gerling wohl daheim in Moorbrück bleiben würde, musste Edelbrecht grinsen und so ließ er sich gar zu einem fidelen Pfeifen hinreißen.
Kaum hatte er seine Morgentoilette beendet, da betraten Leubold Garnelinger und Etosch Gabelbart seine Unterkunft. Letzterer sah unausgeschlafen und zerstruwwelt aus, wie Edelbrecht belustigt bemerkte. ”Was ist denn mit dir passiert, alter Freund? Hat dich ein Höhlenbär geherzt?” neckte er den Angroscho. ”Du hast gut lachen, Edelbrecht”, murrte dieser zurück. ”Dieser Roban schnarcht ja schlimmer als ein ganzes Rudel Sumpfranzen. Kein Auge macht man da zu. Wie die anderen das aushalten ist mir echt ein Rätsel, na ja…” beendete Etosch den Satz, eben in dem Moment als Garnelinger sich zu räuspern anfing. ”Mein Herr, verzeiht, wenn ich hier unterbreche, aber die Zeit drängt, wenn wir noch rechtzeitig fertig werden wollen. Daher wollte ich letzte Instruktionen von Euch erhalten, damit die von Euch initiierte Festivität ein Erfolg werden kann.” ”Es bleibt alles wie besprochen, Leubold, auch wenn noch nicht alle Gäste anwesend sind. Ich werde direkt nach dem Morgenessen gemeinsam mit dem hohen Besuch zur Jagd aufbrechen. Sollten in der Zwischenzeit weitere Gäste eintreffen, geleite sie in meine Unterkunft und bereite ihnen einen herzlichen Empfang. Gegen Mittag werden wir sicherlich zurück sein. Ich hoffe, dass bis dahin alle geladenen Personen anwesend sind und wir wie geplant eine kurzweilige Andacht am Ingerimmschrein abhalten können. Wenn nicht, nun so werden wir halt ohne sie feiern und den Abend so gut es eben geht, genießen.” Edelbrecht reckte sich und schaute versonnen zum Fenster hinaus. ”Ich finde, wir können schon jetzt zufrieden sein. Reto und Roban scheinen sich so weit wohl zu fühlen und wenn Neufarnhains Bewohner engere Bindungen zu den beiden Rittern eingehen, kann es mir nur recht sein. Zu lange haben wir jeder für sich hingebrütet. Gemeinsam sind wir stark und werden diesen Morast in die Knie zwingen! Also ihr zwei, bereitet alles vor – ich schaue mal, ob die hohen Herren so weit geruht haben, dass sie jetzt fürs Frühstück bereit sind.”
Sprach’s und stapfte zur Tür hinaus… …um die Stimme eines ihm unbekannten Zwerges zu vernehmen. ”Bei Angroschs Esse. Öffnet die Tore und lasst drei durchnässte und fast erfrorene Reisende ein, die mit euch heute feiern wollen!”
Ein unangenehmer Druck hinter den Schläfen weckte Roban. Er öffnete die Augen, schloss sie wieder und verfluchte den Sumpf, den Morgen und dass er mal wieder die verdammte Sauferei nicht hatte sein lassen können. Nachdem der Werwolf sich auch durch derlei Verbalattacken nicht verjagen ließ, schlug er die Augen noch einmal auf. Nach ein paar Sekunden, um sich an das Licht und den Schmerz zu gewöhnen, richtete er sich auf und sah sich um. Die Luft war zum Schneiden dick, erfüllt vom Geruch nach Bier, Tabakrauch und den Ausdünstungen von zwei Menschen und vier Angroschim. Etosch Gabelbart hatte den ”Findling” bereits verlassen, und seine zwergischen Trinkgesellen vom Vorabend regten sich ebenfalls schon. Nur Danja schlief, gar nicht weit von ihm entfernt, so friedlich, dass man fast neidisch werden konnte.
”Aufstehen, Stabschwingerin”, gähnte er in ihre Richtung, während er sich im Nacken kratzte. Die Maga bewegte sich nicht, atmete einfach weiter. ”He, aufstehen, Schlafmütze! Genug gerüsselt!” wiederholte Roban etwas lauter. Immer noch nichts! Brüllen konnte er nicht, sonst fielen auch die Zwerge aus dem Bett. Blieb also nur der patentierte Knuff in die Rippengegend. Schlagartig schoss die Maga hoch, blinzelte verwirrt in das Halbdunkel des Schankraums, und funkelte ihn dann ärgerlich an. ”Was ist los? Greifen die Sumpfranzen an?” fragte sie erbost. ”Zeit zum Aufstehen.” Roban deutete zu den geschlossenen Fensterläden, durch die dünne Sonnenstrahlen das Innere erhellten. Danja hantierte derweil an ihren Ohren. ”Wie meinen?” sagte sie dann und zog einen Wachspropfen heraus. Roban starrte das kleine Ding an, zu dem sich jetzt noch ein zweites gesellte. ”Seit wann stopfst du dir Wachs in die Ohren?” murmelte er verwirrt. ”Seit ich in einem Haus wohne, in dem gleich mehrere Leute schlimmer schnarchen als eine Holzfällersäge”, entgegnete Danja ungerührt. ”Und auch die Schnarcher hier können sich sehen respektive hören lassen. Und da mir meine Nachtruhe heilig ist wie dir dein Hammer...” Kopfschüttelnd schlug Roban die Decke zurück, stand auf und streckte sich erst mal, dass die Gelenke bedenklich knackten, um anschließend in den frühen Morgen hinaus zu stapfen.
Gleich hinter der Tür empfing ihn ziemlich lautes, ausgelassenes Rufen, denn Edelbrecht von Borking hatte in der Zwischenzeit seine Überraschung überwunden und hatte Kalmun Beutelsaum und Brauwin Bockbusch, den heutigen Palisadenwächtern, bedeutet das Tor zu öffnen. ”Hier könnte ein ganzes Orkheer anrücken, ohne dass ihr es bemerken würdet”, zischte er dem Gerstenbauern zu ”warum habt ihr die Neuankömmlinge denn nicht erspäht und mir gemeldet?” Noch ehe der Untergebene antworten konnte, traten Rainfried von Grimsau und seine Begleiter ein und wurden überschwänglich vom jungen Borkinger begrüßt.
Aus zusammengekniffenen Augen blinzelte Roban in Richtung des Lärms, um dem Blick einige Schritte in gleicher Richtung folgen zu lassen. ”Rainfried von Grimsau, Ihr seht so mies aus, wie ich mich fühle!” rief er schon von weitem. Der Angesprochene quittierte diese Begrüßung mit einem gequälten Grinsen. ”Der Nebel hat uns aufgehalten. Unsere Reise durch den Sumpf verzögerte sich und zwang uns zu gleich zwei ungemütlichen Nächten – wie man uns wohl ansehen mag!” ”Um in diesem Drecksloch sauber zu bleiben, müsstet Ihr fliegen können!” lachte Roban und reichte nacheinander Rainfried und seinen Begleitern die Hand.
Wie es der Zufall so wollte, klopfte just in diesem Moment erneut jemand ans Tor im Nordwesten, das auf den Weg Richtung Donken führte. Eine tiefe Stimme dröhnte: "Im Namen Angroschs, öffnet uns! Wir kommen in friedlicher Absicht."
”Hagelschlag und Wolkenbruch”, schimpfte Edelbrecht, der sich von Rainfried abgewandt hatte, auf die betreten dreinblickenden Torwachen. ”Ihr seid ja wirklich zu nichts zu gebrauchen! Schon wieder ein Reisender, der eurem trüben Blick entgangen ist. Na wird’s bald öffnet das Tor oder ich mache euch Beine!” Etosch Gabelbart, der in der Zwischenzeit aus dem Haus seines Freundes getreten war, wurde hellhörig. "Täuschen mich meine Ohren, oder ist das da draußen... Olgosch?" Als Kalmun und Brauwin das Tor öffneten, stellte sich heraus, dass dem Angroscho sein Gehör tatsächlich keinen Streich gespielt hatte. Der Ambosszwerg, dessen Bart zu prächtigen Zöpfen zusammengebunden war, begrüßte zunächst seinen alten Freund mit einer herzlichen Umarmung. "Na also, kennt man mich also doch noch! Aber sag mal, Etosch, du sahst auch schon mal etwas frischer aus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf!" "Du hingegen bist ganz der charmante Angroscho geblieben, als den ich dich kannte!" "Doch genug gescherzt. Wo ist der Herr von Neufarnhain?" Erst jetzt begann Olgosch, sich umzublicken.
Edelbrecht war das Feixen am Tor nicht unbemerkt geblieben und so trat er vor, um den Zwergen zu begrüßen, den er vor fast genau einem Götterlauf fortgeschickt hatte, damit dieser seinen Freund Boromil unterstütze. "Seid gegrüßt, Olgosch Sohn des Ogrim! Welch unerwartete Freude, Euch wiederzusehen! Doch sagt, habt Ihr denn Boromil vom Kargen Land nicht mitgebracht?" Bei diesen Worten wich die Freude aus Olgoschs Antlitz. "Er bat mich, Euch diesen Brief zu übergeben." Mit diesen Worten förderte der Sohn des Ogrim ein Schriftstück aus der Tasche an seinem Gürtel. "Lest es am besten selbst!"
Nachdem der Zwerg einige Blicke auf sich gezogen hatte, stellte er sich noch einmal offiziell allen vor. Dann präsentierte er seinen ebenfalls zwergischen Begleiter, der sich bisher zurückgehalten hatte und alles und jeden mit wachen Augen und voller Interesse angesehen hatte. "Das ist Ingramosch Grambart. Er stammt ursprünglich aus der Gegend von Skretin in der Baronie Rohalssteg, wohnt aber jetzt in Neuvaloor." Der offensichtlich noch sehr junge Angroscho begrüßte nun freundlich die anwesenden Adeligen und Artgenossen. Als er die Magierin erblickte, die er ja bereits früher kennengelernt hatte, deutete er sogar eine galante Verbeugung an. Olgosch hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Dieser junge Hügelzwerg würde nur Schwierigkeiten machen! Angrosch allein wusste, warum Ritter Boromil wohl einen Narren an ihm gefressen hatte und ihm erlaubte, einfach mitzureisen.
”Seid mir alle aufs Herzlichste willkommen!” erhob Edelbrecht seine Stimme. ”Höchst unerfreulich, was Boromil hier schreibt.” Er schaute in die bestürzt blickende Menge der Versammelten und fügte erklärend hinzu: ”Er wird nicht kommen! Dringende private Angelegenheiten, die ihn von der Reise abhalten. Außerdem habe ich den Reichskongress in Perricum nicht bedacht; wer kann denn auch schon ahnen, dass jemand von uns Moorbrücker Sumpftitanen dorthin reisen würde? Wirklich sehr bedauerlich! Allerdings vertritt Olgosch hier, Boromils Stellvertreter, die Würde Neuvaloors in unserem Kreise, so dass die Neusiedlungen fast komplett vertreten sind.
Vielleicht kommen wir dann erst einmal zum Naheliegendsten – den Unterkünften. Ich denke, den Neueingetroffenen wird es Recht sein, wenn sie Gelegenheit dazu erhalten, sich erst einmal etwas frisch zu machen. Hernach treffen wir uns alle zum gemeinsamen Morgenmahl am Gedenkstein dort hinten.”
Kurz wies der Borkinger auf den imposanten Findling, der nahe der Schenke lag. Danach bedeutete er Kalmun Beutelsaum herzukommen. ”Nun, Kalmun, da du gezeigt hast, dass man dich als Torwache mehr schlecht als recht gebrauchen kann, führe den Herren von Grimsau und seine zwei Begleiter in deine Behausung und lass es ihnen an nichts fehlen.”
”Olgosch und Ingramosch, zögert nicht an der Tür dort hinten zu klopfen. Dort lebt die Familie Sauerbrodt, bei der ihr unterkommen sollt. Zwar hätte ich euch gern bei den anderen Angroschim untergebracht, allein der Platz ist dort wohl schon recht begrenzt. Aber seid ohne Sorge, die Weberfamilie wird sich die größte Mühe geben, euch angemessen zu bewirten.”
Unterdessen im ”Findling”:
Neugierig musterte Dwarrin, Sohn des Hogwin, die sorgenvollen Mienen seiner zwei Mitbewohner Ramlosch und Rumlosch, die eben aus der Vorratskammer der Neufarnhainer Schenke kamen. ”Welcher Drache ist euch denn aufs Haupt gestürzt, dass ihr so betrübt dreinschaut?” konnte er sich nicht verkneifen zu fragen. ”Du hast gut reden, Dwarrin, am besten du schaust es dir selber an, dann wirst du uns verstehen”, antwortete Ramlosch und führte ihn schnurstracks in die enge Kammer.
Dwarrin schaute sich um. ”Keulen, Würste, Brot und Käse, Gewürze, alles in bester Ordnung” murmelte er und kraulte seinen dichten schwarzen Bart. Daraufhin drehte er sich um und lugte in eine Ecke, in der einige etwa zwergengroße, mit Mehl gefüllte Säcke standen. Dwarrin stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte dahinter etwas zu erspähen. ”Und hier haben wir sicherlich…,” Er stockte, drehte sich wieder um und schaute seinen Mitbewohner mit angstgeweihteten Augen an: ”Moment mal, Ramlosch, wo sind denn die anderen Fässer ‚Neufarnhainer Zwergenbräu’?” Finster starrte Ramlosch zurück.
Dwarrin stutzte. ”Willst du etwa sagen, dass…?” Ramlosch nickte. ”Aber, das, das kann nicht sein, das würde ja bedeuten…” Dwarrin schluckte, Tränen schossen ihm in die Augen. ”Ganz recht”, schnaufte Rumlosch und drängte sich zu den beiden Angroschim in die Kammer ”das bedeutet, dass dieser unsägliche Roban das gesamte Bier, das für die Feier eingeplant gewesen ist, in noch nicht einmal zwei Tagen komplett vernichtet hat!” ”Aber, aber du willst doch damit nicht etwa sagen, dass wir jetzt die eiserne Reserve angreifen müssen?” heulte Dwarrin auf.
”So wahr ich hier stehe, das wird nicht passieren!” polterte Ramlosch und ein namenloses Grinsen stahl sich in sein Gesicht. ”Nicht wenn ich es verhindern kann und ich glaube, ich habe da auch schon eine Idee…”
Währenddessen folgten Alma, Rambox und Rainfried Kalmun Beutelsaum in dessen Haus. ”Wir haben leider nicht so viele Betten, dass es für alle langt.” entschuldigte sich der Gerstenbauer. ”Für den Herrn Ritter haben wir ein Bett frei, die Großmutter schläft solang bei meiner Frau und mir. Für die werte Frau und den Herrn Angroscho sind am Boden einigermaßen weiche Decken und Kissen mit Stroh gefüllt da. Wenn’s recht ist.”
”Ist es, guter Mann.” antwortete Rainfried rasch, um einer vorschnellen Antwort Rambox zuvorzukommen. ”Doch wichtiger noch als eine Schlafstatt wäre es für mich momentan, mich vom Dreck und Geruch des Moores waschen zu können. Hättet ihr einen Waschzuber für mich?” ”Einen Waschzuber nicht, aber am Brunnen draußen sollte noch ein Eimer sein. Soll ich euch etwas Wasser holen?”
”Lasst gut sein, ich gehe selber und sehe mir dabei gleich mal Neufarnhain etwas an. Es hat sich doch einiges verändert seit ich das letzte mal hier war.” Rainfried legte die Satteltasche neben das Bett, deutete Rambox an, die zweite, deutlich schwerere daneben zu stellen und ging dann in Richtung des Brunnens.
Zurück auf dem Dorfplatz:
Roban kehrte nach der Begrüßung der Neuankömmlinge nicht in den Findling zurück. Ehe er sich dem Frühstück widmen konnte, musste er seinen Werwolf loswerden, und er hatte eine fast todsichere Methode dafür. Er sprach eine der Frauen an, die ohnehin am Brunnen Wasser schöpften, und bat sie, ihm einen Eimer zu beschaffen. Die Angesprochene nickte rasch und wandte sich der Kate zu, in der vor wenigen Minuten noch Olgosch und Ingramosch, die Gesandten des Ritters vom Kargen Land, verschwunden waren. ”HAMWIEDE! Bring mir noch einen Eimer!”
Roban zuckte beinahe zusammen, als sie den Namen rief. Das Bild der vorlautesten Göre des gesamten Kosch schoss wie ein Armbrustbolzen durch seine Gedanken. Zum Glück nahte aber nicht die befürchtete Hamwide Sackfold, sondern ein erheblich älteres Mädchen mit einem schlichten Holzeimer. Der Ritter nahm ihn rasch entgegen. ”Ich könnte auch das Wasser für Euch schöpfen, Wohlgeboren!” bot die Mutter des Mädchens an, als er den Eimer am Brunnen abstellte. ”Lasst mal, gute Frau, das kann ich schon selbst. Gehöre nicht zu den Edelleuten, die sich den Arsch hinterher tragen lassen!” Mit einem Eimer voll eiskaltem Wasser ging Roban anschließend hinter den ”Findling”. Abseits aller Blicke steckte der Kopf erst mal für ein paar Sekunden in das Nass, eine Prozedur, die er einige Male wiederholte. So lange, bis der Werwolf genervt klein bei gab. ”Ich hoffe, ich störe nicht bei der Morgentoilette!” Danja war unbemerkt hinter ihn getreten.
”Bin sowieso gerade fertig”, prustete der Ritter, schnäuzte sich die Nase und strich einige nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. ”Hatte einen etwas schweren Schädel!” ”So wie du gestern Abend gezecht hast, hatte ich mich fast gefragt, ob du heute morgen überhaupt wieder aufwachst!” neckte die Maga ihn. ”Das erinnerte mich irgendwie an einen Abend mit reichlich Meskinnes in einer schlichten Holzhütte an der Misa!” ”Erinnere mich nicht daran – ich tue es schließlich auch nicht mehr!” grinste Roban breit. An Danja vorbei sah er einige der Neufarnhainer schon die ersten Bänke Richtung Stein tragen. ”Bin ich vorzeigbar?” Die Festumerin maß ihn etwa eine Sekunde lang. ”Äh – nein! Siehst aus wie immer!” befand sie. ”Sehr schön! Dann kommen die anderen nicht aufs Ungewohnte!”
”Abgesehen von euren Tränensäcken. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie soweit nach unten gehangen sind. Ihr solltet sie vielleicht verknoten, sonst stolpert ihr noch drüber.” Rainfried gesellte sich zu den beiden. ”Ich wusste gar nicht, dass ein nasser Grobhand von Koschtal so interessant ist, dass ich gleich die doppelte Ehre von Besuch beim Waschen bekomme.” Roban tastete nach seinen Augen. Die Tränensäcke waren wirklich etwas dicker diesen Morgen. ”Eigentlich wollte ich nur etwas Wasser, um den Sumpf loszuwerden. Die junge Frau am Brunnen hat mich dann hierher verwiesen.” Rainfried nahm die junge Magierin in Augenschein. ”Verzeiht, aber ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt. Rainfried von Grimsau, Ritter zu Grimsaus Ehr.”
Danja nickte ihm zu. ”Danja Salderken, Maga der Halle des Quecksilbers zu Festum.” Rainfried verneigte sich kurz. ”Vergebt mir, dass ich euch nicht gebührend begrüße. Aber ich rieche noch so stark nach dem Sumpf, dass ich fürchte, der Geruch würde auf euch abfärben. Ich würde mir schäbig vorkommen, eure Schönheit damit zu zerstören. Doch bei der Feier heute, seid so gut und schenkt mir einen Tanz mit euch. Ich verspreche auch, dass ich bis dahin sauber bin.” Danja zog eine Augenbraue nach oben und blickte seitlich zu Roban. Ein Lächeln huschte kurz über ihre Lippen. ”Vielleicht. Wenn ihr tatsächlich sauber seid.” Damit ging sie in Richtung des Dorfplatzes. Roban blickte erst Rainfried an, dann Danja hinterher. ”Könnte ich den Eimer haben, Roban? Ich bringe ihn dann auch zurück. Roban? Roban!” Roban nickte Rainfried nur zu, ohne den Blick von der Maga zu wenden. Hatte sie schon immer so mit den Hüften gewackelt beim Gehen?
Unterdessen im Hause Kauzfoldt:
”Ganz schön laut in Neufarnhain”, lautete der Kommentar von Erborn, als er in seine Stiefel schlüpfte. Da hatte er nicht ganz Unrecht, ihnen war in ihrer Unterkunft nicht verborgen geblieben, dass es Neuankömmlinge gab. ”Nun schauen wir mal, ob wir einen Getreidebrei oder einen Kanten Brot bekommen können und dann machen wir die Pferde für die Jagd fertig.” Mit diesen Worten hatte sich Reto fertig angekleidet und wandte sich ihren Gastgebern zu. ”Travia mit euch und habt dank für warme und geruhsame Nacht.” Mit einer eleganten Verbeugung verabschiedete er sich von den jungen Damen des Hauses und trat mit Erborn ins Freie. Er dankte Peraine, dass Edelbrecht ihn gestern vorzeitig von Roban ”getrennt” hatte und sich sein Kater heute Morgen in Grenzen hielt. Und während er sich nach dem Herren Neufarnhains umblickte, richteten sich die beiden neu eingetroffenen Zwerge aus Neuvaloor bei den Sauberbrodts ein. Es war nicht zu übersehen, dass die Familie nicht besonders wohlhabend war, doch das wenige, das sie besaßen, waren sie bereit, mit den Angroschim zu teilen. Olgosch ärgerte sich insgeheim, dass er keine Gastgeschenke eingepackt hatte. Aber es hatte schnell gehen müssen und er war kein Hügelzwerg, der seine Jahre damit verbrachte, zu Hause die Stube zu schmücken. Nun, vielleicht ergab sich ja bei der Jagd die Gelegenheit, etwas für alle zu schießen...
Ingramosch plauderte unentwegt mit den Menschen, während er viel langsamer als Olgosch einige Sachen auspackte und mithalf, die spärlichen Möbel umzuräumen, damit später leichter die Schlafplätze hergerichtet werden konnten. "Soso, aus Herbonia kommt Ihr! Das ist ja gar nicht so weit von hier." Rena Sauerbrodt hatte alle Hände voll zu tun damit, darauf aufzupassen, dass nichts herunterfiel und zu Bruch ging. Ihre drei Söhne standen herum und gafften die Besucher an. Da ließ sich der knurrige Cordo vernehmen: "Jallik, nun hilf doch mal deiner Mutter!" "Jallik? Das ist ja lustig, wir haben auch einen in der Siedlung, der so heißt!" Als Olgosch seinen Begleiter so reden hörte, hätte er am liebsten die Augen verdreht. "Jallik ist der Name eines Grafen!", antwortete der älteste Sohn. "Mag sein. Bei uns ist es ein Bauer." "Jargold! Was gibt's da zu lachen? Mach lieber Platz und geh nach draußen. Hamwiede wird sich sicher über ein wenig Hilfe freuen." "Also gut, ich gehe ja schon..." Ingramosch fiel überhaupt nicht auf, wie sehr ihr Besuch das Alltagsleben der Siedler durcheinander brachte. "Das sind aber gut gewählte Namen! Wie heißt denn der mittlere Sohn?" "Ich bin Jalosch und ich freue mich, Euch kennenzulernen." Der Zweitgeborene streckte Ingramosch etwas schüchtern die Hand hin. "Sehr erfreut! Jetzt muss ich doch glatt an Jalosch Pilzanger denken." Die Weberfamilie sah Ingramosch verständnislos an. "Das ist ein Hügelzwerg, der mit mir von Skretin bis nach Moorbrück gereist ist. Er wollte in eine der anderen Siedlungen, um eine Zwergin zu werben." Olgosch musste sich zusammenreißen und atmete hörbar aus. Dieses Geschwätz war ja nicht auszuhalten! Phex sei Dank war er fertig mit seinen Vorbereitungen und konnte wieder nach draußen gehen. Doch da hielt ihn Cordo zurück und schaute ihm mit hartem Gesicht in die Augen. "Ihr wollt tiefer in den Sumpf gehen?" "Auf die Jagd. Ob tiefer in den Sumpf, vermag ich nicht zu sagen." "Haltet Euch von dem Steinkreis fern. Irgendetwas Übles ist dort ganz nahe." "Habt Dank für Eure Warnung, guter Mann.", nickte Olgosch ihm zu und verließ die kleine Kate.
Allmählich hatten die Neufarnhainer auch ihre letzten Frühstücksvorbereitungen abgeschlossen. Nunmehr standen auf dem gesamten Dorfplatz Bänke und Tische, an denen sie gemeinsam mit den hohen Gästen speisen sollten. Edelbrecht hatte im Vorfeld der Planung darauf bestanden, dass auch im Rahmen dieses Festes die Standesunterschiede möglichst wenig zu spüren sein sollten. Wäre nun noch der allgegenwärtige Nebel gewichen, hätte man in der Tat von einem schönen Frühlingsmorgen sprechen können. Nachdem endlich alle am Frühstückstisch erschienen waren und man gemeinsam ein Tischgebet an die gütige Mutter Travia gerichtet hatte, stärkten sich sowohl Einheimische als auch Gäste.
Roban hielt sich mit dem Essen ein wenig zurück und machte vor allen Dingen einen großen Bogen um den Getreidebrei. Normalerweise war er kein Kostverächter, aber sein ohnehin grummelnder Magen hätte ihm den Verzehr der naturgemäß schleimigen Substanz wohl ziemlich übel genommen. So hielt er sich entgegen seiner üblichen Gewohnheit an trockenes Brot und Wasser, so ziemlich das einzige, was sein Körper nur mit leichtem Rumoren quittierte. Nur bisweilen warf er einen neidvollen Blick auf die anderen, die sich nicht so zurück halten mussten.
Ingramosch hingegen griff bereitwillig zu, während sich Olgosch ins Gedächtnis rief, wie schwer sich die Siedler für dieses Mahl abgerackert hatten. Zu Hause in Neuvaloor tat er wenigstens etwas für sein täglich Brot, hier hingegen hatte er noch nichts für das Überleben der Siedlung getan. Etosch Gabelbart hatte die nachdenkliche Miene seines Freundes bemerkt. "Was ist los? Schmeckt's Dir nicht?" "Oh, doch, doch... ich war nur in Gedanken. Ich bitte um Entschuldigung, aber als rechte Hand Ritter Boromils muss ich soviel mitdenken und -rechnen. Man kommt aus dieser Rolle nicht so leicht heraus." "Na, lass mal die Gedanken Gedanken sein und stärke Dich! Du wirst nachher noch Deine Kräfte für die Jagd brauchen!" "Ein wahres Wort!", nickte Olgosch, den sein alter Freund sichtlich aufgemuntert hatte.
Als fast alle Teller und Schüsseln schließlich geleert waren, erhob sich Edelbrecht von seinem Platz und ergriff das Wort: ”Liebe Freunde, es erfüllt mich mit großem Glück, euch an diesem Tage alle an meiner Seite zu wissen. Ihr habt euch in den letzten Stunden alle von den bescheidenen Erfolgen überzeugen können, die wir hier in Neufarnhain gemacht haben, und ich hoffe, mich bald einmal bei euch umsehen und euer Vorankommen bestaunen zu können. In der Tat haben wir wohl alle Anlass zu Freude und Stolz über das im vergangenen Götterlauf Erreichte. So lasst uns denn diesen Tag festlich begehen und einmal unsere Alltagssorgen hinter uns lassen. Bevor wir uns am Abend aber an auserlesenen Köstlichkeiten aus unserer eigenen heimischen Produktion sowie aus Borking und Herbonia erfreuen können, halte ich es für eine gute Idee, wenn wir alle, meine verehrten Gäste, uns auf die FIRungefällige Hatz begeben und unser Menü noch um das ein oder andere Wildbret ergänzen, ist es doch eines Koschers unwürdig, sich ins gemachte Nest zu setzen und darauf zu warten, dass einem die gebratenen Tauben in den geöffneten Schlund flattern.” ”Baroschem, so spricht ein wahrer Koscher!” und Reto hob seinen Becher zum Gruß in die Runde. Die Zwerge klopften mit ihren Bechern zustimmend auf den Tisch. "Eines Angroscho würdig!" brummte Olgosch anerkennend Etosch Gabelbart zu, der wissend nickte. Weiteres beifälliges Murmeln tönte dem jungen Borkinger entgegen, als er fortfuhr: ”Damit nun der spielerische Wettbewerb nicht zu kurz kommt, dachte ich mir, jeder der Hohen Herren wählt sich eine Mannschaft und begibt sich mit dieser auf die Jagd. Wer bis zur dritten Mittagsstunde mit der größten Jagdbeute heimkehrt, dem sei dieser bronzene Pokal, der seit Urväterzeiten im Besitz meiner Familie ist, zuerkannt.” Sprach’s und zog ein Tuch vom Tisch, das während der gesamten morgendlichen Mahlzeit einen Becher verdeckt hatte, welcher mit diversen Bildern geschmückt war. Diese zeigten in schlichten Linien diverse Szenen aus dem Leben eines Adligen des 7. nachbosparanischen Jahrhunderts. Zwar mochte es sich bei dem Gefäß um kein allzu wertvolles Stück handeln, doch immerhin war es funktional und darüber hinaus ein nettes Erinnerungsstück an den heutigen Tag und so zeigten sich die Gäste mit dem Ansinnen des Gastgebers einverstanden. Ingramosch Grambart bekam gar leuchtende Augen bei dem Gedanken an den Preis. Das wäre eine herrliche Trophäe! Jetzt würde er sich beweisen können. ”Ein schöner Preis Ritter von Borking, wenn ihr erlaubt werden Erborn und ich unser Glück allein und auf dem Pferderücken versuchen, weshalb wir das Angebot eines ortskundigen Führers dankend ablehnen. Wir werden uns nach Osten, am Sumpfrand entlang bewegen, die Spuren unserer Pferde werden ausreichend sein, um zurück nach Neufarnhain zu finden. Firun mit euch allen.” Edelbrecht nickte Reto leicht zu. Nichts anderes hatte er, wenn er ehrlich war, von dem stolzen von Tarnelfurt erwartet. Rasch wurde daraufhin die Morgentafel aufgehoben und die Ritter suchten sich sowohl unter ihrem Gefolge als auch unter den Neufarnhainern den ein oder anderen Begleiter. ”Kann ich mit deiner Unterstützung rechnen?” fragte Roban die Festumer Maga, die das Morgemahl in höflichem Schweigen zugebracht hatte. ”Ihr wünscht meine Begleitung auf dem Jagdausflug, Wohlgeboren?” fragte sie schnippisch. ”Euch ist hoffentlich bewusst, dass der Einsatz von Zauberei den ehernen Gesetzen des eisigen Firun widerspricht?” ”Sicher!” schnarrte Roban ärgerlich. ”Aber erstens kann ich dich nicht guten Gewissens allein hier zurück lassen, und zweitens kennst du dich im Sumpf vermutlich besser aus als die meisten von Edelbrechts Siedler. Und falls und wirklich irgendwelches Viehzeuch auf den Pelz rückt, dass lieber uns verspeisen will als sich selbst verputzen zu lassen...” ”Ich verstehe, Wohlgeboren?” Danja säuberte die Finger an einem bereit gelegten Tuch und schien einen Moment zu überlegen. ”Nun, auf Euer Drängen hin könnte ich es tatsächlich in Erwägung ziehen, Euch meiner Begleitung zu versichern.” Der Ritter knirschte mit den Zähnen. Er HASSTE es, wenn Danja so förmlich mit ihm sprach. Und sie wusste, dass er es hasste. ”Ein Ja oder Nein tut es auch”, brummelte er. ”In diesem Fall ist die Antwort Ja”. Innerlich nahm Danja von dem Vorhaben, die Abwesenheit des Herren von Neufarnhain für einen nicht genehmigten Abstecher zum Steinkreis zu nutzen, Abstand – aber nur einen geringen. Roban benannte noch die beiden Zwerge Dwarrin und Dorwin als seine Begleiter, auch wenn diese ihn mit einem Blick maßen wie einen verurteilten Schwerverbrecher. Aber seiner Erfahrung nach waren Zwerge zumindest gute Schützen mit der Armbrust, und die konnte er gebrauchen, wenn er nicht mit leeren Händen nach Neufarnhain zurück kehren wollte. Olgosch nahm sich als älterer gegenüber Ingramosch das Recht heraus, einen Gefährten für die Jagd auszuwählen. Die meisten der Siedler hatten von der Jagd vermutlich keine Ahnung. Außerdem würde jeder, der mit ihnen ging, gleichzeitig bei den täglichen Arbeiten in der Siedlung fehlen. Er wusste nicht, welcher der Zwerge eventuell noch für den Wachdienst eingeteilt war, und wollte nicht Edelbrecht vor die peinliche Situation stellen, sein Wort über die freie Auswahl unter den Siedlern nicht halten zu können. Innerlich hoffte Olgosch inständig, dass die Zwerge tatsächlich die Siedlung bewachen würden. Schließlich würden viele gute Kämpfer heute hinaus in den Sumpf ziehen... aber einen der jüngeren Menschen - Angrosch, sie waren doch alle jung! - wollte Olgosch auch nicht mitnehmen. Schließlich hatte er bereits den Jungspund Ingramosch, auf den er aufpassen musste, damit dieser nicht zuviele Flausen ausleben würde. Da blieb sein Blick auf Cordo Sauerbrodt hängen. Der war nicht übermütig und hatte den nötigen Respekt vor dem Sumpf. "Ihr wollt mich als Verstärkung Eurer Jagdgruppe?", fragte Cordo etwas überrascht. "Nun gut, seine Wohlgeboren haben es befohlen. Ihr wisst ja, worauf Ihr Euch einlasst mit mir!", schickte sich Sauerbrodt in sein Schicksal. "Keine Angst, griesgrämige Begleiter bin ich gewohnt!", hätte der Sohn des Ogrim beinahe geantwortet, besann sich dann aber doch noch eines besseren. Stattdessen sagte er: "Ich brauche jemanden mit Lebenserfahrung, der nicht erpicht darauf ist, im Sumpf irgendwelche Abenteuer zu erleben." Zum ersten Mal an diesem Tag schien sich in Cordos Gesicht so etwas wie ein ehrliches Lächeln zu abzuzeichnen. Der Grimsauer verließ sich ebenfalls auf seine beiden Begleiter, die er mitgebracht hatte. Alma konnte Tierfährten so gut finden, wie den Weg durch den Sumpf. Und sollte eine wildgewordene Bache auf ihn zustürmen, so wollte er niemand anderes als Rambox an seiner Seite wissen, der mit Axt und Armbrust gleichermaßen umzugehen wusste. Als alle ihre Wahl getroffen hatten, stieß der alte, ehrwürdige Angroschgeweihte Dwarrosch, Sohn des Dwingel, ins Horn und damit zum Aufbruch.
Gern hätte Edelbrecht ganz allein auf sich gestellt um das alte Familienstück gerungen, doch zur Sicherheit scharte er noch seinen zwergischen Freund Etosch Gabelbart und den fünfzehn Götterläufe zählenden Jalosch Sauerbrodt um sich, würde ihn sein Weg doch in den südwärts gelegenen Sumpf führen, wo er guter Hoffnung war, einen kapitalen Eber zu erlegen, hatte er dort doch schon des Öfteren die ein oder andere Rotte Wildschweine gesehen. Doch nachdem die drei Gefährten Stunden um Stunden durch den trügerischen Sumpf gestapft waren, ohne auch nur die leiseste Spur eines Wildschweins zu entdecken, war Edelbrecht bereit, sich ihr Scheitern einzugestehen und den Pokal abzuschreiben. Immer wieder waren sie in dem tückischen Untergrund eingesunken, der ungestüme Jalosch einmal gar bis zur Hüfte. Längst schon waren sie vom ursprünglich ausgewählten Weg abgekommen und schon bald würden sie zur Umkehr genötigt sein, wenn sie noch rechtzeitig in Neufarnhain eintreffen wollten. Edelbrecht konnte nur hoffen, dass die anderen ebensoviel Pech gehabt hatten wie sie, auch wenn das bedeutete, auf so manche Bereicherung ihres abendlichen Speiseplans zu verzichten. ”Schöner Mist”, murmelte er vor sich hin und blickte verdrießlich auf Jallosch, der sich sichtlich abmühte mit den beiden ausgewachsenen Männern Schritt zu halten. ”der Becher ist futsch! Kommt ihr zwei, machen wir…” Da erklang ein lang gezogenes Heulen durch den dichten Nebel und unterbrach den Herren von Neufarnhain. Kaum war es verklungen, als aus einer anderen Richtung ein zweites, ein drittes und ein viertes Heulen ertönte, das jeweils aus unterschiedlichen Kehlen zu stammen schienen. Rasch drängten sich die Gefährten enger aneinander, bedeckten gegenseitig ihre Rücken und machten sich kampfbereit, als Edelbrecht auch schon einen huschenden Schemen aus den Augenwinkeln bemerkte, der plötzlich durch die Luft direkt auf Jalosch zuflog. Cordo Sauerbrodt bestand darauf, Stöcke und bunte Fetzen mitnzunehmen und damit den Weg zu kennzeichnen. Dies verzögerte den Aufbruch von Olgoschs Gruppe um einige Zeit, doch der Weber beschwichtigte die beiden wartenden Zwerge: "Nur Geduld. Wer langsam in den Sumpf geht, kommt auch zurück." Zur Freude Olgoschs bedurfte es danach keiner langen Diskussion über den besten Weg. Sie wählten den östlichen Ausgang Richtung Herbonia, der der Kate der Sauerbrodts am nächsten stand und in dessen Nähe sich der Ingerimmschrein befand. Hier gab es eine gute Strecke lang sicheren Boden. Um nicht dem Steinkreis zu nahe zu kommen, vor dem der Weber ausdrücklich gewarnt hatte, bogen sie bald nach Südosten ab.
Einige Stunden später war Olgosch durchaus zufrieden mit der Ausbeute. Zwar hatten sie nur einige Kaninchen gefangen und kein Großwild, so wie Edelbrecht es in Aussicht gestellte hatte, aber es würde immerhin den Speiseplan der Siedler ein wenig angenehmer gestalten. Außerdem wäre es nicht gut, allzu erfolgreich zu sein, wollte man den Becher in Neufarnhain behalten... es kam dem Sohn des Ogrim immer noch nicht in den Sinn, ein altes Familienerbstück einfach so zu übernehmen. Ingramosch hatte sich wider Erwarten recht gut gemacht, war während der gesamten Jagd still geblieben, so wie es erforderlich war, und hatte die Anweisungen Olgoschs ohne zu murren ausgeführt. Tatsächlich schien der junge Angroscho recht geschickte Finger zu haben - nun gut, er stammte ja auch aus einer ehrbaren Handwerkerfamilie. Cordo Sauberbrodt war es nicht schwer gefallen, stumm zu bleiben. Sie schickten sich gerade an, den Weg zurück in die Siedlung anzutreten, als sie ein Heulen vernahmen. Sofort blickte sich der Weber hektisch um. "Wölfe", stellte Olgosch trocken fest, "oder Schlimmeres." Während er versuchte, die Richtung festzustellen, aus der das Geheul kam, sammelte er seine Begleiter um sich. "Ingramosch, an meine Seite. Und Ihr auch. Wenn wir dicht beieinander stehen, können wir uns besser verteidigen." Der junge Grambart fügte sich, fuhr sich jedoch mit der Zunge über die Lippen und kraulte seinen Bart. "Hm, was immer es ist, es scheint von uns aus gesehen genau südwestlich zu sein." Sauberbrodt begriff. "Dorthin ist seine Wohlgeboren gegangen! Und mein Sohn! Wir müssen etwas tun!" "Ja, das werden wir, aber überlegt. Es nützt den anderen nichts, wenn wir im Sumpf versinken, weil wir nicht aufgepasst haben." Prüfend stellte Olgosch seinen Fuß einen Schritt Richtung Süden, um festzustellen, ob der Boden ihn tragen würde.
”Leise jetzt!” Alma flüsterte. ”Da vorn ist es.” Rainfried konnte durch die Bäume das Tier sehen, dessen Fährte sie nun schon seit mehr als einer Stunde folgten. Ein stattlicher Rehbock, wie man ihn sich nur wünschen konnte. ”Wenn das mal nicht der Pokal ist…” raunte der Grimsauer zwischen den Zähnen, während Rambox bereits die Armbrust anlegte. Die Atmung des Zwerges wurde immer ruhiger, er atmete langsam aus, ließ dabei die Armbrust von oben in Richtung des Ziels gleiten. Sein Finger blieb ruhig am Abzug. Der Bolzen zeigte nun direkt zum Herzen des Bocks. Rambox drückte in dem Moment ab, als ein markerschütterndes Heulen ganz in der Nähe die Stille zerriss. Der Rehbock sprang panikartig davon und der Bolzen rammte wirkungslos in die unschuldige Borke eines Baums. Rainfried zog sofort seine Seitenwaffe. Ein Blick in Richtung Almas machte ihm deutlich, dass sie ebenfalls wie der Rehbock fliehen wollte. ”Alma, bleib ganz ruhig. Wir müssen zusammenbleiben.” Er legte eine Hand auf ihre Schulter. ”Bah! Wölfe! Die kann man nicht wirklich essen.” Die Armbrust an Rambox Seite knarzte, als er sie wieder spannte und einen weiteren Bolzen auflegte. Er ging zu dem Baum, den er versehentlich abgeschossen hatte, brach den Bolzen aus der Rinde und inspizierte ihn. ”Und einen Bolzen hab ich jetzt auch noch verloren, denn der ist hin. Ob der werte Edelbrecht einen Borkenkäfer als würdige Jagdbeute ansieht? Dann haben wir den Pokal wohl gewonnen.” ”Für Scherze ist später Zeit, Rambox. Wir sollten zurück zur Siedlung.” Rainfried verstärkte den Griff an der Waffe und Alma. Vorsichtig begannen sie, den Weg zurück zu suchen.
So schnell Edelbrecht es vermochte, spannte er seine leichte Armbrust – ein Geschenk Etoschs – und doch kam es ihm wie eine kleine Ewigkeit vor, ehe der Bolzen aus seinem Schaft hervorschoss und krachend in den Körper des Ungetüms einschlug, das Jalosch nur um Haaresbreite verfehlt und sich drohend vor ihm aufgebaut hatte. ”Achtung, Edelbrecht, hinter dir”, schrie Etosch Gabelbart auf und während der Borkinger noch herumfuhr, packte ihn etwas Großes, Pelziges an seinem rechten Bein und zerriss den Stoff seines Beinkleids. Als ob ihn tausend Messer durchführten, so brannte es, als das Untier erneut zuschnappte und sich die fingerlangen Reißzähne tief in den Unterschenkel des Borkingers bohrten. Schon drohte es ihm schwarz vor den Augen zu werden, als Etoschs Zwergenskraja auf das Haupt des pelzigen Gegners niederfuhr und sich das Gebiss löste, das sein Bein umklammert gehalten hatte. Mit einem Satz wich Edelbrecht ein Stück zurück und kehrte sich erneut um, um nach Jalosch zu blicken, der sich zitternd mit einem eichernen Knüppel zweier Angreifer erwehrte. ”Wölfe”, schoss es ihm durch den Kopf, ohne dass er die dreisten Kreaturen genauer hätte klassifizieren können. Sicherlich war es, nach allem was er wusste, ungewöhnlich, dass diese Tiere sich an eine Gruppe Menschen heranwagten, aber immerhin war der Winter noch nicht gänzlich vorbei und ausgesprochen hart gewesen in diesem Götterlauf. Vermutlich waren die Bestien vollkommen ausgehungert und zu allem fähig. Und noch ein Gedanke kam ihm, während er sich daran machte, Jalosch zur Hilfe zu eilen, und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Ein Wolf mochte zwar keine ausgezeichnete Jagdbeute sein, doch war es immer noch besser als mit leeren Händen zurückzukehren. Edelbrecht jauchzte laut auf ”Für Firun!” und stürzte sich ins Gefecht…
Nur eine halbe Meile weiter nördlich... Allzu glücklich war Roban nicht, auch wenn ihm Firun bereits eine Jagdbeute beschert hatte. Der kleine Rotpüschel wäre aber vermutlich demnächst Hungers gestorben, wenn ihn Dorwins Bolzen nicht erwischt hätte. Eine prächtige Jagdbeute sah anders aus. ”Der Spatz in der Hand...”, sinnierte Roban, der sich ohnehin nicht besonders viel Hoffnung auf den Pokal gemacht hatte. Nicht, solange der Weidener Erborn im Rennen war, wahrlich ein Waidmann nach Firuns Geschmack. Der hatte sogar mal ein Reh in Moorbrück erwischt – ein leibhaftiges Reh, und das Vieh hatte sogar geschmeckt! Seit diesem Tag hatte Roban kein einziges Stück Rotwild mehr in dieser Gegend gesehen. Man hätte wohl eines auf dem Rücken hierher tragen müssen! Das sagte ihm mehr als genug über Erborns Jagdglück, und er gönnte es ihm. Immerhin, ganz mit leeren Händen kam er nicht zurück. Und Danja hatte sich bereits einen neuen Spitznamen zugelegt. Daheim schimpfte Thurescha sie ”Draxgroschna” – ”Drachentochter”! Da sie auf ihrer Jagd schon zwei Schnecken mit merkwürdig gewundenen Fühlern gefunden und in einem mitgeführten Glas eingekerkert hatte, nannten die zwei Angroschim sie seitdem ”Schneckenschwester”, ein Wort, dass auf Rogolan einen fürchterlichen Zungenbrecher darstellte. Und vielleicht hatte man ja doch noch etwas Glück und fand doch noch ein passendes Stück Wild. ”Da, Wohlgeboren – eine Fährte!” meldete Dorwin und deutete auf den Boden. Roban trat näher. ”Ja, das ist ein Prachtexemplar”, grinste er. ”Koscher Edelmann, würde ich sagen, stattlich von Statur und gut genährt! Hängen wir ihn über den Kamin oder legen wir ihn davor?” Der Zwerg blinzelte verwirrt zu ihm empor, ehe er verstand. ”Ach, das sind...” ”Die Stiefel eures Dienstherren”, lächelte Roban. ”Ja, ich denke schon. So große Latschen hat in Neufarnhain wohl nur einer, und das ist...” Ein langgezogener Laut zerriss die Luft und ließ die vier zusammen fahren. ”Canis lupus”, stellte Danja fest, etwas blass, aber um Fassung bemüht. ”Was für eine Kanne?” schnappte Roban und fingerte bereits am Schwertgriff. ”Wolf, Ro...Wohlgeboren!” rief die Maga erregt. ”Irgendwo hier in der Gegend ist ein Wolf, oder wohl eher ein ganzes Rudel! Wir sollten stehenden Fußes zur Siedlung zurück. Nach dem Winter könnten die Tiere ausgehungert genug sein, um auch die Nähe des Menschen nicht mehr zu scheuen.” Erneutes Heulen, aus der gleichen Richtung. Robans Blick glitt noch einmal zu Boden. Wie ein Wegweiser zeigte die Stiefelspitze in Richtung des Geheuls, dass jetzt mehrfach beantwortet wurde. Das war nicht das Heulen in Richtung Madamal – da brachte sich ein Rudel in Angriffsposition. ”Oger, Arsch und Wolkenbruch! Ladet die Waffen, Angroschim, jetzt gilt es, euren Herrn zu verteidigen!"”Der Ritter riss die zerschlissene Jacke von den Schultern und wickelte es mit einigen schnellen Bewegungen um den Arm. In Tobrien hatte er schon gegen dämonisch verseuchte Hunde gekämpft, keine besonders angenehme Erfahrung, aber jetzt vielleicht hilfreich. Kaum, dass er den Arm gegen Bisse geschützt hatte, rannte er los, immer der Spur hinterher. Das Geheul war einer Mischung aus Kläffen, Knurren und Winseln gewichen, immer wieder unterbrochen von den Rufen menschlicher und zwergischer Kämpfer. Jetzt schälte sich das erste Tier aus dem Dunst. Es wirkte mager, aber das machte es wohl nur noch gefährlicher. Und tatsächlich, kaum, dass es den heran stürmenden Ritter bemerkt hatte, sprang es schon los. Roban riss den Arm hoch. Lange Fangzähne bohrten sich in das Leder, er spürte den Druck auf dem Arm, fest wie eine zuschnappende Bärenfalle. Dann rammte er dem Tier schon das Schwert in den Leib, so tief, dass die Spitze auf der anderen Seite wieder ans Tageslicht trat. Blut spritzte ihm auf die Kleider, als er die Klinge aus dem erschlaffenden Leib riss. Das Todesgeheul des Wolfes, dessen Kiefer sich fast widerwillig langsam lösten. Und schon konnte er weitere Wölfe ausmachen, die vor ihm im Nebel umher sprangen, ob im Angriff oder in der Abwehr, dass konnte er nicht erkennen. Hinter sich hörte er die dumpfen Schläge von Zwergenstiefeln und die leichteren Danjas, als er seine zerrissene Jacke zurecht rückte und sich gröhlend ins Gefecht warf.
Als die Gruppe um Olgosch den Kampfplatz erreichte, war das Gefecht bereits in vollem Gange. Edelbrecht und Jalosch stritten Seite an Seite, wobei letzterer sich mit seinem Knüppel nur mit Mühe zur Wehr setzen konnte. Mitten im Geschehen war der Grobhand, der ohne Rücksicht auf Verluste auf alles eindrosch, was einen grauen Pelz trug. Die Magierin schien sich auf etwas zu konzentrieren und benötigte Deckung durch Dwarrin und Dorwin, um nicht in den Nahkampf zu geraten. Etosch Gabelbart hatte es gleich mit zwei Wölfen zu tun, die er mit gewaltigen Axtschwüngen nur mühsam auf Distanz hielt. Auch ein kräftiger Angroscho würde dies nicht lange durchhalten. Daher griff Olgosch zunächst einen von ihnen an, gedeckt durch Ingramosch und Cordo, denen er eingeschärft hatte, nicht von seiner Seite zu weichen. Und tatsächlich brauchte es nicht lange, um den ersten Angreifer zu erledigen, hatte er doch der neu aufgetauchten Gruppe den Rücken zugewandt. Olgosch nickte Etosch zu, der sich nun ganz auf den verbliebenen Wolf kümmern konnte, und wandte sich Richtung Edelbrecht und Jalosch.
Auch an dieser Front war es mittlerweile gelungen einen Wolf schwer zu verwunden, so dass er zähnefletschend und heulend das Weite suchte. Allmählich erlangten Menschen und Angroschim die Oberhand und schlugen die übermütigen Wölfe in die Flucht. Leise fluchend wischte sich der sichtlich erblasste Edelbrecht das Blut ab, welches sein Bein hinab und allmählich in den Stiefel lief. ”Danke Freunde, das war wirklich Rettung in letzter Sekunde möchte ich meinen,” fand Etosch Gabelbart die passenden Worte gegenüber den sieben Hinzugekommenen ”lange hätten wir allein sicherlich nicht mehr gegen das Rudel durchhalten können. Immerhin”, der Zwerg schaute sich um ”ist es uns gelungen diese widerlichen Pelzknäuel in die Flucht zu schlagen und diese hier”, er wies auf drei erschlagene Graupelze ”werden nun keinen Schaden mehr anrichten können!” Auch Edelbrecht, der zwischenzeitig die Wunde notdürftig abgebunden hatte, sprach seinen tief empfundenen Dank aus und bat Cordo und Jalosch darum, die Kadaver zusammenzutragen und zu -binden, auf dass man sie besser transportieren könne. Anschließend machten sich alle gemeinsam auf den Rückweg nach Neufarnhain, wobei sie das Gefühl nicht loswurden aus den schummrigen Nebeln, die nunmehr immer dichter wurden, heraus feindselig beobachtet zu werden.
Reto und Erborn waren schon eine ganze Zeit unterwegs und Erborn hatte schon eine Menge Spuren gefunden. Eine Rotte Wildschweine schien sich auf den Weg in den Sumpf gemacht zu haben, aber Reto wollte die Pferde nicht unbeaufsichtigt am Rande des Sumpfs zurücklassen oder einen allein in den Sumpf schicken. Also suchten sie weiter. Erborn entdeckte die Schlafmulde eines Hasen, aber dieser Spur wollte Reto nur folgen, wenn sich nicht etwas Besseres ergab, gleiches galt für den Kaninchenbau den Erborn kurz darauf aufspürte. Dann fand Erborn endlich eine lohnenswerte Spur von einigen Rehen und diese führten in einen lichten Birkenhain und nicht in den Sumpf. Etwa zur 2. Mittagsstunde setzen beide ab und banden Erborns Pferd an einen Baum, Retos Streitross brauchte man nicht anzubinden, es würde auf Erborns Pferd aufpassen. Langsam und leise verfolgten sie die Spuren und als das erste Reh in mehr als hundert Schritt Entfernung in Sicht kam, blieb Reto mit gespanntem Bogen zurück und Erborn pirschte sich in einem leichten Bogen näher heran. Reto sah Erborn gar nicht mehr und wartet nervös darauf, einem der flüchtenden Tiere vielleicht einen Pfeil nachschießen zu können, als plötzlich eines der Tiere von einem Pfeil getroffen zu Boden sank. Die anderen flüchteten und Phex sei’s gedankt sogar in Retos Richtung. Reto sprang auf, spannte den Bogen und schoss, aber der Pfeil verfehlte sein Ziel und als Reto den 2. Pfeil aufgelegt hatte, waren die Rehe schon nicht mehr zu sehen. Erborn hatte den Bock schon verschnürt und transportfertig bis Reto bei ihm war. Der junge Bock wog nicht mehr als 15 Stein, aber für die kleine Festgesellschaft mochte es reichen. ”Reto, ich habe vielleicht beunruhigende Entdeckung gemacht”, eröffnete Erborn das Gespräch, als sie sich auf dem Rückweg zu ihren Pferden befanden. ”Ach ja, welche denn?” ”Als ich mich durchs Unterholz anpirschte entdeckte ich ein paar Fellfetzen und Spuren von einigen Wölfen. Die scheinen mir Recht ausgehungert zu sein, wenn sie so wenig von ihrer Beute übrig lassen. Vielleicht sollten wir Wohlgeboren von Borking informieren?” Reto strich sich durch seinen Kinnbart, wie üblich wenn er nachdachte, ”Hm, nicht dass wir ihn und Neufarnhain damit in Angst und Schrecken versetzen. Waren die Spuren sehr frisch? Könnte man zur Wolfshatz blasen?” ” Die Spuren sind schon einige Tage alt, mag sein, dass die Wölfe schon wo ganz anders unterwegs sind.” ”In diesem Fall will ich den Borkinger nicht unnötig nervös machen, vielleicht spreche ich ihn heute Abend mal vorsichtig darauf an. Also erst mal Boronsgefälliges Schweigen gegenüber den Dörflern, dann sehen wir weiter.” Erborn nickte nur und dann waren sie auch schon bei ihren Pferden angekommen, Jolande hatte schon die Ohren gespitzt. Gutes Tier dachte Reto und die beiden machten sich auf den Rückweg nach Neufarnhain.
Dort angekommen erlebten sie gemeinsam mit den zurückgebliebenen Neufarnhainern bange Augenblicke, blieben einige der anderen Jagdgesellschaften doch mittlerweile mehr als ein Stundenglas über das vereinbarte Fristende des kleinen Wettbewerbs aus. ”Sicherlich versuchen sie noch, prächtigere Trophäen zu erlangen, um den Siegerpokal ihr Eigen nennen zu können”, versuchte Reto von Tarnelfurt im Gespräch mit Rainfried von Grimsau einen Scherz. ”Na, auf den Gedanken hätte ja jeder kommen können”, grummelte Rainfried ”dann hätte ich mir persönlich auch mehr Zeit genommen und wäre dem Rotwild nachgeeilt.” Tatsächlich ärgerte es den Grimsauer ein wenig, dass Reto das gelungen war, was ihm selber versagt geblieben war. Reto hatte bei seiner Ankunft nicht lange gezögert und hatte seine Beute in die Hände des Gerberehepaars gegeben. Sollte die Festgesellschaft noch etwas von dem Wild haben, so mussten sich die Eheleute sputen, um das Tier aus seiner Decke zu schlagen. Außerdem hatte dieser Auftrag den interessanten Nebeneffekt, dass Reto den Bockbuschs über die Schultern schauen konnte und sich über die Qualität ihrer Arbeit ein Bild machen konnte, ohne dass Edelbrecht dabei war oder ihn irgendetwas anderes ablenkte. Nur wenig später war Rainfried in nicht allzu guter Laune zurückgekehrt, hatte Firun ihm doch – wie es schien – seine Gunst verwehrt. Reto hatte sich daher rasch zu ihm gesellt, nachdem er sich von der Gewissenhaftigkeit der Bockbuschs überzeugt hatte, und seitdem versucht sein Gegenüber aufzumuntern. Doch allmählich machten sich auch in ihm Zweifel breit: Sollte das lange Ausbleiben der anderen vielleicht doch etwas mit den Wolfsspuren zu tun haben, die Erborn und er draußen entdeckt hatten? Gerade wollte er zu einer Entgegnung ansetzen, als von der Palisade aufgeregte, laute Rufe zu ihnen herüberdrangen und das Tor aufgestoßen wurde. Endlich schienen die anderen zurückzukehren. Doch was mussten Rainfried und Reto erblicken, als sie näher kamen? Mit schmerzverzerrten Gesicht stützte sich Edelbrecht von Borking, der leicht humpelte, auf den Weber Cordo Sauerbrodt und Ritter Roban Grobhand von Koschtal, während die Maga Danja energisch auf ihn einredete. Die Zwerge unterdessen trugen drei Wolfskadaver mit sich, die sie unter der Anleitung Olgoschs und Etoschs unweit der Gerberhütte fallen ließen. ”Zum letzten Mal, Wohlgeboren, es wäre mir ein Leichtes, Eure Wunden mittels eines simplen Balsam Salabunde zu schließen und euer Leiden zu lindern, wenn Ihr nur nicht so stur wäret”, erklärte die aufgebrachte Danja Edelbrecht gerade zum wiederholten Male. ”Und ich habe Euch gesagt, dass das gar nicht in Frage kommt, gebt Euch damit zufrieden”, schimpfte Edelbrecht ”eher lasse ich mir das Bein abnehmen, als dass eine dahergelaufene Galottanerin sich daran zu schaffen macht!” Hilfesuchend blickte Danja Roban an, der jedoch nur resigniert mit den Schultern zuckte. Erst als Reto und Rainfried, die nun bei ihnen angelangt waren, nach den Ereignissen der vergangenen Stunden fragten, ergriff er das Wort und klärte sie in einigen knappen Sätzen auf. ”Dadurch werden wir uns aber nicht von unserem eigentlichen Vorhaben abbringen lassen”, stöhnte Edelbrecht auf, dem der diensteifrige Leubold Garnelinger zwischenzeitig einen Schemel besorgt hatte, auf dem er sich niederließ. ”Lass Firuna in meine Unterkunft kommen, Leubold, sie wird wissen, was zu tun ist. Nun zu etwas Wichtigerem, wie ist es euch beiden denn ergangen?” wandte er sich an Reto und Rainfried. Als beide vom Ausgang ihrer Jagd berichtet hatten, nickte Edelbrecht leicht. ”Dann steht der Sieger der Jagd ja fest. Ich gratuliere dir, Reto, und werde dir heute Abend gerne vor allen anderen den Pokal überreichen. Bitte entschuldigt mich jetzt, ich muss mich kurz ein wenig ausruhen. Vielleicht nutzt ihr ja die Gelegenheit, um selber auch noch ein wenig zu ruhen oder um euch frisch zu machen?!” Daraufhin erteilte Edelbrecht Etosch noch rasch einige Anweisungen für den bevorstehenden Abend und verschwand, so schnell ihn sein verletztes Bein laufen ließ, in seiner Kate.
Nachdem sie sowohl die Wölfe als auch die Kaninchen abgeliefert hatten, standen Olgosch und Ingramosch noch etwas beisammen. Die daheimgebliebenen Mitglieder der Familie Sauerbrodt begrüßte stürmisch Cordo und Jalosch, sichtlich erleichtert, dass ihnen nichts passiert war. Durchaus angemessen, befand Olgosch, schließlich hätte leicht einer von ihnen heute sein Leben lassen können. Da fiel ihm ein... es wäre eine gute Gelegenheit, den jungen Grambart zu prüfen. Vielleicht hatte ihm die Begegnung mit den Wölfen ja die Flausen ausgetrieben? "Nun, Ingramosch, hast Du heute etwas gelernt?" "Oh ja!", antwortete dieser mit leuchtenden Augen. Das gefiel Olgosch schon nicht. Was dieser junge Zwerg doch für Vorstellungen vom Leben haben musste - so als ob es ein lustiges Abenteuer wäre! Doch da sprach Ingramosch ruhig weiter und ganz anders, als es der Sohn des Ogrim erwartet hätte: "Wenn es zum Kampf kommt, kann man sich glücklich schätzen, einen Ambosszwerg dabei zu haben! Denn dieser ist ein guter Anführer, dessen Anweisungen man folgen sollte." Olgosch wartete noch einen Moment ab, ob Ingramosch nicht direkt darauf eine spitze Bemerkung machen oder einfach lachen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Er hatte es tatsächlich so gemeint, wie er es gesagt hatte! Und während der junge Angroscho sich als bereit zu lernen erwiesen hatte, war er, Olgosch, doch etwas vorschnell mit seinem Urteil gewesen. Bei Angrosch, wie ungerecht er doch gewesen war! Er sollte Angrosch bitten, ihn zukünftig vor Hochmut zu bewahren...
Ingramosch bemerkte, wie Olgosch geistesabwesend in die Gegend starrte. "Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt." "Nein, Junge. Lass uns am Schrein beten gehen. Es war eine gute Jagd. Dafür soll man dankbar sein." Als Cordo sah, wie die beiden Zwerge zum Schrein gingen, klopfte er Jalosch auf die Schulter und sagte: "Sohn, der Zwerg hat recht gesprochen. Auch wir zwei sollten Ingerimm danken." So standen sie schließlich zu viert am Schrein. Die beiden Zwerge legten jeder eine Münze hinein und auch Cordo, wobei für ihn selbst das bereits eine stattliche Summe war. Nun richtete jeder gemäß der jeweiligen Tradition seine Gedanken an den Herrn der Schmiede und den Vater aller Zwerge. Es war eine ruhige Szene nach all der Aufregung, und Olgosch schloss für einige Zeit die Augen. Als alle ihr Gebet beendet hatten, wandte sich Olgosch an Cordo. "Und jetzt lasst uns gemeinsam die Kaninchen fertigmachen." Der Weber brummte zustimmend.
Dwarrin, der sich in Robans Jagdgesellschaft befunden hatte, nutzte die Gelegenheit, um seinen Freunden im ”Findling” von den neuesten Ereignissen zu berichten. Doch groß war sein Staunen, als er die Tür des Wirtshauses öffnete und den dahinter liegenden Schankraum mit Fässern angefüllt vorfand. Zwischen diesen flitzten die Drillinge Ram-, Rum- und Romlosch hin und her und verschlossen sie mit hölzernen Deckeln, nachdem sie noch einen letzten prüfenden Blick hineingeworfen hatten. ”Was geht denn hier vor?” fragte Dwarrin überrascht. ”Nichts, nichts”, entgegnete Ramlosch und kicherte diabolisch dabei ”wir füllen nur unsere Biervorräte wieder auf.” – ”Ihr tut bitte was?” – ”Du hast schon richtig gehört.” – ”Ich dachte, der Grobhänder hätte alles ausgetrunken?” – ”Hat er auch; nun sagen wir mal, wir haben das Problem gelöst und doch noch neue Bestände aufdecken können.” Dwarrin runzelte die Stirn, das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Er ging auf eines der wenigen noch offenen Fässer zu, um sich von dem Gehörten selbst zu vergewissern. Tatsächlich! Aus dem bauchigen Inneren kam ihm der würzige Geruch des ”Neufarnhainer Zwergenbräus” entgegen und sein eigenes Spiegelbild zeichnete sich auf der nassen Fläche ab. ”Das ist ja unglaublich”, stieß er hervor und drehte sich abrupt um. Sein Blick fiel dabei auf Rumlosch, der sich gerade hinter seinem Rücken hatte vorbeischleichen wollen. Erschrocken blieb der Angroscho stehen und warf seine Arme hinter sich, als ob er etwas vor Dwarrin verbergen wollte. ”Rumlosch, was hältst du vor mir versteckt?” Dwarrins Gesichtszüge wurden praiosinquisitorisch ernst. ”N…n…nichts, wieso, Dwarrin?” entgegnete Rumlosch leicht gequält. ”Versuch nicht, mich zu hintergehen, Freundchen! Seid ihr etwa an meinen Privatbeständen gewesen?” ”Bei Angroschs Bart, natürlich nicht Dwarrin, was denkst du nur von uns?” kam Romlosch seinem Bruder zur Hilfe. ”Nun gut, dann muss es eine andere Erklärung für euer seltsames Verhalten geben, könnte es vielleicht sein, dass…” mitten im Satz hielt Dwarrin inne, nur um sich rasch auf Rumlosch zu werfen, ihn niederzuringen und ihm den verborgenen Gegenstand aus den Händen zu winden. Wie gelähmt betrachteten die anderen Drillinge das Schauspiel, das sich ihnen bot, und Ramlosch wurde sichtbar rot, als Dwarrin einen langen Schlauch in den Händen hielt. Allmählich dämmerte es Dwarrin. Entsetzt schaute er die Drillinge an. ”Soll das etwa bedeuten, dass ihr? Ihr habt doch nicht etwa?” Wie drei reuige Sünder schauten Rum-, Ram- und Romlosch zu Boden und nickten betreten. Wut keimte in Dwarrin auf: ”Wisst ihr, was man unter dem Berge, in unseren heimischen Stollen mit solchen Leuten wie euch machen würde? Grubenwürmer Putzen wäre eine noch viel zu geringe Strafe für Übeltäter wie euch, ihr, ihr…” ”Schon gut, Dwarrin”, wagte Rumlosch einen ersten zaghaften Einwand ”aber was hätten wir denn machen sollen. Die Gäste freuen sich doch immerhin auf einen guten Tropfen unseres Gerstensafts und wir haben dank dem Grobhänder ja nun einmal kaum noch etwas anzubieten. Was ist da nahe liegender als…” – ”Wage nicht, es auszusprechen”, fauchte Dwarrin ”oder ich vergesse mich!” ”Könntest du nicht vergessen, was du hier gesehen hast?” wand Ramlosch ein. ”Das Beste wäre ich würde euch sofort Etosch Gabelbart melden, der würde schon wissen, was man mit euch macht. Aber um des lieben Friedens Willen gehe ich jetzt da zur Tür raus und wenn ich in einem halben Stundenglas zurückkehre, dann will ich, dass mir keines dieser unsäglichen Fässer wieder begegnet. Verstehen wir uns?” Wieder nickten die Drillinge und Dwarrin machte, dass er so schnell wie möglich aus der Panscherwerkstatt verschwand.
”Galottanerin!” Danja schnaubte vor Wut, nachdem sich die Jagdgruppen zerstreut hatten. ”Was bildet sich dieser von Borking eigentlich ein, mich auf eine Stufe mit Paktierern und Ketzern zu stellen! Da bietet man großmütig seine Hilfe an...” ”Halt die Pike flach!” Roban hatte seinen mageren Karnickel einem der Neufarnhainer in die Hand gedrückt, damit er wenigstens eine Suppe für das Festessen beisteuern konnte. ”Du hast deine Hilfe nicht nur großmütig angeboten, sondern Edelbrecht regelrecht bekniet, ihn heilen zu dürfen! Du weißt ja, wir Koscher...” ”Weiß ich!” schnappte die Magierin zornig. ”Haltet nichts von Zauberei, seht in jedem arkan begabten gleich einen potentiellen Schwarzmagier und seid ohnehin von Präjudizien geprägt, was jeden...Außerkoscher”, sie spuckte das Wort regelrecht aus, ”angeht, also so ziemlich jeden, der nicht aus eurer scheinbar heiligen Heimat kommt!” ”Vorsicht mit deinen Worten!” Der Ritter sprach leise und langsam, Grund genug für Danja, sich mit ihrem Urteil über das Koscherland tatsächlich zu mässigen. ”Du warst etwa so penetrant mit deinem Angebot wie eine Moorbrücker Stechmücke. Das erste ‚Nein‘ Edelbrechts hätte genügen sollen. So hatte man den Eindruck, als ob du ihm in den...” Roban ersetzte die letzten Worte durch ein Räuspern und grinste breit. Danja schnaufte noch einige Male unwillig, ehe sie ihr eigenes Verhalten noch mal überprüfte. Zugegeben, in der Absicht, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen und damit die Erlaubnis zur Examinatio des Steinkreises zu bekommen, war sie womöglich über das Ziel hinaus geschossen. Dennoch, eine Titulierung, wie sie der Herr von Borking benutzt hatte, war durch nichts zu rechtfertigen. ”Ihr Koscher könntet ruhig etwas mehr wie dieser freundliche Herr aus dem Süden sein – wie hieß er gleich?” ”Rainfried von Grimsau”, sagte Roban seltsam tonlos. ”Und der ist auch ein Koscher, auch wenn sein Haus Verwandtschaft in Almada hat. Koscher bleibt Koscher.” ”Wie dem auch sei, der Herr von Grimsau ist ein rechter Kavalier, galant, höflich und unvoreingenommen gegenüber meinem Stand!” Danjas Worte klangen provokant, beinahe vorwurfsvoll. ”Voreingenommen ist von deinen...”, erneut ersetzte Roban Worte durch ein Räuspern. ”Außerdem ist er ein glühender Verehrer Rahjas, und als solcher garantiert hinter jedem Rock her. Oder jeder Robe!” ”So! Ist er das?” Danja lächelte den Ritter an, als könne sie kein Wässerchen trüben. ”Wohl ein Grund mehr, mich auf den versprochenen Tanz zu freuen!”
Edelbrecht trat ins Halbdunkel seiner Kate und schloss die Tür. Er überlegte, ob er einen Fensterladen öffnen und den Nebel einlassen oder lieber eine Kerze entzünden sollte, da hörte er ein Scharren vom Tisch her. Eine dunkle Gestalt in einem Umhang hatte ihren Stuhl zurückgeschoben und erhob sich langsam. Edelbrecht griff nach seiner Waffe. Wer zum Henker hatte sich da unbemerkt in sein Heim geschlichen? ”... zum Gruss, 'r Wohlgebor'n!", murmelte die Gestalt, bevor sie ein Hustenanfall schüttelte. Edelbrecht atmete auf. Zwar konnte er die Züge des Mannes noch immer nicht erkennen, aber diese nuschelnde Stimme hatte sich ihm bestens eingeprägt. "Bolzer Spatenschwingh! Was treibst du denn hier?" "Nu ja, der Vogt schickt mich, der Herr Gerling. Soll seine Grüsse ausricht'n und Geschenke bringen, weil er ja nu nich selbst kommen kann. Eure Wachen ham mich eingelassen und ich dacht, ich wart am besten mal hier." Der Moorbrücker Torfstecher, der die Neusiedler-Edlen vor einem Jahr durch das Moor zu ihren Siedlungsplätzen geführt hatte, griff unter den Tisch und fischte einen großen Lodenrucksack hervor. "Wenn's recht is, übergeb ich Wohlgeboren gleich die Sachen und mach mich auf den Heimweg ..." Er machte ein paar Schritte auf Edelbrecht zu und wollte ihm den Sack aushändigen. "Aber nicht doch!” wehrte Edelbrecht ab. ”Wir feiern heute unseren Jahrestag, und wer wäre da willkommener als du? Du wirst mit uns tafeln und kannst uns dann in fröhlicher Runde ausrichten, was der alte ... was Morwald Gerling uns ausrichten lässt." "Vor all den Leuten?", maulte Bolzer etwas wehleidig, doch aus dieser Nähe konnte Edelbrecht nun deutlich in seinem Gesicht lesen, dass er sich auf einen ordentlichen Braten und einen guten Schluck freute.