Wolfsjagd zu Wengenholm - Jagdvorbereitungen I
Teil der Briefspielgeschichte Wolfsjagd zu Wengenholm
Ein unerwarteter Gast | Jagdvorbereitungen II |
Doch solche Sorgen waren unbegründet, denn am andern Morgen nahm Frau Travia ihrem launischen Bruder das Zepter aus der Hand und hielt in mildem goldnem Lichte Einzug in das Jahr. Der Himmel war vom nächtlichen Unwetter gereinigt, und blau und sommerklar spannte sich das Alveranszelt über Wengenholm; nur vereinzelte Wolken, weiß wie twergentrutzer Bergschnucken, spiegelten sich im Wasser der Ange.
Froher Hörnerschall kündete davon, daß man zur Jagd rüstete. Auf der Wiese vor der Burg sammelte sich der stattliche Troß: zwei Planwagen, von geduldigen braunscheckigen Ochsen gezogen, faßten Proviant und Bier und allerlei Waffen und Jagdgerät. Aus den umliegenden Dörfern hatte man zwei Dutzend Knechte und Treiber gedungen, die sich schon jetzt mit den Pferdeburschen aus den Gräflichen Stallungen zankten. Der Garkoch und die Topfmeisterin überprüften noch einmal die Vorräte, wobei ihnen der greise Wundarzt geduldig zuschaute. Derweil schäkerte einer der Hornisten mit der blonden Bogenbauerin Algunde, die das letzte Bündel Pfeile herbeitrug. Ein wandernder Barde, der in diesen Tagen um Gastung ersucht hatte, war ebenfalls von der Partie, um den Herren des abends die Zeit zu vertreiben. Das Bauernvolk stand in der Nähe und bestaunte das bunte Treiben, in welches sich nun das Kläffen der vielköpfigen Hundemeute mischte, die eben unter barschen Rufen aus den Zwingen herbeigeführt wurde.
Endlich ertönte Hufschlag auf der Zugbrücke, und die hochedle Gesellschaft kam herangeprescht und umkreiste das Gefolge einmal, ehe sie inmitten hielt und ihre Blicke über alles schweifen ließ. Von jedermann bewundert ward der herrliche Shadif des Rondrianers, ein Roß von Schlankheit und Grazie, wie man’s selten im Koscherlande sieht.
„Daß so ein Pferdchen überhaupt einen gepanzerten Reiter aushält“, wunderte sich Ritter Falk. Auch der Graf lobte das edle Tier, und es mag gar ein Funken Neid in seiner Stimme gelegen haben. Dann aber strich er sich zufrieden über das neue Jagdwams in firunlichen Farben, das die Strahlen der Praiosscheibe auffing und gleißend zurückwarf, als sei’s frischgefallner Firn. Ähnlich waidmännisch waren auch die meisten andern gekleidet, hatten das rondrianische Eisenzeug mit robustem und bequemem Leder oder Pelz vertauscht. Köcher und Bogen, Spieß und Ger bot die gräfliche Rüstkammer genügend; und manch einer, wie der junge Auersbrück, trug auch einen Eberfänger mit sich.
„Ah, Meister Pannlapp!“ rief Graf Jallik und winkte seinen Jagdmeister herbei, der gerade übers Feld gestiefelt kam. An seiner Seite schritt ein andrer Waidmann, der schon vor zwei Tagen auf der Angenfeste eingetroffen war. Wilbor Tannschlag nannte er sich, und seinen Rock zierte das Zeichen von Greifenhorst, wo er ansonsten sein Amt als Jagd- und Forstaufseher versah. Gerne hatte ihn der Herr von Wengenholm für diese Jagd willkommen geheißen, konnte es doch nur von Nutzen sein, zwei erfahrene Waldläufer und Fährtensucher bei sich zu haben – für den Fall etwa, daß sich die Jagdgesellschaft trennen wollte oder mußte.
„Nun, Meister Pannlapp, wie steht’s?“ fragte der Graf aus dem Sattel hinunter. Jener gab zur Antwort: „Alles ist bereit, Hochwohlgeboren, und ich hätte die Leute schon vorausgeschickt, das Lager aufzubauen, wenn Ihr nur Anweisung gegeben hättet, in welche Richtung.“ „Wir sprachen gestern abend darüber, aber ich wollte noch warten, ob der Vogt von Albumin uns neue Kunde brächte. Er wird wohl bald eintreffen, so Phex will. Wozu aber ratet Ihr?“ fragte ihn der Graf und bekam die vage Antwort: „Herr, solch eine Hatz hatten wir noch nicht in meinem Revier. Freilich, wenn’s nur darum ginge, ein geeignetes Waldstück mit Rot- und Schwarzwild zu finden und Euch dieses zuzutreiben, müßte ich kaum überlegen. Doch gilt die Jagd nur einem einz’gen Tier, und einem unheimlichen dazu.“
„Unheimlich? Verschont mich mit Altweibertratsch und Jägerbosparano. Es ist ein Wolf, gerissen, ja, gefährlich, wohl – doch ist’s ein Geschöpf auf Sumus Leib wie Ihr und ich. Was haltet Ihr von den Gerüchten, der Graue habe sich im Borrewald eingenistet?“ „Das ist schwer zu sagen, Herr. Mir scheint’s zwar seltsam, daß er sein Revier so weit nach Mittnacht ausgedehnt haben soll, aber ausschließen will ich’s nicht.“
Bevor der Graf etwas erwidern konnte, ertönte von Ufer her die frohe Weise eines Jagdhorns, und zwei Reiter sprengten in raschem Ritt auf die Wiese, daß die Schollen der feuchten Erde flogen. Ein kräftiger Winhaller Wolfsjäger hielt mühelos Schritt mit ihnen. Die Neuankömmlinge zügelten die Rösser; der zuvorderst ritt, zog seinen Hut mit der Falkenfeder vom angegrauten Haar und verneigte sich vor dem Grafen: „Verzeiht, ich komme spät, doch nicht zu spät“, sprach er, noch Atem holend. „In Albumin gab’s Sturmschäden an den Kornspeichern, so daß ich erst gestern morgen aufbrechen konnte; und bei diesem Wetter zog ich’s vor, einige Meilen weit von hier Unterkunft zu suchen. Aber der erste Sonnenstrahl erblickte mich schon wieder auf dem Weg.“