Uztrutzer Umtriebe - Rondras Ruf: Unterschied zwischen den Versionen
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Er ließ sich von seiner Magd Ilma rasch seinen Grevenstecken, welcher ihn als fürstlichen Beamten zu erkennen gab, überreichen und schritt damit, mit der Würde eines Bergkönigs in die Mitte des Feldes zu Farelius. <br/> | Er ließ sich von seiner Magd [[Briefspieltext mit::Ilma]] rasch seinen Grevenstecken, welcher ihn als fürstlichen Beamten zu erkennen gab, überreichen und schritt damit, mit der Würde eines Bergkönigs in die Mitte des Feldes zu Farelius. <br/> | ||
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Version vom 19. Juli 2017, 15:14 Uhr
Teil der Briefspielgeschichte "Uztrutzer Umtriebe"
Die Suche im Weißdorngehölz II | Zwei Zweikämpfe |
1038
Am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne am Himmelsgewölbe erschien, befand sich die Gruppe bereits auf dem Weg Richtung Alt Rudes Schild. Viel geredet wurde nicht, waren doch alle Beteiligten in ihre eigenen Gedanken und Mutmaßungen versunken. Nach einer kurzen Rast am Vormittag zog der Tross weiter Richtung Hauptstadt.
Die Sonne hatte den Zenit bereits seit einigen Stunden überschritten, als die Gemeinschaft das Rasthaus vor der Stadtmauer erblickte, doch irgendetwas stimmte hier nicht. Außerhalb der Stadtmauern Uztrutzens war keine Menschenseele zu sehen und die Tore waren fest verschlossen, obwohl es noch lange nicht dunkel war. Dafür wurden die Bewegungen der Reiter von der Mauer aus mit wachsamen Blicken verfolgt. Auch Burg Alt Rudes Schild wirkte äußerst abweisend. Erlan zügelte sein Pferd. ”Was geht hier vor?” murmelte der Baron mehr zu sich selbst, doch Roban hatte die Gelegenheit schon ergriffen. ”Heu!”, rief er zum nächstbesten Posten auf der Stadtmauer. ”Was ist hier los? Warum versteckt ihr euch wie die Hasen hinter der Mauer?”
Der Posten schaute irritiert auf die Reiter herunter. ”Der Baron ist gestern mit seinem gesamten Anhang ausgerückt, um die anderen Uztrutzer auf Herolds Wacht zurechtzustutzen. Daher haben wir unsere Tore verschlossen, damit hier kein Unfrieden in die Stadtmauern getragen wird. Drum schert euch fort, egal zu welcher Seite ihr gehört, und schlagt euch mit den übrigen edlen Herrschaften. Hier in unserer Stadt wollen wir kein Blutvergießen.”
”An Blutvergießen haben auch wir kein Interesse. Wir gehören zu beiden Parteien.”, antwortete Holdwin vom Kargen Land, woraufhin ihn der Stadtwächter irritiert ansah. Der Ritter vom Kargen Land ergänzte: ”Ihr tut gut daran, die Stadt abzuriegeln. Betet zu den Zwölfen, dass wir das Schlimmste noch verhindern können!”
Nach kurzer Diskussion blieb der Reisegruppe keine andere Wahl, als ihre Pferde zu wenden und in die angegebene Richtung zu reiten. Unruhe machte sich in der Gruppe breit. War es bereits zu Blutvergießen gekommen, oder ließ es sich noch verhindern? Einige misstrauische Blicke wurden zwischen den Anhängern der verschiedenen Parteien ausgetauscht, war man sich doch unsicher, ob man sich am morgigen Tag bewaffnet auf einer Wiese gegenüberstehen würde.
Die Sonne war kurz davor unterzugehen, als die Reiter auf Grimbarts Gefolge trafen. Sie wurden von Spähern nur kurz aufgehalten, dann aber weiter gelassen. Als das Heer in Sicht kam, zügelte Erlan überrascht sein Pferd. Da waren weitaus mehr Kämpfer versammelt als Erlan auf Anhieb gedacht hatte. Hoch zu Ross waren Grimbart und seine drei Kinder zu sehen, gemeinsam mit der Junkerin Ilma Steinkopf auf Butterwus und deren Tochter Hamvide. Etwas abseits saß Rondrolf Grobhand von Koschtal auf seinem Pferd und wirkte neben dem Dutzend berittener Waffenknechte von Alt Rudes Schild etwas verloren. Während die Reiter ihre Pferde mitten auf dem Weg angehalten hatten, saßen links und rechts des Weges je etwa fünfzig Fußsoldaten auf den Wiesen und warteten ab, was die Herrschaften entschieden. Beide Trupps bestanden je zur Hälfte aus Söldnern und Landwehrkämpfern. Unter den Söldnern waren eine stattliche Anzahl Zwerge, die sich unter einem blutroten Banner mit einem schwarzen Pfeil versammelt hatten. Bei dem anderen Trupp war das Banner der Munteren Breitäxte aus dem Wengenholm zu sehen, zwei gekreuzte Breitäxte über einem schäumenden Bierhumpen. Grimbart hatte die Ankunft der Reitergruppe bemerkt, aber der Blick der meisten Anwesenden ging nach Osten, von wo der dumpfe Klang einer Marschtrommel zu hören war. Im Laufschritt kamen schwer bewaffnete Söldner mit Hellebarden und Zweihandschwertern in Sicht. Es dauerte einige Minuten, bis die Einheit vollends in den Blick kam, im Anschluss folgte ein Trupp Armbrustschützen und ein halbes Dutzend schwer gepanzerter Reiter. Einer der Reiter trug das Banner Uztrutzens, ganz so wie auch einer der Reisige Grimbarts. Beim Anblick des anderen Heeres kam Bewegung in Grimbarts Gefolge und die Fußsoldaten erhoben sich vom Boden und begannen aufgeregt zu tuscheln, waren doch auf der anderen Seite gut hundertfünfzig Kämpfer aufmarschiert.
Erlan hatte sein Pferd bei den ganzen Vorgängen unwillkürlich angehalten, doch als nun auf der anderen Seite das Heer von Alrichs Kindern seinen Marsch anhielt, setzte Erlan sein Pferd wieder in Gang. ”Der Kosch gerät aus den Fugen.”, murmelte er zu sich selbst.
”Sind denn jetzt alle übergeschnappt?!” stieß Farelius hervor, als er das ganze Schauspiel vor ihm begriffen hatte.
Ohne lange darüber nachzudenken, gab er seinem Pferd die Sporen, was der Schimmelwallach mit einem ungehaltenen Schnauben beantwortete.
Kurz darauf befand er sich zwischen den Reihen der Soldaten.
”Haltet ein! Was im Namen der Götter soll das hier werden?!”
Die Trommel und das Getuschel der Soldaten waren erstorben und alle Blicke schienen auf ihn gerichtet.
Farelius, dem erst jetzt bewusst wurde, in welche Lage er sich gebracht hatte, blickte zwischen den Anführern der beiden Heere hin und her. Seinem Ross gefiel die derzeitige Position anscheinend auch nicht, und so hatte der Ritter in Rot und Weiß gut zu tun, um zwischen den Streitparteien zu bleiben. Dass er soeben zwischen zwei Heere weit höherrangiger Adeliger geritten war, schnürte ihm zwar die Kehle zu, doch er bemühte sich, aufrecht im Sattel zu sitzen und seine Beklemmung nicht zu zeigen. Dennoch wanderte sein Blick kurz zum Sattelknauf, wo der Waffengurt mit seinem Schwert befestigt war. Er würde alles daran setzen, diesen Krieg zu beenden, noch bevor er begonnen war.
Brumil Sohn des Burgom brummte nachdenklich, als er seinen Blick über die aufmarschierenden Truppen schweifen ließ. Der ”wilde Ritt” der letzten Stunden lag ihm noch im Magen und so beschloss er, erstmal den festen Boden unter den Füßen zu genießen, eher er weitere Schritte unternehmen wollte.
Farelius‘ Vorpreschen goutierte er zunächst mit einem weiteren Brummen. Als er aber die Überforderung des Ritters mit der Situation bemerkte, beschloss er, ihm zu Hilfe zu eilen.
Er ließ sich von seiner Magd Ilma rasch seinen Grevenstecken, welcher ihn als fürstlichen Beamten zu erkennen gab, überreichen und schritt damit, mit der Würde eines Bergkönigs in die Mitte des Feldes zu Farelius.
Dort angekommen, nahm er den acht Spann messenden Stab in beide Hände, strecke ihn für alle sichtbar über seinen Kopf empor und wandte sich in dieser Pose beiden Gruppen zu, bevor er sich mit lauter und fester Stimme äußerte:
”Ich bin Brumil, Sohn des Burgom, Sohn der Daschka aus dem Hause Drubols!
Unser aller lieber und guter Fürst schickt mich zu euch,
als seinen Richter und Hüter über Recht und Landfrieden,
auf dass ihr einhaltet in eurem schändlichen Treiben!”
”Denn ihr alle seid daran den Fürstenfrieden,
der noch nieee gebrochen wurde! … zu miss-achten!”
Brumil schüttelte zornig den Grevenstecken in seinen Händen
”Wer dass aber tut, der Missachtet unseren Fürsten selbst!
Wer unseren Fürsten, den Herrn der Berge und Täler und Hügel und Auen, so niederträchtig beleidigt, ist ein treuloser Kriegstreiber und wird von Volk, Adel und Kirche gebrandmarkt werden!”
”Wer also hier und heute sein Schwert erhebt, der ist treulos, ehrlos und verliert sein Gesicht vor dem Fürsten, vor dem Volk und vor den Göttern!”
”Soldaten! Wenn ihr heute hier kämpft, seid ihr Mörder und vogelfrei!”
Mit den letzten Worten rammte Brumil den Grevenstecken in die Erde des Feldes zwischen den beiden Gruppen und verschränkte die Arme davor.
Das nun abrupt einsetzende Gemurmel und Getuschel in den Reihen der Truppen schwoll rasch zu lautem Gezeter und Diskussionen an, welches nur mit Mühe von den Weibeln der jeweiligen Truppen unterdrückt werden konnte. Brumil hatte fürs erste erreicht was er wollte. Vielleicht ließen sich die Anführer der jeweiligen Parteien durch derartige Androhungen, mögen sie nun zutreffen oder nicht, doch noch zu Verhandlungen hinreißen.
Brumil zumindest suchte gezielt deren Blicke und versuchte sie durch herbeiwinken in die Mitte des Feldes zu bitten.
”Wenigstens einer, der sein Hirn noch nicht zum Pfandleiher geschleppt hat”, bemerkte Roban, als er unweit des Zwergen aus dem Sattel sprang. ”Hoffen wir, dass auch die Heerführer ihre Denkgrütze noch ihr Eigen nennen!”
Er blieb stehen, blickte die Reihen von Grimbarts Gefolge entlang und pfiff dann vernehmlich auf den Fingern, zweimal kurz und einmal lang.
”Habt Ihr Euren Hund bei den Kämpen entdeckt?” fragte Brumil verwirrt.
”Meinen Bruder”, erklärte Roban grinsend. ”Aber gelegentlich hört auch der aufs Wort. Seht Ihr – da kommt er schon, nachdem er sich die Erlaubnis eingeholt hat.”
Tatsächlich trabte Rondrolf in Richtung des Grevensteckens, dabei die feindliche Linie nicht aus den Augen lassend.
”Verdammt spät kommst du, Roban”, rief er schon von weitem. ”Ich hoffe, du hast bessere Nachrichten als ich!”
”Nee, Rondrolf – eher noch Schlechtere!” Mit kurzen Worten unterrichtete Roban seinen Bruder von dem grausigen Fund, den sie gemacht hatten. Rondrolfs Gesicht zog sich mehr und mehr in die Länge.
”Das ist...in der Tat erschütternd”, befand er schließlich. ”Bislang hatten wir es nur mit einer Erbstreitigkeit zu tun, jetzt reden wir von Mord. Wenn die Seiten sich gegenseitig der Bluttat bezichtigen – und ich zweifle kaum, dass sie das werden – dürfte ein exzessives Blutver-giessen kaum vermeidbar sein. Zumindest, wenn Herr Brumil nicht mehr als Friedensstifter in der Mitte steht.”
In diesem Moment näherten sich den Neuankömmlingen zwei Reiter von hinten. ”Erlan! Erlan!”, rief einer der Reiter, der sich alsbald als Gero vom Kargen Land herausstellte. ”Rondralieb!”, brüllte der andere verzweifelt – niemand anderes als Boronar vom Kargen Land, ihr Verlobter.
Rasch hatte Gero zum Baron von Sindelsaum aufgeschlossen. ”Erlan, das ist doch Wahnsinn!” Nervös schaute sich Gero all die vor Waffen klirrenden Truppen an. ”Wenn wir diesem Treiben nicht Einhalt gebieten, wird es eine blutige Familienfehde!” ”Das ist es bereits”, eröffnete Erlan traurig seinem Freund. ”Was?”, fragte dieser entsetzt zurück. ”Schnell, ruf jemanden von Grimbarts Familie herbei. Jeder Augenblick zählt!” Gero blickte zu Boronar hinüber, der inzwischen Rondralieb erreicht hatte und diese hielt, als wollte er sie niemals wieder loslassen – denn es könnte am heutigen Tage das letzte Mal sein auf Derengrund…
Als Rondralieb bemerkte, dass Gero sie rief und heftig zu ihr herüberwinkte, löste sie sich von Boronar. Beide ritten sie herbei. In knappen Worten schilderte Erlan den Fund von Alrichs Leichnam und der Ungereimtheiten rund um die Tat. Bei der Eröffnung der jüngsten Ereignisse schlugen Gero, Boronar und Rondralieb ein Boronrad. Gero schloss angespannt die Augen. Ein Kampf um die Baronswürde hatte sein Haus damals fast in den Abgrund gerissen – sollte sich die Historie hier wiederholen? Rondralieb war sichtlich betroffen, straffte sich dann und ritt zurück zu ihrem Vater, um ihn wiederum in die Neuigkeiten einzuweihen. Grimbart hörte mit steinerner Miene zu; plötzlich bekam er ein zorniges Gesicht. ”WAS? Bei Rondra, diese Schurken!” Er schaute nun zu Erlan von Sindelsaum hinüber, dem Überbringer der Neuigkeiten.
Gero schöpfte ein letztes Mal Hoffnung. ”Erlan, das ist unsere Chance! Wir haben seine Aufmerksamkeit. Lass uns schnell mit ihm reden, damit er einer Verhandlung zustimmt!” ”Gut”, stimmte Erlan zu, fragte aber zurück, während sie ihre Pferde Richtung Grimbarts Partei lenkten, ”und wer hält in der Zwischenzeit Alrichs Kinder im Zaum?”
Baduar Ibram von Eichstein hatte sich, nachdem der Trupp hielt und die Situation hier in Augenschein genommen hatte, leise mit seinen Waffenknechten unterhalten, während er die Geschehnisse beobachtete. Bestürzt und erschrocken nahm er das Vorpreschen von Farelius wahr und wurde durch das Eingreifen des Richtgreven beruhigt.
Aktuell schien die Lage so, als ob sie nicht gleich eskalieren würde. Zum wiederholten Male fragte er sich, warum er sich in diese Fehde hatte hineinziehen lassen, erinnerte sich dann aber selbst an das gegebene Ehrenwort und die ritterliche Pflicht, ein gegebenes Versprechen einzulösen. Doch hatte er in den letzten Tagen gemerkt, das er doch einige Zeit im Außerkosch verbracht hatte – die feinen Verflechtungen zwischen den einzelnen Häusern und Gruppierungen waren ihm noch nicht alle geläufig und daher hielt er sich bisher recht zurück.
Nun aber war es notwendig, zu handeln und so trieb er sein Pferd nach vorn zu der kleinen Gruppe um Erlan und Gero vom Kargen Land. ”Ich werde diese Aufgabe übernehmen und ihnen schildern, was widerfuhr” sagte er, dann wandte er sich in Richtung des anderen Heerhaufens um seinen Teil dazu beizutragen, hier schlimmeres zu verhindern.
Als er in Begleitung seiner Waffenknechte beim kleinen Heerlager von Alrichs Kindern angelangte, hielt er sein Pferd an und zeigte durch Verhalten und Haltung, das er in friedlicher Mission unterwegs war. ”Beim Herrn Praios und Frau Hesinde, hört mir zu!” rief er den versammelten Kindern von Alrich und ihrem Gefolge zu und schilderte dann bemüht ruhig und sachlich die Erlebnisse und auch die Erkenntnisse und die daraus entstandenen Rückschlüsse der Entdeckungen ihrer Gruppe und betonte dabei ebenfalls immer wieder, das ein rechtmäßiges Urteil in dieser Sache nicht durch eine Feldfehde, sondern nur durch ein Praiosgerechtes Verfahren erfolgen könne und jegliche vorschnelle Handlung ein Frevel wider die göttliche Ordnung wäre.
Bei beiden Gruppen waren laute Rufe zu hören. Die Nachricht von Alrichs Tod verbreitete sich schnell und die Details brachten beide Seiten auf. Grimbarts Seite beschuldigte Derya und ihren Anhang ihren eigenen Vater ermordet zu haben, während Derya und die ihren Grimbart vorwarfen. Brumils Worte schienen langsam zu verhallen, warfen beide Seiten sich doch gegenseitig einen grausamen Mord vor. Die Hauptleute beruhigten unterdessen die Kämpfer. ”Der Fürstenfrieden schützt nur unbeteiligte, verbietet die Fehde aber nicht, zumal die anderen mit Mord und Verrat die Entscheidung herbeibringen wollen.” So oder so ähnlich klang es von beiden Seiten her. Erlan und Gero hatten derweil Grimbart und seine Kinder zu Farelius und Brumil geführt und Baduar von Eichstein hatte das gleiche mit Derya und ihren Geschwistern getan.
Grimbart schäumte und tobte ”Euren eigenen Vater habt ihr ermorden lassen Derya und nun wollt ihr die Tat mit in die Schuhe schieben und all das mit einer derart offensichtlich falschen Spur.” Aber auch Derya war offensichtlich erhitzt. Auf einen Handwink von ihr kamen Farelius Knechte mit dem Toten Alrich noch immer auf dem Pferderücken in Blick, noch war der Leichnahm unter einem Tuch verborgen, nun aber riss Trest von Vardock das Tuch herunter und offenbarte somit Alrichs grausigen Zustand zu allen Anwesnden. Erneut ging ein Aufschrei durch ihr Heer und so mancher Kämpfer griff seine Waffen fester. Trest von Vardock ritt die Formation ab und zeigte auf Alrich ”Alrich war der rechtmäßige Baron Uztrutzens dazu von seinem Vater bestimmt. Kaltblütig hat Grimbart ihn ermorden lassen. Ich sage genug ist genug. Lasst ihn uns hier und heute rächen und seine Mörder zur Strecke bringen. TOD DEN VERRÄTERN.” Der letzte Ruf wurde von Deryas Heer aufgenommen. ”Auf sie.” Riefen die Hauptleute und das Heer setze sich in einem langsamen Laufschritt in Bewegung. All das war so schnell gegangen, dass die kleine Gruppe in der Mitte zwischen den beiden Heeren offensichtlich überrascht war. Erlan und Gero tauschten entsetzte Blicke, Grimbart griff zum Schwert und selbst Derya wirkte überrumpelt. Grimbarts Truppen machten sich bereit. Es würde nur wenige Minuten dauern, bis Deryas Heer die Wiese überquert hatte und das hauen und stechen beginnen würde.
”Derya, Grimbart, die Situation entgleitet euch.” Rief Erlan. ”Ihr könnt es nicht zu einem Blutvergießen kommen lassen.” Derya und Grimbart blickten sich unschlüssig an.
Brumil zog den Grevenstecken aus der Erde und drehte ihn nachdenklich in den Händen, während seine Blicke beunruhigt zwischen den Fronten hin und her glitten.
Als er die unschlüssigen Blicke zwischen Derya und Grimbart merkte, überlegte er kurz und rief er zu ihnen empor:
”Frau Derya, Herr Grimbart! Wenn ihr jetzt eure Klingen kreuzt, werdet ihr nie erfahren was wirklich mit eurem Vater und Bruder Alrich im Weißdorngehölz geschah. – Nur gemeinsam könnt ihr eine Lösung finden!”
- Die Kontrahenten blieben unschlüssig -
”Ihr wollte doch beide diesen Konflikt nicht ... Frau Derya! Ein anderer hat Eurer statt Eure Truppe den Angriff befohlen, aber ihr müsst euch für alles was geschehen wird verantworten.”
”Herr Grimbart, als Rondrianer verabscheut ihr Verrat und Hinterlist. Aber solange ihr keine Gewissheit über die Übeltäter habt, trifft euer Zorn vielleicht den Falschen. Und nichts kann den Idealen Rondras mehr zu Wieder sein, als ein ungerechtfertigter Kampf.”
Brumil deutete auf die Gruppe, die sich auf die Suche nach Alrich gemacht hatte:
”Aus dem ganzen Land haben sich Edle auf den Weg zu Euch gemacht, um den Frieden zu bewahren und euch darin zu unterstützten – Redet miteinander. Hier und jetzt.”
Baduar schaute sich irritiert um und dachte bei sich: Die werden doch nicht… Dann blickte er die beiden, Derya und Grimmbart, ernst und entschlossen an: ”Geschätzte Edelleute, bietet euren Truppen Einhalt, bei den Göttern! Natürlich könnt Ihr jetzt und hier die Klingen kreuzen, eine Fehde vom Zaun brechen – und damit den ganzen Kosch in Aufruhr versetzen.
Wollt – und könnt – Ihr dies verantworten vor den Zwölfen?
Mein Vorschlag: Lasst uns den dreisten Mord untersuchen, auf das wir Praios gerecht werden und mit seiner Hilfe die wahren Schuldigen finden. Der Herrin Rondra können wir dann würdigen Kampf bieten, aber haltet eure Truppen jetzt und hier zurück, auf das wir zumindest etwas mehr über den feigen Mord herausfinden können.
Und wenn ihr diesen Konflikt schon unbedingt mit den Mitteln der streitenden Göttin auflösen wollt, dann fechtet in der Götter Namen einen ehrenhaften Zweikampf aus!
Davon abgesehen ist die Situation viel zu verfahren, um jetzt und hier vorschnell ein Urteil zu fällen. Die Spuren sind doch viel zu offensichtlich, um ein klares Urteil zu fällen – das riecht doch geradezu danach, das da vielleicht auch eine dritte Partei ihre Finger im Spiel haben könnte.
Bei den Göttern, habt ein Einsehen! Stoppt diesen Wahnsinn – wenn wir mehr wissen, könnt Ihr euch immer noch gegenseitig die Köpfe einschlagen, wenn Ihr es denn unbedingt wollt!” wandt er sich energisch und mit kräftiger Stimme an die Kontrahenten und schaute diese abwechselnd an, währenddessen seine Waffenknechte aufmerksam die beiden Heere im Auge behielten, um im Notfall ihren Herren zu schützen, wie es ihre Aufgabe war.
Gero versuchte es ebenfalls ein letztes Mal auf dem diplomatischen Wege. ”Vertreter beider Seiten sowie ein neutraler Richtgreve bezeugen, dass alles auf ein Komplott hindeutet, um Euch gegeneinander aufzuhetzen! Was wollt Ihr mehr, um ein Einsehen zu haben? Wollt Ihr denn Ränkeschmiede über Ritterwort triumphieren lassen?” Erlan ergänzte: ”Derya, sollen Untergebene und Fußvolk statt Euch über den Zeitpunkt der Schlacht entscheiden? Grimbart, ist es im Sinne Rondras, im blinden Jähzorn in den Kampf zu reiten?”
Derya und Grimbart sahen sich mit ernstem Gesicht an. In beiden Köpfen schien es langsam zu arbeiten. Doch wer würde zuerst zugeben, dass an den Appellen etwas dran war? Wäre das nicht ein Zeichen der Schwäche, mit dem man in mögliche Verhandlungen gehen würde?
Da riss Boronar vom Kargen Land endgültig der Geduldsfaden. ”Heiliger Argelion, warum hätte denn einer von Euch beiden so eine Intrige nötig? Ihr seid doch auch so bereit, Euch gegenseitig umzubringen!”
In Deryas und Grimbarts Augen blitzte es auf. Beide sahen zu Boronar. Was hatte der Kerl gerade gesagt? Das war nicht sehr fein gewesen, aber klar und deutlich. Und durchaus einleuchtend...
”Lasst sie doch”, erklang da Robans Stimme aus dem Hintergrund. Er stand etwas abseits, musterte beide Heerhaufen wie ein Pferdekenner einen alten Ackergaul, und machte den Eindruck, als habe er mit der ganzen Sache gar nichts zu tun.
”Während wir uns hier gepflegt und dem Herrn Kor zum Gefallen die Schädel einschlagen, entkommen die Mörder halt. Sie haben ja ohnehin schon erreicht, was sie wollten, nicht wahr? Ein hübsches Blutbad zwischen Verwandten, das sie garantiert zu ihrem eigenen Vorteil nutzen können und werden. Wenn alle zu dämlich sind, nach den wahren Schuldigen zu suchen, meinetwegen. Was mich angeht, ich werde mich den Mördern an die Fersen heften und sie zu Strecke bringen. Euch wünsche ich viel Vergnügen beim gegenseitigen Abschlachten, und Euch, Grimbart, dazu noch viel Erfolg. Kommst du, Rondrolf?”
Ohne eine Antwort abzuwarten, stiefelte er davon. Rondrolf zögerte, blickte zu Grimbart, dann seinem Bruder nach.
”Ihr hattet geschworen, für meine Interessen einzustehen”, brüllte Grimbart ihm wütend nach. Roban wandte sich Gehen halb um.
”Tue ich doch. Ihr selbst tut es ja nicht, Ihr wollt ja lieber in die Schlacht ziehen, also muss ja einer für Euer Interesse einstehen – oder interessiert es Euch etwa nicht, wer Alrich ermordet hat?”
Grimbart schnappte nach Luft, aber was auch immer er hatte sagen wollen, es schien ihm im Hals stecken zu bleiben. Zumindest sagte er nichts, während Roban in Richtung seines Pferdes schritt, und auch Rondrolf schwieg, unschlüssig, welcher Seite er jetzt am meisten verpflichtet war.
”HALT!”, schrie daraufhin Derya, und sowohl Roban als auch die vorrückenden Truppen ihrer Seite blieben tatsächlich stehen. Sie wandte sich an Roban, so dass es laut und deutlich zu hören war. ”Ihr habt vielleicht gedacht, im Vorfeld einer Schlacht könntet Ihr Euch derartige Frechheiten erlauben und dann unbehelligt davonreiten, aber da irrt Ihr Euch. Eine solche Beleidigung meiner Familie lasse ich mir nicht gefallen. Ich fordere Euch zu einem Duell aufs erste Blut! Die Schlacht muss dann eben warten.” ”HALT!”, rief Grimbart seinen Truppen zu, die daraufhin ebenfalls innehielten. ”Die Forderung nach einem ritterlichen Zweikampf muss zuerst ausgetragen werden. Es soll niemand sagen, ich hätte die rondrianischen Ideale vernachlässigt, als meine persönliche Ehre in Zweifel gezogen wurde.” ”Ja!”, ”Genau!”, ”Richtig!” erschallten erste Rufe aus Grimbarts Lager. ”Doch damit nicht genug!”, donnerte Grimbart weiter, ”denn ich fordere diesen Frechling ebenfalls zu einem Kampf aufs erste Blut dafür, den Namen meines Hauses so gering geachtet zu haben. Auf meiner Seite oder nicht, das lasse ich nicht durchgehen. Ich werde Euch Manieren lehren!” ”Jawohl, Vater!”, pflichtete ihm Rondralieb bei. Boronar fasste sich ein Herz und wandte sich an Grimbart. ”Verzeit, aber nach dem ersten Duell wird Roban doch verwundet oder zumindest erschöpft sein. Das ist dann doch kein ehrlicher Zweikampf mehr.” ”Zur Not müssen wir eben warten, bis sich dieser Flegel wieder erholt hat.”, antwortete Grimbart. ”Einem berechtigten Kampf gehe ich nicht aus dem Weg, und wenn es ein wenig dauert.” Erlan und Gero blickten sich hoffnungsvoll an. Das könnte ein paar Tage dauern…
”Wenn Ihr erlaubt, stelle ich mich als Schiedsrichter zur Verfügung”, war nun die tiefe Stimme Brumils zu hören. ”Und damit für alle Beteiligten klar wird, was das Ausmaß der Beleidigung angeht, die Ritter Grobhand von Koschtal gerufen hat, werde ich in den nächsten Tagen die genauen Hintergründe für jeden Anwesenden niederschreiben und auslegen. Ihr erbitte dazu die folgenden Personen” - er nannte diejenigen von Stand, die beim Auffinden Alrichs dabei gewesen waren - ”das abschließende Dokument zu bezeugen, damit Klarheit in dieser Sache herrscht.”
”Schön! Ganz wie Ihr wollt! Welcher der Herrschaften möchte zuerst?”
Mit einer beängstigenden Ruhe zog Roban Schwert und Hammer aus dem Waffengurt und lockerte seine Glieder.
”Roban, du willst doch nicht wirklich...”, versuchte Rondrolf zu beschwichtigen und erhielt im Vorüberschreiten einen kurzen Klaps mit der Breitseite des Schwertes.
”Die Herrschaften fühlen sich beleidigt, und wohl nicht zu Unrecht. Sie fordern Genugtuung, die sollen sie bekommen. Wäre der Letzte, vor einer Forderung wegzurennen.”
Etwas leiser raunte er: ”Außerdem ziehen die zwei jetzt wenigstens erst mal an einem Strang. Ich stehe zwar auf der anderen Seite des Stranges, aber immerhin.”
Rondrolf schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Roban hatte den beiden Streithähnen einen gemeinsamen Feind beschert – eine ungewöhnliche Methode. Eine verrückte Methode. Eine wahre Roban-Methode!
Erlan von Sindelsaum schien von dieser Entwicklung völlig überrascht zu werden, aber dennoch zogen sich die beiden Heere zurück und nun wurde erst einmal nur gesprochen anstatt sich abzuschlachten. Erlan erhob seine Stimme. ”Der Mord an Alrich wird nie genau zu klären sein, vermute ich, denn es war alles äußerst sorgsam geplant. Die Spuren die uns zu dem Versteck geführt haben waren subtil, aber sorgsam ausgelegt worden, ebenso wie der Wappenrock wohl kaum zufällig hinterlassen wurde. Wer nun genau dahinter steckt mag man spekulieren, aber wir haben keinerlei Spuren finden können, die uns auf die weitere Spur der Entführer bringen konnte. Daraus kam man nur schließen, dass die Entführung äußerst sorgsam geplant war und genauestens ausgeführt wurde, vermutlich haben die Entführer auch gute Ortskenntnis gehabt, doch das haben natürlich beide Seiten.” Kurz schwieg Erlan, dann fuhr er fort.
”Ich schlage vor, dass wir die Frage der Nachfolge daher hier und jetzt klären und zwar auf Koscher Art und ohne, dass sich Söldner und Waffenknechte abschlachten. Vor wenigen Jahren hat der Fürst den Ehemann für Anglinde von Mackenstein durch einen Backwettbewerb suchen lassen, nun sollten auch wir eine Koscher Lösung für diese Situation finden. Mit Brumil haben wir einen guten Richter, gleich hier, dazu noch ein Geweihter und vielleicht noch eine weitere neutrale Person und schon kann es losgehen. Vorschläge also, von den verabredeten Zweikämpfen einmal abgesehen?”
Derya funkelte Erlan an. ”Ihr vermutet, dass der Mord an meinem Vater nicht aufgeklärt werden kann? Das möchte ich allerdings schon genauer wissen! Dann lasse ich lieber den Herrn Angroscho einen Bericht verfassen – und wenn meine Leute, die dabeigewesen sind, das für richtig befinden, dann kann ich dem glauben.” ”Dem muss ich mich allerdings anschließen.”, warf Grimbart ein, ”Wir können einen Mord nicht einfach so für unaufklärbar betrachten. Außerdem sollten diejenigen, die unschuldig sind, daran interessiert sein, Licht in die Sache zu bringen. Deswegen würde auch ich zumindest einer genaueren Niederschrift zustimmen - und die Unterstützer meiner Sache, welche die berichteten Dinge selbst gesehen haben, müssen klar und deutlich kundgeben, ob es so stimmt oder nicht.” Auch wenn Erlans Vorschlag zu einem Koscher Wettbewerb bisher ignoriert worden war, so hatte er dennoch Derya und Grimbart in einem Punkt zusammengeführt. Die Streitlust der Uztrutzer war für einen Moment dem Gebahren von Adel und Rondrianer gewichen.
Gero vom Kargen Land versuchte den nächsten Schritt. ”Das Verfassen und Bezeugen wird eine Weile dauern. Wie Ihr sicher wisst, hält sich Eckbart von Hirschingen derzeit in Uztrutz auf. Ich schlage ihn als einen der Schiedsrichter vor, falls Ihr einem Koscher Wettbewerb zustimmt. Doch zuvor mag er ebenfalls als Neutraler über den Ablauf der Zweikämpfe mit Roban Grobhand von Koschtal dienen.” ”Eckbart ist ein Fürstlicher Schlachtreiter! Dem vertraue ich!”, stimmte Grimbart zu. ”Einverstanden!”, antwortete Derya. ”Unser Gegner fragte bereits, wer uns zuerst antritt.” ”Nach der Reihenfolge der Forderung, das ist ritterlich!”, erklärte Grimbart. ”So sehe ich es auch. Dann holt Eckbart von Hirschingen herbei, um das erste Duell vorzubereiten!”
Brumil nickte zustimmend.
”Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Untersuchungen am Mord von Herrn Alrich fortgesetzt werden sollten, auch wenn ich Herrn von Sindelsaums pessimistische Haltung über den Erfolg der Unternehmung teile…
Brumil überlegte kurz und folgerte seiner bürokratischen Natur entsprechend.
Dass er damit die anwesenden Adeligen, allen voran die geradlinigen Uztrutzer langweilte, schien er nicht zu bemerken:
Aber … solange nicht alle Spuren abgeschritten und geprüft wurden, kann der Fall nicht abgeschlossen werden.”
”Die Bannstrahler die Zeitnah mit der Entführung in der Gegend beobachtet wurden, sind zum Beispiel einer dieser offenen Spuren.
Ich würde mich gerne weiter mit dem Fall befassen, wenn ich von Frau Derya und Herrn Grimbart das Mandat dazu erhalten. Rein formal bin ich als Richtgreve für Delikte des Hochgerichts nämlich nicht zuständig.
Unabhängig davon ob die Ermittlungen zu einem Erfolg führen, kann nach einem Abschlussbericht, das fürstliche Hofgericht angerufen werden, das für Erbstreitigkeiten dieses Ausmaßes zuständig wäre … oder aber die Herrschaften stimmen einem Wettkampf zu, wie Herr Sindelsaum es vorgeschlagen hat. Zweiteres würde sehr wahrscheinlich zeitnaher zu einem Ergebnis führen. ”
”Danke für die Belehrung, Herr Brumil” raunte Derya. Ihr scheint mir der Richtige für den Fall zu sein.” Auch Grimmbart nickte zustimmend.
”Aber es wird langsam dunkel”, fuhr Derya fort. ”Und die Entehrung meines Hauses durch derer Grobhand von Koschtal wurde immer noch nicht gesühnt!”
”Ich stehe zu meinen Worten!” erwiderte Roban und präsentierte seine gezogenen Waffen.
”Aber nicht jetzt” entgegnete Erlan. ”Da die Nacht hereinbricht, wird das Duell bis morgen warten müssen. Die Praiosstunde scheint mir die rechte Zeit zu sein.”
Derya und Grimbart signalisierten ihre Zustimmung.
Gero ergänzte: ”Eure Truppen werdet ihr für das Duell nicht benötigen ... Schickt sie nach Hause.”
”Alleine soll ich kommen?! Dass es mir wie Alrich ergeht? Bestimmt nicht!” warf Grimmbart entrüstet ein.
Ehe Derya etwas erwidern konnte sagte Erlan: ”Jeder soll mit einem Sekundanten und nicht mehr als drei Kämpfern zum Schutz kommen”.
Nach kurzem Gezeter und Unmutsäußerungen, wie sie vor Duellen üblich sind, trennten sich die Parteien im vorläufigen Einvernehmen.
Die beiden Truppenverbände zogen sich in entgegengesetzter Richtung in die Dunkelheit der Nach zurück, während die zurückbleibende Gruppe der koscher Adeligen ein Nachtlager vorbereiten ließ und einen Boten zu Eckbart von Hirschingen schickte.