Dreister Einbruch in Steenback - Es beginnt mit einem Paukenschlag: Unterschied zwischen den Versionen

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Teil 1 der [[Briefspielgeschichte]]: [[Dreister Einbruch in Steenback]]
 
Teil 1 der [[Briefspielgeschichte]]: [[Dreister Einbruch in Steenback]]
  
Schwester Gidiane kniete neben ihrem Großonkel Stordan, dem Herrn von Steenback und betupfte dessen Stirn mit einem feuchten Tuch. Einige Diener und Mägde umstanden die Hesindegeweihte und den bewusstlosen Ritter von Steenback. Durch das schmutzige Fenster des Schlafzimmers fiel warmes Sommerlicht und zauberte Schweißtropfen auf die Stirnen der Anwesenden.
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''[[Steenback]], Rondra 1033 BF''
"Ist der alte... ich meine, ist der Herr Ritter... tot?" fragte Nottel vorsichtig und leise in die betretene Stille hinein.
 
"Tja, also, nun, ich meine...", begann Gidiane langsam zu stottern. Eine schwere Hand legte sich beruhigend auf die zarte Schulter der Geweihten und eine tiefe, angenehme Männerstimme sprach:
 
"Nein, Nottel, der alte Herr ist nicht tot. Er ist nur bewusstlos. Schwester Gidiane kümmert sich um ihn. Lasst die beiden jetzt allein. Wir anderen haben genug zu tun. Daher raus jetzt- alle!"
 
Obwohl der Dorfschulze Korsten mit leiser Stimme gesprochen hatte, war seine Botschaft bei den Bediensteten angekommen. Leise und im Gänsemarsch verließen sie die muffige Schlafkammer des Ritters und versammelten sich draußen auf dem Flur, vor der staubigen Ahnengalerie der Herren von Steenback.
 
"Was nun, Korsten? Habt ihr eine Idee, bei Phex?" Wie immer war es der freche Jorm, der den älteren und ihm im Rang überlegenen Schulzen Korsten ansprach.
 
"Mhmm, tja..." begann Korsten seine Antwort. "Zunächst einmal fassen wir zusammen, was passiert ist. Nottel, berichte!"
 
"Also, als ich heute morgen aufwachte, um mein Geschäft zu verrichten, hörte ich im Hof ein Geräusch. Es klang wie das Schnauben eines Pferdes. Als ich in die Empfangshalle schlich, um den frühen Gast zu sehen, hörte ich Geräusche aus dem Keller. An der Empore angekommen, hatte ich einen guten Blick in die Empfangshalle. Dort lag lang ausgestreckt der Herr Stordan auf dem Boden. Sein Kopf...", Nottel schluckte, "lag in einer riesigen Blutlache!"
 
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die versammelte Dienerschaft. Korstens Blick aus seinem verbliebenen Auge ließ die Knechte jedoch schnell verstummen.
 
"Dann ging alles ganz schnell. Ich sah, wie die Diebe die Waffensammlung aus dem Keller in den Hof trugen und dort auf einen Karren luden! Es waren sicherlich sechs oder sieben finstere Gesellen. Ihre Anführerin war bestimmt neuneinhalb Spann groß und garstig sah sie aus mit der breiten Narbe über ihrer Wange! Ich wollte nach Hilfe rufen, doch da hatten sie mich auch schon entdeckt. Ich lief weg und versteckte mich. Mehr weiß ich nicht."
 
Korsten atmete tief durch. "Ja, Nottel. Das war nicht eben rondrianisch, aber vermutlich das beste, was du deinem Leben antun konntest. Hat sonst noch jemand etwas gesehen?"
 
Eine alte Dienstmagd meldete sich zaghaft. "Nun, ich glaube, ich habe etwas gehört. Der Herr Stordan wünscht ja nicht, dass das Gesinde im Gutshaus schläft, daher wäre mir der Raub gar nicht aufgefallen. Heute morgen war ich aber früh am Teich, die Gänse hüten. Da habe ich gehört, wie ein schwerer Wagen auf der Straße nach Gormel entlang gerollt ist. Das können eigentlich nur die Gauner gewesen sein. Korsten, ihr müsst das Diebsgesindel schnappen!"
 
Auch die anderen Knechte und Mägde begannen wieder, unruhig zu raunen und zu flüstern. Korsten hob nur die Hände. "Ich kann hier gar nichts! Wenn es wirklich, wie Nottel sagt, acht schwer bewaffnete Halunken waren, dann brauchen wir bewaffnete Hilfe. Ich werde Boten aussenden zu den Nachbargütern, dem Herrn Grafen und den befreundeten Adelshäusern. Wenn die Waffensammlung aus Gut Steenback in die falschen Hände gerät, dann wird bald eine Horde bestens ausgerüsteter Mordbrenner, Halunken und Orks über unsere schönen Lande herfallen! Das dürfen wir keineswegs zulassen! Nottel, Jorm! Macht euch bereit zur Abreise, ich schreibe derweil die Depeschen!"
 
  
Halmar vom Kargen Land ahnte derweil nichts Böses, als er an der Straße am östlichen Ufer des Angbarer Sees nach Süden ging. Bei seinem Tempo würde es sicher noch eine Weile dauern, bis er das Gut seiner Familie erreicht hätte – aber warum hetzen? Unnötige Eile versperrte oft den Blick auf Kleinigkeiten. Er genoss es, sich diese Freiheit nehmen zu können. Als er nach Steenback einbog, kam ihm einer Reiter entgegen, der es offenbar eilig hatte und sein Pferd eben antreiben wollte, jedoch zielstrebig auf ihn zusteuerte und anhielt, nachdem er Halmar erblickt hatte. „Den Zwölfen zum Gruße!“, rief der Bursche aufgeregt. „Ihr seid doch ein Magier, richtig?“ „Das habt Ihr richtig erkannt.“ „Guter Mann, dann kommt schnell zum Gut Steenback! Der edle Herr ist von Räubern überfallen worden! Jedwede Hilfe ist willkommen!“ Mit diesen Worten ritt der Mann, der noch nicht einmal seinen Namen genannt hatte, schnell Richtung Norden.
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Schwester [[Gidiane Vana Steener von Steenback|Gidiane]] kniete neben ihrem Großonkel [[Stordan Steener von Steenback|Stordan]], dem Herrn von Steenback und betupfte dessen Stirn mit einem feuchten Tuch. Einige Diener und Mägde umstanden die Hesindegeweihte und den bewusstlosen Ritter von Steenback. Durch das schmutzige Fenster des Schlafzimmers fiel warmes Sommerlicht und zauberte Schweißtropfen auf die Stirnen der Anwesenden.<br>
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"Ist der alte... ich meine, ist der Herr Ritter... tot?" fragte [[Nottel aus Steenback|Nottel]] vorsichtig und leise in die betretene Stille hinein.<br>
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"Tja, also, nun, ich meine...", begann Gidiane langsam zu stottern. Eine schwere Hand legte sich beruhigend auf die zarte Schulter der Geweihten und eine tiefe, angenehme Männerstimme sprach:<br>
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"Nein, Nottel, der alte Herr ist nicht tot. Er ist nur bewusstlos. Schwester Gidiane kümmert sich um ihn. Lasst die beiden jetzt allein. Wir anderen haben genug zu tun. Daher raus jetzt- alle!"<br>
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Obwohl der Dorfschulze [[Korsten aus Natterbusch|Korsten]] mit leiser Stimme gesprochen hatte, war seine Botschaft bei den Bediensteten angekommen. Leise und im Gänsemarsch verließen sie die muffige Schlafkammer des Ritters und versammelten sich draußen auf dem Flur, vor der staubigen Ahnengalerie der Herren von Steenback.<br>
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"Was nun, Korsten? Habt ihr eine Idee, bei [[Phex]]?" Wie immer war es der freche [[Jorm aus Steenback|Jorm]], der den älteren und ihm im Rang überlegenen Schulzen Korsten ansprach.<br>
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"Mhmm, tja..." begann Korsten seine Antwort. "Zunächst einmal fassen wir zusammen, was passiert ist. Nottel, berichte!"<br>
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"Also, als ich heute morgen aufwachte, um mein Geschäft zu verrichten, hörte ich im Hof ein Geräusch. Es klang wie das Schnauben eines Pferdes. Als ich in die Empfangshalle schlich, um den frühen Gast zu sehen, hörte ich Geräusche aus dem Keller. An der Empore angekommen, hatte ich einen guten Blick in die Empfangshalle. Dort lag lang ausgestreckt der Herr Stordan auf dem Boden. Sein Kopf...", Nottel schluckte, "lag in einer riesigen Blutlache!"<br>
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Ein aufgeregtes Raunen ging durch die versammelte Dienerschaft. Korstens Blick aus seinem verbliebenen Auge ließ die Knechte jedoch schnell verstummen.<br>
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"Dann ging alles ganz schnell. Ich sah, wie die Diebe die Waffensammlung aus dem Keller in den Hof trugen und dort auf einen Karren luden! Es waren sicherlich sechs oder sieben finstere Gesellen. Ihre Anführerin war bestimmt neuneinhalb Spann groß und garstig sah sie aus mit der breiten Narbe über ihrer Wange! Ich wollte nach Hilfe rufen, doch da hatten sie mich auch schon entdeckt. Ich lief weg und versteckte mich. Mehr weiß ich nicht."<br>
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Korsten atmete tief durch. "Ja, Nottel. Das war nicht eben rondrianisch, aber vermutlich das beste, was du deinem Leben antun konntest. Hat sonst noch jemand etwas gesehen?"<br>
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Eine alte Dienstmagd meldete sich zaghaft. "Nun, ich glaube, ich habe etwas gehört. Der Herr Stordan wünscht ja nicht, dass das Gesinde im Gutshaus schläft, daher wäre mir der Raub gar nicht aufgefallen. Heute morgen war ich aber früh am Teich, die Gänse hüten. Da habe ich gehört, wie ein schwerer Wagen auf der Straße nach [[Gormel]] entlang gerollt ist. Das können eigentlich nur die Gauner gewesen sein. Korsten, ihr müsst das Diebsgesindel schnappen!"<br>
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Auch die anderen Knechte und Mägde begannen wieder, unruhig zu raunen und zu flüstern. Korsten hob nur die Hände. "Ich kann hier gar nichts! Wenn es wirklich, wie Nottel sagt, acht schwer bewaffnete Halunken waren, dann brauchen wir bewaffnete Hilfe. Ich werde Boten aussenden zu den Nachbargütern, dem [[Wilbur vom See|Herrn Grafen]] und den befreundeten Adelshäusern. Wenn die Waffensammlung aus Gut Steenback in die falschen Hände gerät, dann wird bald eine Horde bestens ausgerüsteter Mordbrenner, Halunken und Orks über unsere schönen Lande herfallen! Das dürfen wir keineswegs zulassen! Nottel, Jorm! Macht euch bereit zur Abreise, ich schreibe derweil die Depeschen!"<br><br>
  
Halmar überlegte kurz, während er durch den Ort ging. Viele Koscher mochten keine Magie. Nur in höchster Not wandten sie sich an Vertreter der magischen Zunft – wenn alle anderen Mittel bereits versagt hatten. Die Wertschätzung, die erfolgreiche Magier nach Lösung solcher „aussichtslosen“ Situationen genossen (wobei ein, zwei Zaubersprüche meistens reichten und die Sache war gegessen), war jedoch nie von langer Dauer. Gegen Räuber zu kämpfen, das war sicher nicht Halmars Sache. Andererseits hatte der Reiter ihn einen „guten Mann“ genannt.
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[[Halmar vom Kargen Land]] ahnte derweil nichts Böses, als er an der Straße am östlichen Ufer des [[Angbarer See]]s nach Süden ging. Bei seinem Tempo würde es sicher noch eine Weile dauern, bis er das [[Valpos Horn|Gut]] [[Haus vom Kargen Land|seiner Familie]] erreicht hätte – aber warum hetzen? Unnötige Eile versperrte oft den Blick auf Kleinigkeiten. Er genoss es, sich diese Freiheit nehmen zu können. Als er nach Steenback einbog, kam ihm einer Reiter entgegen, der es offenbar eilig hatte und sein Pferd eben antreiben wollte, jedoch zielstrebig auf ihn zusteuerte und anhielt, nachdem er Halmar erblickt hatte. „Den Zwölfen zum Gruße!“, rief der Bursche aufgeregt. „Ihr seid doch ein Magier, richtig?“ „Das habt Ihr richtig erkannt.“ „Guter Mann, dann kommt schnell zum Gut Steenback! Der edle Herr ist von Räubern überfallen worden! Jedwede Hilfe ist willkommen!“ Mit diesen Worten ritt der Mann, der noch nicht einmal seinen Namen genannt hatte, schnell Richtung Norden.<br><br>
  
Warum nicht einen kleinen Umweg in Kauf nehmen? Vielleicht könnte er sich ja tatsächlich nützlich machen. Halmar beschleunigte seine Schritte.  
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Halmar überlegte kurz, während er durch den Ort ging. Viele Koscher mochten keine Magie. Nur in höchster Not wandten sie sich an Vertreter der magischen Zunft – wenn alle anderen Mittel bereits versagt hatten. Die Wertschätzung, die erfolgreiche Magier nach Lösung solcher „aussichtslosen“ Situationen genossen (wobei ein, zwei Zaubersprüche meistens reichten und die Sache war gegessen), war jedoch nie von langer Dauer. Gegen Räuber zu kämpfen, das war sicher nicht Halmars Sache. Andererseits hatte der Reiter ihn einen „guten Mann“ genannt.<br><br>
  
Als er Gut Steenback erreichte, fand er Gidiane vor, die am Bett ihres Großonkels wachte. Wenn es stimmte, was ihm die Bediensteten erzählt hatten, musste Stordan eine bemerkenswerte Kondition haben. Nicht viele in seinem Alter überlebten eine Verwundung, die mit Bewusstlosigkeit und im eigenen Blut liegend endete...
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Warum nicht einen kleinen Umweg in Kauf nehmen? Vielleicht könnte er sich ja tatsächlich nützlich machen. Halmar beschleunigte seine Schritte.<br><br>
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Als er Gut Steenback erreichte, fand er Gidiane vor, die am Bett ihres Großonkels wachte. Wenn es stimmte, was ihm die Bediensteten erzählt hatten, musste Stordan eine bemerkenswerte Kondition haben. Nicht viele in seinem Alter überlebten eine Verwundung, die mit Bewusstlosigkeit und im eigenen Blut liegend endete...<br><br>
  
 
Ohne lange abzuwarten, gebot Halmar der Geweihten, zu schweigen, damit nicht seine Konzentration gestört würde. Dann beugte er sich über den Herrn den Hauses. Aus magietheoretischer Sicht war es reine Verschwendung, was er an dem Mann praktizierte. Allerdings würde sich wohl jeder glücklich schätzen, wenn ein anderer seine Zauber- in eigene Lebenskraft umwandelte. Als Halmar schließlich innehielt, schwitzte er von der Anstrengung und fühlte sich seltsam leer. Stordans Gesicht zeigte deutlich entspanntere Züge, auch wirkte es nicht mehr aschfahl, sondern hatte wieder eine gesunde Farbe angenommen. Halmar war zufrieden mit seinem Werk. Er tupfte sich mit einem Tuch das Gesicht ab und sagte abschließend zu Gidiane: „Er kommt wieder in Ordnung. Lasst ihn einige Tage ruhen und er wird wieder ganz der Alte sein!“ Die Hesinde-Geweihte wusste wohl nicht so recht, was sie sagen sollte. Jedenfalls stotterte sie ziemlich vor sich herum, als sie sich bedankte. Halmar verabschiedete sich und machte sich wieder auf den Heimweg.
 
Ohne lange abzuwarten, gebot Halmar der Geweihten, zu schweigen, damit nicht seine Konzentration gestört würde. Dann beugte er sich über den Herrn den Hauses. Aus magietheoretischer Sicht war es reine Verschwendung, was er an dem Mann praktizierte. Allerdings würde sich wohl jeder glücklich schätzen, wenn ein anderer seine Zauber- in eigene Lebenskraft umwandelte. Als Halmar schließlich innehielt, schwitzte er von der Anstrengung und fühlte sich seltsam leer. Stordans Gesicht zeigte deutlich entspanntere Züge, auch wirkte es nicht mehr aschfahl, sondern hatte wieder eine gesunde Farbe angenommen. Halmar war zufrieden mit seinem Werk. Er tupfte sich mit einem Tuch das Gesicht ab und sagte abschließend zu Gidiane: „Er kommt wieder in Ordnung. Lasst ihn einige Tage ruhen und er wird wieder ganz der Alte sein!“ Die Hesinde-Geweihte wusste wohl nicht so recht, was sie sagen sollte. Jedenfalls stotterte sie ziemlich vor sich herum, als sie sich bedankte. Halmar verabschiedete sich und machte sich wieder auf den Heimweg.
 
  
 
[[Kategorie:Abenteuer]]
 
[[Kategorie:Abenteuer]]

Version vom 11. Juli 2010, 11:02 Uhr

Teil 1 der Briefspielgeschichte: Dreister Einbruch in Steenback

Steenback, Rondra 1033 BF

Schwester Gidiane kniete neben ihrem Großonkel Stordan, dem Herrn von Steenback und betupfte dessen Stirn mit einem feuchten Tuch. Einige Diener und Mägde umstanden die Hesindegeweihte und den bewusstlosen Ritter von Steenback. Durch das schmutzige Fenster des Schlafzimmers fiel warmes Sommerlicht und zauberte Schweißtropfen auf die Stirnen der Anwesenden.
"Ist der alte... ich meine, ist der Herr Ritter... tot?" fragte Nottel vorsichtig und leise in die betretene Stille hinein.
"Tja, also, nun, ich meine...", begann Gidiane langsam zu stottern. Eine schwere Hand legte sich beruhigend auf die zarte Schulter der Geweihten und eine tiefe, angenehme Männerstimme sprach:
"Nein, Nottel, der alte Herr ist nicht tot. Er ist nur bewusstlos. Schwester Gidiane kümmert sich um ihn. Lasst die beiden jetzt allein. Wir anderen haben genug zu tun. Daher raus jetzt- alle!"
Obwohl der Dorfschulze Korsten mit leiser Stimme gesprochen hatte, war seine Botschaft bei den Bediensteten angekommen. Leise und im Gänsemarsch verließen sie die muffige Schlafkammer des Ritters und versammelten sich draußen auf dem Flur, vor der staubigen Ahnengalerie der Herren von Steenback.
"Was nun, Korsten? Habt ihr eine Idee, bei Phex?" Wie immer war es der freche Jorm, der den älteren und ihm im Rang überlegenen Schulzen Korsten ansprach.
"Mhmm, tja..." begann Korsten seine Antwort. "Zunächst einmal fassen wir zusammen, was passiert ist. Nottel, berichte!"
"Also, als ich heute morgen aufwachte, um mein Geschäft zu verrichten, hörte ich im Hof ein Geräusch. Es klang wie das Schnauben eines Pferdes. Als ich in die Empfangshalle schlich, um den frühen Gast zu sehen, hörte ich Geräusche aus dem Keller. An der Empore angekommen, hatte ich einen guten Blick in die Empfangshalle. Dort lag lang ausgestreckt der Herr Stordan auf dem Boden. Sein Kopf...", Nottel schluckte, "lag in einer riesigen Blutlache!"
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die versammelte Dienerschaft. Korstens Blick aus seinem verbliebenen Auge ließ die Knechte jedoch schnell verstummen.
"Dann ging alles ganz schnell. Ich sah, wie die Diebe die Waffensammlung aus dem Keller in den Hof trugen und dort auf einen Karren luden! Es waren sicherlich sechs oder sieben finstere Gesellen. Ihre Anführerin war bestimmt neuneinhalb Spann groß und garstig sah sie aus mit der breiten Narbe über ihrer Wange! Ich wollte nach Hilfe rufen, doch da hatten sie mich auch schon entdeckt. Ich lief weg und versteckte mich. Mehr weiß ich nicht."
Korsten atmete tief durch. "Ja, Nottel. Das war nicht eben rondrianisch, aber vermutlich das beste, was du deinem Leben antun konntest. Hat sonst noch jemand etwas gesehen?"
Eine alte Dienstmagd meldete sich zaghaft. "Nun, ich glaube, ich habe etwas gehört. Der Herr Stordan wünscht ja nicht, dass das Gesinde im Gutshaus schläft, daher wäre mir der Raub gar nicht aufgefallen. Heute morgen war ich aber früh am Teich, die Gänse hüten. Da habe ich gehört, wie ein schwerer Wagen auf der Straße nach Gormel entlang gerollt ist. Das können eigentlich nur die Gauner gewesen sein. Korsten, ihr müsst das Diebsgesindel schnappen!"
Auch die anderen Knechte und Mägde begannen wieder, unruhig zu raunen und zu flüstern. Korsten hob nur die Hände. "Ich kann hier gar nichts! Wenn es wirklich, wie Nottel sagt, acht schwer bewaffnete Halunken waren, dann brauchen wir bewaffnete Hilfe. Ich werde Boten aussenden zu den Nachbargütern, dem Herrn Grafen und den befreundeten Adelshäusern. Wenn die Waffensammlung aus Gut Steenback in die falschen Hände gerät, dann wird bald eine Horde bestens ausgerüsteter Mordbrenner, Halunken und Orks über unsere schönen Lande herfallen! Das dürfen wir keineswegs zulassen! Nottel, Jorm! Macht euch bereit zur Abreise, ich schreibe derweil die Depeschen!"

Halmar vom Kargen Land ahnte derweil nichts Böses, als er an der Straße am östlichen Ufer des Angbarer Sees nach Süden ging. Bei seinem Tempo würde es sicher noch eine Weile dauern, bis er das Gut seiner Familie erreicht hätte – aber warum hetzen? Unnötige Eile versperrte oft den Blick auf Kleinigkeiten. Er genoss es, sich diese Freiheit nehmen zu können. Als er nach Steenback einbog, kam ihm einer Reiter entgegen, der es offenbar eilig hatte und sein Pferd eben antreiben wollte, jedoch zielstrebig auf ihn zusteuerte und anhielt, nachdem er Halmar erblickt hatte. „Den Zwölfen zum Gruße!“, rief der Bursche aufgeregt. „Ihr seid doch ein Magier, richtig?“ „Das habt Ihr richtig erkannt.“ „Guter Mann, dann kommt schnell zum Gut Steenback! Der edle Herr ist von Räubern überfallen worden! Jedwede Hilfe ist willkommen!“ Mit diesen Worten ritt der Mann, der noch nicht einmal seinen Namen genannt hatte, schnell Richtung Norden.

Halmar überlegte kurz, während er durch den Ort ging. Viele Koscher mochten keine Magie. Nur in höchster Not wandten sie sich an Vertreter der magischen Zunft – wenn alle anderen Mittel bereits versagt hatten. Die Wertschätzung, die erfolgreiche Magier nach Lösung solcher „aussichtslosen“ Situationen genossen (wobei ein, zwei Zaubersprüche meistens reichten und die Sache war gegessen), war jedoch nie von langer Dauer. Gegen Räuber zu kämpfen, das war sicher nicht Halmars Sache. Andererseits hatte der Reiter ihn einen „guten Mann“ genannt.

Warum nicht einen kleinen Umweg in Kauf nehmen? Vielleicht könnte er sich ja tatsächlich nützlich machen. Halmar beschleunigte seine Schritte.

Als er Gut Steenback erreichte, fand er Gidiane vor, die am Bett ihres Großonkels wachte. Wenn es stimmte, was ihm die Bediensteten erzählt hatten, musste Stordan eine bemerkenswerte Kondition haben. Nicht viele in seinem Alter überlebten eine Verwundung, die mit Bewusstlosigkeit und im eigenen Blut liegend endete...

Ohne lange abzuwarten, gebot Halmar der Geweihten, zu schweigen, damit nicht seine Konzentration gestört würde. Dann beugte er sich über den Herrn den Hauses. Aus magietheoretischer Sicht war es reine Verschwendung, was er an dem Mann praktizierte. Allerdings würde sich wohl jeder glücklich schätzen, wenn ein anderer seine Zauber- in eigene Lebenskraft umwandelte. Als Halmar schließlich innehielt, schwitzte er von der Anstrengung und fühlte sich seltsam leer. Stordans Gesicht zeigte deutlich entspanntere Züge, auch wirkte es nicht mehr aschfahl, sondern hatte wieder eine gesunde Farbe angenommen. Halmar war zufrieden mit seinem Werk. Er tupfte sich mit einem Tuch das Gesicht ab und sagte abschließend zu Gidiane: „Er kommt wieder in Ordnung. Lasst ihn einige Tage ruhen und er wird wieder ganz der Alte sein!“ Die Hesinde-Geweihte wusste wohl nicht so recht, was sie sagen sollte. Jedenfalls stotterte sie ziemlich vor sich herum, als sie sich bedankte. Halmar verabschiedete sich und machte sich wieder auf den Heimweg.