Besuch aus einem anderen Land - Vertrautes...
Teil der Geschichte Besuch aus einem anderen Land.
Ein Wandersmann auf sumpf'gen Pfad | ...und Neues |
„Welch Wohltat!“ Tacodar hielt den Becher mit Wein in der Hand und tauchte seine Füße in den Zuber, den ihn die Magd Nella mit einem fröhlichen Lächeln hingestellt und mit heißem Wasser gefüllt hatte. „Madalein, ich sage dir, es sind doch die kleinen Dinge, die das Leben so erquicklich machen und Wärme bringen.“ Er blickte zu der angesprochenen Geweihten, die ihm gegenüber auf einem einfachen Holzstuhl saß. „Etwas gewürzter Wein für den Magen, etwas heißes Wasser für die Beine und zwei so bildschöne Frauen, die eine dunkel und mystisch wie die Nacht, die andere so hell wie die aufgehende Sonne, für das Herz. Aves, ich danke dir dafür, dass du mich sicher hierher geführt hast!“ Er zwinkerte der blonden Magd zu, deren Gesichtsfarbe sogleich bis zu den Ohren in rot umschlug. „Sag ich’s doch, und schon kommt die Morgenröte!“
Mit einem kurzen Knicks zu den beiden Geweihten verließ Nella mit der Hand vor dem Mund so schnell den Raum, dass es gerade noch nicht als unhöflich empfunden werden konnte.
„Noch immer so charmant wie früher.“ Madalein konnte ein Lachen nicht zurückhalten. „Sei nur vorsichtig. Du bist hier nicht in Almada, wo die Menschen mit deiner Art umzugehen wissen. Der Kosch ist etwas, nun ja, zurückhaltender, wenn es um die schönen Dinge geht, die man miteinander erleben kann.“
„Du wirst dich noch wundern, meine Liebe.“ Auch Tacodar musste nun Lachen. „Die Doñas und Hombres hier sind nicht halb so verschlossen, wie sie einem glauben machen wollen. Ich kann dir erzählen! Diese Bäuerin bei Bragahn hat sich sehr dankbar gezeigt, dass ein aufmerksamer Geweihter etwas länger auf dem Bauernhof ihres Bruders geblieben ist. Ihr Bruder wäre allerdings nicht so contento gewesen, glaube ich, hätte er etwas mitbekommen.“
„Tacodar!“ unterbrach ihn Madalein in tadelndem Ton. „Du bist nicht gekommen, um mir deine neuesten Eroberungen zu erzählen, oder?“
„Nein, cara mía, deswegen bin ich nicht hier.“ Er setzte den Weinbecher auf dem Tisch ab. „Ich bin gekommen, weil ich einem Freund meine besten Wünsche persönlich überbringen wollte. Ihr hättet ruhig noch etwas warten können, bevor ihr hierher aufgebrochen seid. Ich habe mir die Füße fast wund gelaufen, um so schnell ich konnte her zu kommen.“
„Du schelmischer, kleiner Lügner! Wie war das mit der Bäuerin bei Bragahn? Ich glaube, so eilig hattest du es wohl nicht, herzukommen!“ Die schwarzhaarige Schönheit funkelte Tacodar mit ihren Augen entgegen, doch das Zucken der Mundwinkel, die das Lachen zu unterdrücken suchten, nahm völlig die Schärfe aus ihrem Ton und dem Blick. „Wie dem auch sei. Es ist schön, dich zu sehen. Ganz gleich ob gestern, heute oder morgen.“
Tacodar nahm Madaleins Hand. „Ich werde aber nicht lange bleiben, zu viel gibt es noch zu sehen auf dieser Welt für mich. Aber für ein paar Tage bin ich gerne euer Gast. Und wo ist jetzt der Herr dieser Siedlung? Ich habe ihn noch gar nicht gesehen!“
„Und vielleicht wirst du ihn auch nicht sehen, wenn du nur kurz bleibst.“ Madaleins Blick wurde etwas betrübter. „Er ist nach Garrensand aufgebrochen, seinen Onkel dort besuchen. Und um Rat und Hilfe bitten.“
„Ich wusste gar nicht, dass er einen Onkel in Garrensand hat, er hat nie davon erzählt!“ Tacodar war ehrlich erstaunt.
„Hagen, der jüngere Bruder seines Vaters. Du erinnerst dich an ihn? Wir dachten alle, er wäre bei Wehrheim ums Leben gekommen. Doch ist er vor einigen Jahren wohl den Golgariten beigetreten, und niemand außer Rainfrieds Großmutter wusste davon.“ Madalein seufzte. „Und wäre es nicht zu diesem Missgeschick gekommen, würde Rainfried auch noch nicht wissen, dass sein Onkel noch lebt. Brodlind kann sehr verschwiegen sein, wenn sie will.“
„Die alte Capricho! Wie geht es ihr?“ Tacodars Blick wanderte vorsichtig suchend im Raum herum, so als würde er befürchten, dass Rainfrieds Großmutter gleich neben ihm stehen würde, und ihm die ‚Schrulle‘ mit ein paar zünftigen Schlägen auf den Hinterkopf wieder austrieb.
„Das ist einer der Gründe, warum Rainfried zum Kloster aufgebrochen ist. Sie hat vor etwas mehr als einem Götternamen Wein über das Familienbuch vergossen, und jetzt sind einige Einträge unleserlich. Es hat sie sehr hart getroffen.“ Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher. „Wenn sie weiterhin nur im Bett liegen bleibt, und sich überhaupt nicht mehr bewegt, steht zu befürchten, dass sie den Winter nicht übersteht. Das Essen muss man ihr mit Gewalt aufzwingen, und mehr als Selbstzweifel hört man von ihr auch nicht mehr. Im Moment schläft sie.“ Madalein nickte traurig mit dem Kopf in Richtung einer Tür, hinter der sich wohl die Schlafstatt Brodlinds befand. Sie wischte kurz mit der Hand über die Augen.
„Das tut mir leid. Rainfried hängt sehr an seiner Großmutter.“ Er ließ Madaleins Hand los. „Und die zweite Veranlassung, warum er nach Garrensand reist? Du erwähntest, dass der Geisteszustand der alten Frau nur einer der Gründe ist?“
„Der Sumpf ist der weitere Grund. Was sonst, als der Pantano maldito.“ Die Geweihte schüttelte langsam den Kopf. „Jeden Tag mühen sich die guten Leute hier ab, Moorbrück ein Stück Land abzugewinnen, und jeden Morgen ist ein Großteil des gewonnenen Landes wieder vom Morast verschluckt. Ganz so, als wenn nächtens die Moorgeister aus den Gräbern aufsteigen und die ganze Arbeit wieder zerstören würden.“
Tacodars Haare auf den Unterarmen und im Nacken stellten sich auf.
Madalein fuhr fort. „Es gibt genügend Geschichten über Geister und Monster hier im Sumpf. Das Holz, das zum Bau der Häuser geschlagen wurde, soll genauso verflucht sein, wie der ganze Boden, auf dem noch nicht mal Apfelbäumchen richtig wachsen. Und dass ein alter Friedhof aus vergangenen Jahrhunderten ganz in der Nähe im Süden ist, macht die Situation nicht leichter. Die Leute haben inzwischen schon Angst, nur ein paar Schritte bis hinaus zu dem Weinberg zu machen. Und auch die Palisade nach Süden hinaus beruhigt sie nicht. Wir können froh sein, dass noch nicht mehr passiert ist, und noch niemand geflohen ist von hier.“
Der Avesgeweihte nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher, leerte ihn und stellte ihn auf dem Tisch ab. Seine Hände zitterten leicht. Auch Madalein war dies aufgefallen.
„Was ist mit dir? Du blickst wieder so erschrocken, wie vorhin, als du rennend in Grimsaus Ehr angekommen bist.“ Besorgt sah sie den Avesjünger an.
„Ich glaube, ich bin einem eurer Moorgeister auf dem Weg hierher begegnet.“ Nur mühsam konnte Tacodar die Worte herausbringen. „Ich habe nur ihre Stimme gehört, aber gezeigt hat sie sich mir nicht.“
„Ihre?“ Madalein beäugte den Mann, der ihr gegenüber saß, zweifelnd. „Bist du sicher, dass du nicht wieder einen Tagtraum von deiner Bäuerin oder einer anderen Frau hattest?“
„Nein, nein. Sin falta, das war etwas anderes, und ich völlig bei Verstand. Sie sprach etwas von ‚Sehen, aber nicht erkennen‘, und dass ich wiederkommen würde. Bei allen Zwölfen und ihren Kindern! Diese Stelle werde ich sicher nicht wieder besuchen. Und wenn ich einen tagelangen Umweg gehen müsste, um dort nicht wieder hinzukommen!“
Er schenkte sich vom Wein nach, und nahm erneut einen Schluck. „Doch lass uns von etwas fröhlicherem reden. Ich habe eigentlich gehofft, dass ihr mir eure ersten Erfolge in der Besiedelung erzählen würdet. Du hast etwas von einem Weinberg gesagt.“
Madalein musste erneut lachen. „Rainfrieds Weinberg! Er hängt sein ganzes Herzblut hinein, und ich hoffe sehr für ihn, dass der Anbau gelingen mag. Ich bin stolz auf ihn. Habe ich das schon einmal erwähnt? Nach dem Tod seiner Eltern habe ich schon befürchtet, dass er sich ebenfalls der Lamenta hingibt. Aber er scheint seine Aufgabe hier gefunden zu haben.“
Tacodar musterte Madalein. „Und dass du etwas damit zu tun haben könntest? Ist dir das schon einmal in den Sinn gekommen? Die Blicke, die ihr euch zugeworfen habt damals, haben Bände gesprochen. Man hätte Reisig zwischen euch anzünden können, ohne dass ein Feuer in der Nähe gewesen wäre.“
„Du begibst dich auf gefährlichen Grund, mein Freund. Rainfried und ich haben uns alles gesagt, was es zu sagen gibt. Wir sind sehr gute Freunde. Und mehr wird es nicht werden. Was will er mit einer Bürgerlichen, und was soll ich mit einer festen Bindung? Ihn bindet die Familie und mich mein Eid der Göttin gegenüber.“ Madalein war aufgestanden. „Nein, diese Asunto wird von uns beiden nicht mehr diskutiert.“
Der Mann ließ Madalein nicht aus den Augen. „Wie sagtest du, hat er das Weingut genannt?“
„Ich habe dir gar nicht gesagt, wie es heißt. Aber du weißt es ja eh bereits, sonst hättest du es jetzt nicht erwähnt. Madaleinque! Der Loco! Brodlind wäre mir am Liebsten an den Hals gegangen, als sie es erfahren hat.“ Ihre Stimme wurde lauter.
„Madaleins Quelle? Und du willst mit erzählen, dass ihr darüber hinweg seid?“ Tacodar nahm die Füße aus dem inzwischen kühl gewordenen Wasser. „Glaube nicht, dass mir dein schmerzhafter Gesichtsausdruck und die Träne entgangen wäre, als du über den schlechten Zustand seiner Großmutter erzählt hast. Es schmerzt ihn sehr, und damit dich genauso.“ Er stand auf und ging zu Madalein. „Und wer ist hier wohl der größere Narr von euch beiden?“
Madalein begann zu schluchzen. „Es kann nicht sein, es wird nicht sein!“
Tacodar nahm sie in seine Arme, drückte sie fest an sich und murmelte, als sie völlig aufgelöst zu weinen begann, „Ich weiß, ich weiß. Aber das macht es für mich auch nicht leichter.“
Er hielt Madalein einige Minuten fest an sich gedrückt, bis sie sich wieder beruhigt hatte. „Und ich wollte doch über Fröhliches mit dir reden.“ Er strich ihr die letzten Tränen aus den Augen.
Madalein hickste ein kleines Lachen hervor. „Gib zu, du wolltest nur, dass ich mich an dich drücke, du Ferkel!“
„Das wird es wohl gewesen sein!“ Auch Tacodar schmunzelte wieder. „Ich habe mich gerade noch davor zurückhalten können, dir an unsittliche Stellen zu greifen!“
„Nur zu, amigo! Ich werde dir auch noch auf die andere Hand schlagen, wenn du dich traust!“ Madalein drückte Tacodar mit beiden Armen leicht von sich.