Der Ruf des Friedwanger Raben 1032 BF: Teil 11

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Texte der Hauptreihe:
K1. Prolog
K2. Teil 1
K3. Teil 2
K4. Teil 3
K5. Teil 4
K6. Teil 5
K7. Teil 6
K8. Teil 7
K9. Teil 8
K10. Teil 9
K11. Teil 10
K12. Teil 11
K13. Teil 12
K14. Teil 13
K15. Teil 14
K16. Teil 15
K17. Teil 16
K18. Teil 17
K19. Teil 18
K20. Teil 19
K21. Teil 20
K22. Teil 21
K23. Teil 22
K24. Teil 23
K25. Teil 24
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Briefspielgeschichte der Golgariten

Markt Friedwang, Wildermark, Anfang Praios 1032 BF

Boronio hatte sich vom Fenster weg in den Schatten geworfen, drückte sich keuchend an die Mauer – was nicht nur an den Golgariten oder am Narrentanz seiner Kumpane lag. Diese Bannstrahlerin…die blonden Locken…Er war sich keinesfalls sicher, aber…so ähnlich hatte auch ihre Auftraggeberin ausgesehen, unter ihrer Kapuze. Zu ähnlich für seinen Geschmack… Er wagte erneut einen Blick aus dem Fenster. Die Tempelwachen schwärmten über den Platz hinweg aus, einer der Söldner wies nach oben, zum Turm. Dieser Auftrag…wuchs ihm gerade eindeutig über den Kopf. Er packte den Köcher mit den Bolzen, ebenso die treue Sylvette, und eilte die enge Treppe nach unten – einem grinsenden Söldling mit Weißschärpe entgegen, dessen Rapier ihm entgegen zuckte. Heiß schnitt der Stahl durch seine ledergeschützte Seite. Der alte Al´Anfaner brüllte auf, schlug dem Angreifer die schwere Armbrust über den behelmten Kopf. Furcht überwältigte ihn, die Urangst eines jeden Meuchlers. Die wollten ihn nicht nur unschädlich machen…nein, die wollten ihn zum Schweigen bringen!? Diese Mission war unmöglich geworden. Er trat den unter einer verrutschten Sturmhaube taumelnden Mann zurück, ließ Sylvette fallen, eilte nach oben, auf die Plattform, zum Tretkran, griff nach dem eisernen Haken des Kranseils. Schob ihn sich unter den Gürtel, sprang, die Hand am Seil, mit einem riesigen Satz über die Brüstung. Wie beim Flug der Zehn, dachte er sarkastisch. Über ihm polterte die mächtige Trommel des Rads los, spulte das Tau rumpelnd ab. In Windeseile surrte er nach unten – genau in den Angriff des schwarzen Vogels hinein. Die Seilrolle blockierte. Eine Krähe, nein, die Krähe hakte ihm grausam ins Gesicht, zielte auf seine Augen. Er schlug um sich, in Panik, merkte, wie sich der Haken am Gürtel lockerte. Wild pendelte er hin und her, sicher zwanzig Schritt über dem Erdboden…Boron steh mir bei…Die Krähe riss ihm mit wütenden Gekrächze das Amulett ab, flatterte davon. Einen Moment lang wusste er mit schrecklicher Klarheit, dass er bei einem Sturz in die Tiefe mehr verlieren würde als nur sein Leben. Er begann laut zu schreien, zu jammern und zu zappeln, während sein Rücken immer wieder gegen das Baugerüst schlug. Er versuchte, dort hinauf zu gelangen, hatte sich aber völlig im Seil verheddert: „Hilfeeee! Hilfeeee! Sie wollen mich umbringen!“

Was hier eben geschehen war? Dschelef wusste es nicht. Weder verstand er das Schaukelpferd, noch diese kleine Gestalt, noch dass einer seiner Golgariten wieder vollständig genesen ward. Was er jedoch verstanden hatte, war dass Bauern ihnen einen Hinterhalt gelegt hatten und nun zu allem Überdruss, auch noch die Geißler erschienen. Würde er es nicht besser wissen, so könnte man Bruun Humor unterstellen, als er ihm antrug in diesem Marktflecken nach dem Rechten zu sehen, doch der Herr lacht nie! Nur langsam erhob er sich, straffte seinen Mantel und hörte sich das Reden der Geißlerin an, ehe er ohne ein Wort zu sagen und mit stoischer Ruhe zu seinem Pferd ging und es an den Flanken tätschelte. Es ist nun einige Jahre her dass er dieses kriecherische Gezücht, das sich selbst Bannstrahler schimpft, das letzte mal gesehen hatte. Vor Beilunk fielen viele seiner Brüder und auch die Bannstrahler hatten Verluste zu beklagen, allen vorran den tapferen Ucurian Jago, ihren Großmeister. Seit diesen Tagen ist die Luft dünn geworden zwischen beiden Orden und Vorwürfe verdrängten den göttlichen Zorn wieder den Feinden der Götter. Was ihn Betraf, so waren diese Geißler ein Haufen Narren! Dienstbar wenn es dreckige Arbeit zu verrichten galt, doch zu mehr waren sie sicherlich nicht Nutze. Er hatte diesen Djinn nicht gerufen und alles andere, vor allem das Reden der Frau war ihm einerlei. Mit wenigen Handbewegungen gab er das Zeichen zu Sammeln an seine Ritter. Erst jetzt, nach quälenden Augenblicken der Ruhe, noch kurz bevor die Bannstrahlerin lospoltern wollte, erhob Dschelef ibn Marwan die Stimme. Sie war ruhig. „Ihr klagt mich, Dschelef ibn Marwan, Schwingenführer im Orden des heiligen Golgari, der Zauberein an? Einen Ordensritter?“, behände griff Dschelef nach den Zügeln seines Pferdes und Schwang sich mit einem Satz auf den Sattel, „Ihr habt also alles gesehen, auch das wir angegriffen wurden und habt keinen Finger gerührt?“ Nach und nach, kamen auch die restlichen Golgariten an und gesellten sich zu ihrem Anführer. „Richtet Ihr erst einmal die Schuldigen hier!“, seine Finger zeigten auf die Gefangenen, die nun festgezurrt am Boden vor einem der Wagenräder saßen, „Dann tut wegen meiner was ihr nicht lassen könnt!“


Die plötzliche Stille, die auf dem Platz lag war drückend. Lediglich unterbrochen vom Rasseln der Ketten und dem Schnaufen der Rösser. Gregorius' Augen verengten sich bei den Worten der Bannstrahlerin zu Schlitzen. Wie seine Gefährten schloss er sachte zu seinem Befehliger, bis sie den gewohnten Pfeil hinter Dschelef bildeten. Ohne Widerstand würden sie ihn nicht bekommen. Dann erkannte er sie. „Wie ich sehe, hast Du Dich seit unserem Noviziat nicht verändert, Praiolyn. Noch immer befiehlst Du gerne den Menschen.“ Es dauerte einige Zeit, bis die Pariotin Gregorius ohne sein Haupthaar erkannte. Dann riss sie erstaunt die Augen auf. „Verräter“, zischte sie zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. „Bei den Boronis hast Du Dich also verkrochen.“ Unverblümte Abscheu schwang in ihren Worten mit, als sie ihn von oben nach unten musterte. „Ja, ich habe eine Gemeinschaft gefunden, die erst denkt, und dann handelt.“ Ein schiefes Lächeln auf den Lippen, straffte er sich. „Du magst mich für einen Verräter am Herrn Praios halten. Das ist mir einerlei. Doch einen Lügner wirst Du mich ja wohl nicht schimpfen, wenn ich Dir sage dass wir sicher keine Magie gewirkt haben, sondern allein deren Opfer wurden.“ Er hob auffordernd das Kinn, als hoffte er sie würde es doch tun. Unwillkürlich strich er über seinen schwarzen Zingulum, was ihn als Geweihten des Borons auswies. „Wie konnte es überhaupt zu diesem Überfall kommen? Es ist doch an Dir, hier für Ordnung zu sorgen, oder nicht?“ Praiolyn wollte antworten, doch ein hartes, klares „Nein“ kam ihr zuvor. Gregorius blickte in Richtung Löschweiher und Burggasse, wo gemächlich ein Warunker heranzockelte, ein Mann mit blutrotem Mantel und Gänsbauchharnisch im Sattel. Schwarze, bereits leicht ergraute Locken ringelten sich um ein etwas speckiges Gesicht herum, das eine schwarze Augenklappe zierte. Es folgten drei Büttel, deren Waffenrock einen güldenen SteinbockKopf auf schräglinks in rot und blau unterteiltem Grund zeigte – sie ritten struppige Ponys, Armbrüste lässig im Anschlag. Ansonsten hatten ihre Uniformen wenig gemein, einer trug einen Eisenhut und einen Gambeson, der nächste eine Schaller mit Lederkurbul und Kettenzeug, die Dritte eine lederne Haube und Garether Platte. Auf einem Schimmel folgte ein Magus mit silberweißem Haar, das in seltsamen Kontrast zum Milchgesicht darunter stand. Seine blaue Robe war mit goldenen Sternen bestickt, auf dem Stab glühte ein Bergkristall, von einem Drachen gehalten. „Es liegt allein an mir, hier für Ordnung zu sorgen“ Eine knappe Verbeugung des Anführers in Richtung der Golgariten, dann brachte der Neuankömmling seinen Falben zum Stehen. Ein Rapier mit schmucken Griffkorb baumelte an seinem Gürtel. „Baron Alrik Tsalind von Friedwang-Glimmerdieck“, stellte die Geißlerin fest. Es klang bemüht respektvoll und ansonsten wenig begeistert. „Ihr seid wie der Nebel im Unkenbauchmoor – immer, wenn man einen Weg aus dem Schlamm gefunden zu haben glaubt, taucht ihr auf und bringt wieder alles durcheinander.“ „Nun, werte Praiolyn, Ihr mögt Euch mit aufgeblasenen Kröten und einem stinkendem Pfuhl besser auskennen als ich.“ Die Bannstrahlerin wollte schon zum Schwert greifen, als Alrik betont gelassen hin zu fügte: „Erfahrene Hexenjägerin, die Ihr seid.“ Die Praiotin blies voll Zorn eine güldene Haarsträhne aus ihrer Stirn und nickte grimmig. „Das hier ist der Markptlatz meines Dorfes, nicht das Unkenbauchmoor. Und auch nicht Burg Auraleth oder die Stadt des Lichts – wohin Prätor Neibhard auf Pilgerfahrt aufgebrochen ist.“ Das „Leider“ stand dem Baron deutlich ins Gesicht geschrieben. Auch Gregorius hob die Augenbraue, blickte in Richtung der Geißlerin. Sturmfreie Bude, dachte er, eher als Frage. „Also, was ist hier los?“ Der Adelige blickte herrisch über den Platz, wo die beiden Heckenschützen herangezerrt, gebunden und von den Tempelwachen in die Knie gezwungen wurden. „Warum werden meine Gäste vom Orden des Heiligen Golgari belästigt?“ „Bitte, Alrik, verschont mich mit Eurem phexischen Theater.“ Praiolyn bleckte die Zähne wie ein wütender Greif seinen Schnabel. „Ihr habt sicherlich längst alles mit angesehen. Schien es mir doch vorhin, als würde das Hexenwerk Eurer Gemahlin auf dem Burgweg blitzen. Ein Zauberglas, mit dem man auf widernatürliche Weise ferne Dinge zu erspähen vermag – eine Gabe, wie sie alleine dem Allessehenden Auge unseres Herrn Praios zukommt.“ „Und der sieht Fernrohre jeden Tag, glaubt mir, in Perricum wie in jeder anderen Hafenstadt des Reiches. Es ist kein Hexenwerk…auch keine sonstige Magie….sondern simple, fortschrittliche Technik…Hesindegefällig, aber keine Hesinderei“ Der Baron klopfte auf seine Satteltasche, wo tatsächlich ein zusammengeschobenes Fernrohr herausragte. „Gewiss…so wie der Besen Eurer Gemahlin nur dazu dient, die Stube zu fegen…“ höhnte der junge Praiospriester dazwischen. Roh packte er die Gefangene am Schopf, starrte ihr prüfend ins Gesicht, warf den Kopf dann wieder nach unten. „Und Schlangenzunge, Euren Dämonenbeschwörer habt Ihr gleich auch noch mitgebracht.“ Er gab dem anderen Meuchler eine Backpfeife, als sei der daran schuld. Der weißhaarige Magier verneigte sich mit spöttischem Lächeln, zog es aber vor, zu schweigen. Alrik musterte den Lichtgeber mit regloser Miene. „Bruder Falkwart…wie ich sehe, werdet Ihr gerade – eingewiesen, Euer Gnaden. Sehr gut, sehr gut…in solch jungen Jahren kann man gar nicht genug lernen.“ „Ich hoffe doch, Euer Hofmagus“, sagte Praiolyn gepresst „hat nicht vor, hier ebenfalls Zauberei zu wirken. Wie Ihr wisst, ist solche bereits gemäß Dorfweistum verboten, und auf dem Alboransplatz sowieso. Da sei der Heilige, dessen Reliquien bei uns im Tempel ruhen, vor. Ich werde nun sämtliche Beteiligte an dieser Störung des Praiosfriedens zum Verhör…“ „Ihr werdet einen Orkdreck!“ knurrte der Einäugige roh. „Habe ich gerade richtig gehört?“ „Habe ich etwa genuschelt? Wagt es, einen Finger an meine Gäste zu legen“ ein Seitenblick zu den Golgariten. „Und eine sehr hässliche Russspur wird dort übrig bleiben, wo gerade noch Euer Söldnerpack auf meinem Platz Maulaffen feilhält.“ Eine Handvoll Tempelwachen klirrte heran. Alrik hob den Zeigefinger der linken Hand. „Hesindian…“ Der Magier deutete mit dem Zauberstab auf die Mietlinge, vollführte mit der Rechten eine merkwürdige Geste daneben, als wolle er einen unsichtbaren Hebel umlegen und nach hinten schieben. Die Büttel schluckten, hoben aber ebenfalls ihre Schwerter oder senkten Hellebarden. „Buh!“ machte der Zauberer. Eine junge Kirchensoldatin prallte zurück, ein Weißbart ging mit dem Bihänder in Abwehrstellung, die anderen sahen einfach nur erschrocken drein. „Hesindian“ lachte hochmütig und legte den Stab lässig über seine Schulter. „Das werdet Ihr bereuen!“ zischte Praiolyn. Ihr war allerdings nicht entgangen, dass sich die Golgariten und die Baronsgardisten zusammen gerade in der Überzahl befanden. Die Pfeilformation der schweigenden Boronskrieger ragte bedrohlich gegen die ungeordnete Schar der Tempelwachen. Im nächsten Moment wurde ein grauhaariger Mann im schwarzen Lederwams herangezerrt, von zwei weiteren Praiosbütteln, die Hände auf den Rücken gebunden. „Der hier zappelte am Schrothenturm, wie ein Hecht an der Angel“, lachte einer der Männer. „Scheint der Anführer der Bande zu sein…Elender Heckenschütze…“ Der Mann, ein Südländer, der wohl schon einige Götterläufe gesehen hatte, starrte furchtsam – nein, in Panik - auf die Bannstrahlerin. „Die da, die da hat mich angestiftet. Ihr dürft mich nicht ausliefern…Herr Baron!“ „Willst Du wohl schweigen – du Hund!“ Ein derber Hieb mit dem genieteten Hellebardenschaft ließ auch den dritten Attentäter in die Knie sinken. „Rettet mich…eine blonde Frau war's…sah aus wie die…auch wenn sie ihr Gesicht unter einer Kapuze verborgen hat. Ich sollte für sie die Rabenritter töten…im Springenden Steinbock hat sie mir Gift gegeben und gute Dukaten versprochen…wenn wir die Puniner Ketzer…“ „Willst du wohl still sein. Für deine Lügen wirst du brennen!“ raunzte ein Wächter. Der scharf geschliffene Haken der Hellebarde legte sich um Boronios Hals. „Eine Lästerung mehr, und ich werde sie dir ins Schandmaul zurückstopfen!“ „Wie ich sehe, ist ein weiteres Verhör dieser Person in der Basilika überflüssig“. Alrik lehnte sich im Sattel vor. „Das Vöglein singt ja schon im hellen Praioslicht, dass es eine Freude ist. Was sagt Ihr zu seinem munteren Gezwitscher, Praiolyn?“ Das Gesicht der Bannstrahlerin zeigte kaum Regung. „Das Gekrächze eines Habichts, der sich im Netz seiner eigenen Bosheit verfangen hat, nichts weiter…glaubt Ihr ihm mehr als einer Dienerin des Greifen?“ „Ich habe einmal gehört, für manche Bannstrahler bedeute eine Lüge zum Nutzen und Frommen Ihres Herrn Praios nichts anderes als die reine Wahrheit selbst..“ „Dann seid Ihr bereits einer Lüge aufgesessen….einer schamlosen Verleumdung durch Feinde unseres aller Herren…Oder seid Ihr etwa der Meinung, es wäre zum Nutzen und Frommen der Societas Lumini, wenn diese düsteren Ritter dort vor ihrer Zeit zum Gott des Schweigens gehen?“ „Händigt mir die drei Mordgesellen aus – und ich werde es herausfinden…“ „Gemach, gemach.“ Praiolyn blickte hinauf zur Burg. „Irre ich mich…oder gibt es noch mindestens eine andere blonde Frau mit Macht, Dukaten und Einfluss in dieser Baronie. Eine Frau, die allen Grund hätte, Streiter der Zwölfgötter fürchten…oder ihre Schergen zu Verleumdung anzustiften, für den Fall, dass sie gefasst werden…und die sich mit allerhand venenischen Kräutern und Tinkturen auskennt, düngt mir…Vielleicht ist es gar nicht in Eurem Sinn, wenn der Zeuge dort hinauf auf die Burg gebracht wird? Zu eben dieser Frau…“ „Was sagt Ihr da?“ Nun zeigte Alrik doch erste Anzeichen von Unsicherheit. „Spreche jetzt etwa ich undeutlich?“ höhnte Praiolyn zurück. „Falkwart?“ „Ja, edle Praiolyn?“ „Praios hat mich unwürdige Magd gerade erleuchtet. Übergebt die Gefangenen…unserem ehemaligen Bruder Gregorius…und unseren werten Mitstreitern in der Schlacht von Beilunk. Sie sind die Angegriffenen.“ Ein vergifteter Blick in Richtung des Kahlschädels, demonstrativ am Schwingenführer vorbei. „Gregorius…“ sagte sie, mit honigsüßer Stimme. „Du warst einmal einer der Unseren, weißt also um Praios' Recht und Gesetz. Ich überlasse das Urteil dir…Entscheide Du, was mit diesen Schurken geschehen soll.“

Langsam wurde Dschelef diesem Possenspiel überdrüssig. Es mochte kein Geheimnis sein, dass sich Geißler und Golgariten nicht riechen konnten, doch dass der Baron Heckenschützen, die noch dazu gerade sein Männer angegriffen hatten, als Gäste bezeichnete, machte ihn nicht gerade Sympathischer. Darüber hinaus fand Dschelef, dass jeder Baron der Wildermark, der noch am Leben war, entweder ein Bündler, Feigling oder Halsabschneider war. Es dünkte ihm, dass er und seine Brüder hier zwischen den Parteien standen und wenn sie nicht aufpassten, würde man sie zerreiben – es wurde Zeit, dass er sich mal eingehender mit Bruder Gregorius unterhielt. Doch vorerst zog er es vor, dem zu harren, was Gregorius nun sprach, als er aufgefordert wurde, Gericht zu halten – wie er wusste auch Gregorius, dass die Waffen bereits gezogen wurden und dies kannte nur eine Strafe.

Unschlüssig wanderte Gregorius´ Blick zwischen dem Schützen, dem Baron, der Praiotin und seinem Schwingenführer hin und her. Keinesfalls wollte er ein Leben nehmen, ohne sich sicher zu sein, dass es notwendig war. Schon begann Praiolyn unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten, als Gregorius endlich sein eisernes Schweigen brach. „Auch wenn es in ihrer Absicht lag, so wurde doch kein Leben genommen. So mag man sie dem nächsten Borontempel übergeben, auf dass der dortige Hüter über sie urteilen mag, sofern Ihr einverstanden seid.“ Sein fragender Blick galt Dschelef. Denn auch wenn die Waffen gezogen waren, so billigte Boron doch keine unverhältnismäßige Vergeltung. Der Tod war sein Geschenk an die Menschen, kein leichtfertiges Werkzeug der Genugtuung. Das Leben eines Menschen sollte schwerer wiegen. „Wohl dürstet es mich zu erfahren, was dieser Überfall zu bedeuten hat. Deine Worte vermögen über Dein weiteres Schicksal zu entscheiden, Frevler.“ „Gibt es hier Räumlichkeiten, die wir nutzen könnten, Euer Hochgeboren?“

...Gnade?..., Dschelef wusste nicht ob er innerlich aufschreien sollte, aber er wollte seinem geweihten Bruder auch nicht widersprechen – auch wenn er es könnte. Ein kurze Zeit taxierte Dschelef Gregorius mit den tulamidischen Augen eines Falken um diesem klar zu machen was er von dessen Entscheidung hielt. Beließ es jedoch bei einem Blick und harrte der Antwort des Barons.