Rondrolfs Reise: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 3. Juni 2017, 16:21 Uhr
Teil 2 der Briefspielgeschichte: Grafenhochzeit
Briefe aus Ibeck | Aus dem Tagebuch der Dankhild von Salzmarken |
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt ... etwas wehmütig dachte Rondrolfan diese ersten Schritte zurück. Seine erste wirklich lange Reise hatte ihn bis in
die Weidener Sichelwacht geführt, zum Zweck einer Brautwerbung. Nicht für die
eigene Familie, aber doch in deren Interesse. Hoffte er zumindest.
Als das Gesuch aus Grauensee nach Roterz gelangt war, war er zunächst etwas überrascht gewesen. Die Verbindung zwischen dem Haus Grobhands und den Grafen der Hügellande als locker zu bezeichnen war noch geschmeichelt. Aber immerhin, sein Bruder Roban hatte am Trollecker Feldzug teilgenommen, sein Verwandter Answein war dort sogar als Held gefallen. Einige andere Verwandte hatten ihre Lehen in den Hügellanden, aber damit hatte es sich auch. Aber derlei Verbindung wohl genug, um ihren Beistand bei der Brautwerbung im fernen Weiden zu bitten.
Auch wenn sein Vater, der Baron von Roterz, nicht gerade ein Freund des Grafen Wilbur war, hatte er Rondrolf damit beauftragt, das Anliegen zu unterstützen, und zwar persönlich. „Diesem Bübchen tut es nur gut, endlich unter die Haube zu kommen“, hatte er geschnaubt. „Vielleicht wird dann noch ein anständiger Herrscher aus ihm!“ Also hatte Rondrolf seine Sachen gepackt, ein kleines Gefolge ausgewählt, und war aufgebrochen.
Sein erster Weg hatte ihn nach Moorbrück geführt, zu seinem Bruder Roban. Immerhin hatte der sich um die Familie vom See verdient gemacht, und wenn er auch nicht gerade der Experte in Sachen höfliches Auftreten war, so war er garantiert eine schlagkräftige und zuverlässige Reisebegleitung.
Die Begrüßung im moorbrückschen Hohentrutz war warmherzig gewesen, auch wenn Rondrolf sich gefragt hatte, wie diese Ansammlung ärmlicher Katen ihnen einen Baronstitel hatte eintragen können. Als er dann aber sein Anliegen vortrug, hatte Robans Gesicht die Farbe eines Hahnenkammes angenommen. Getobt hatte sein Bruder, und wäre Blut nicht dicker als Wasser, Rondrolf hätte die Nacht wohl im Moor zubringen müssen. Genau verstanden hatte nicht, welchen Zwist Roban mit dem Grafen Wilbur verband, aber die Abfuhr war überdeutlich und derart blumig formuliert, dass Rondrolf gar nicht erst versuchte, ihn umzustimmen. Robans Dickkopf konnte gut und gern als Belagerungsgerät durchgehen, und so viel Zeit, ihn ausreichend zu bearbeiten, hatte Rondrolf nicht.
So war er noch mal in sich gegangen und war in Gedanken die Liste der weiteren Verwandtschaft durchgegangen, die ihm als Begleiter brauchbar erschienen. Vetter Streitbald war sicherlich geeignet, sowohl vom Auftreten wie auch seiner Schlagkraft, aber als Offizier in kaiserlichen Diensten war er vermutlich auf die Schnelle nicht abkömmlich. Zudem wusste Rondrolf nicht einmal, wo er sich herumtrieb, wohin er sein Schreiben also schicken sollte. Rondramin und Anglinde wären ebenfalls in Frage gekommen, aber Onkel Nottel ließ seine letzten noch lebenden Kinder ungern ziehen, wenn er nicht musste. Außerdem waren die beiden in höfischen Dingen vollkommen unbeschlagen und hatten die Koscher Lande auch nur selten verlassen.
Blieb Rodgrimm. Rondrolf hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, nur gehört, dass er sich wohl als Turnierkämpfer herumtrieb, mit mäßigem Erfolg in den Schranken. Aber immerhin, durch die häufige Teilnahme an Turnieren würde Rodgrimm sich sowohl zu benehmen wie auch zu kämpfen wissen, also schickte er ihm bei nächster Gelegenheit ein Schreiben.
Und tatsächlich tauchte der lang vermisste Vetter am vereinbarten Treffpunkt auf, freute sich sichtlich über das unverhoffte Wiedersehen und die noch unverhofftere Reise. Und auch Rondrolf freute sich ehrlich über die Begleitung, die ihm die lange Zeit bis zur Sichelwacht etwas kürzer gestalten sollte.
Aber auch mit Rodgrimm war das Reisen nicht so unbeschwert, wie er gehofft hatte. Zwar war der Jungspund ein durchaus angenehmer Weggefährte und erzählte ausgiebig von seinen bisherigen Reisen, doch allzu oft ging er nach der abendlichen Einkunft der Gesandtschaft seiner Leidenschaft für hübsche Frauen nach, ungeachtet ihres Standes. Rondrolf hörte auf zu zählen, wie oft er den Vetter morgens im Bett einer Stallmagd oder eines Dienstmädchens fand, und wollte gar nicht wissen, wie viele Bastarde er auf seinen Reisen schon über halb Aventurien verstreut haben musste. Wie man mit derlei Blutsverwandtschaft den Ruhm des Hauses Grobhand mehren sollte, das wusste wohl Praios allein.
Aber jetzt hatte man Sichelwacht und die Burg Aarkopf erreicht, das Ziel der Reise. Besonders beeindruckend hatte er die Grafschaft nicht gefunden. Mochte man auch durch die blühenden Landschaften am Großen Fluss und dem Angbarer See etwas verwöhnt sein, aber die zahlreichen doch eher kleinen Orte, die man passiert hatte, eigneten sich wohl kaum dazu, Durchreisende ernsthaft zu beeindrucken. Sie waren zwar sauber und viele Bewohner wirkten, als hätten sie es zu bescheidenem Reichtum gebracht, dennoch blieben sie unbedeutend und wirkten reichlich provinziell. Ob die Tochter des Herrschers einer solchen Gegend wirklich eine gute Partie war, wagte er zu bezweifeln.
Als er dann vor dem Grafen Bunsenhold selbst stand, wurden die Zweifel sogar noch bestärkt. Seine Hochwohlgeboren wirkte so finster wie der Bösewicht aus einem Märchen, als er Rondrolf mit seinem stechenden Blick musterte. Fast hätte man glauben können, er frage sich gerade, ob man den Fremden lieber mit Klößen und Bratensosse oder doch besser mit dunklem Brot und Kräuterkruste servieren sollte, ehe er ihn zum Sprechen aufforderte.
Binnen Sekunden warf Rondrolf jegliche Beschreibung der Kultiviertheit und Gelehrsamkeit des Grafen über Bord. Mit derlei Qualitäten würde man hier bestenfalls Spott ernten. Also improvisierte er. Er sprach von den militärischen Leistungen des Grafen Wilbur, der Eroberung der Burgen Zwietrutz und Trolleck, die als zwei der stärksten der Koscher Lande galten, an seine Härte gegenüber den Feinden, seinen persönlichen Mut und Todesverachtung. Dann berichtete er von seiner Macht als Herr über gleich zwei Grafschaften, vom Reichtum des Landes und der strengen wie gerechten Führung des Grafen. Innerlich hoffte er, dass keines dieser Worte jemals bis an Robans Ohren gelangte – der würde ihn vermutlich dafür erwürgt haben!
Eine wirkliche Regung bemerkte er im schmalen Gesicht seines Gegenübers zunächst nicht, doch dann spielte ein dünnes Lächeln um die Lippen des Grafen der Sichelwacht. „Sehr schön, Herr Grobhand von Koschtal“, murmelte er im Ton eines Mannes, der mehr als nur einen Hintergedanken hatte. „Sehr schön!“