Dohlenfelder Thronfolgestreit - Angronds Schlachtlinie
Teil der Briefspielgeschichte "Dohlenfelder Thronfolgestreit"
Dohlenfelder Thronfolgestreit - Blich aus dem Lazarett | Dohlenfelder Thronfolgestreit - Bei Hagens Reiterei |
Die Schlachtlinie des Heeres des Barons Angrond – der verwundet im Perainetempel zu Dohlenfelde auf den Ausgang der Schlacht wartete, die über sein Schicksal entscheiden würde – stand noch längst nicht so, wie sich das die Befehlshaber der einzelnen Kontingente vorstellten. Baron Garmwart von Quakenbrück, der neue Heerführer, hatte seine Unterführer angewiesen, für Ordnung in den Linien zu sorgen. Seit mehreren Minuten wurde ein Befehl nach dem anderen wurde gebrüllt, „Ausrichten!“ und „Ein verdammter Pissbogen ist das!“ hallte es vielfach am Nordende des Schönbunder Grüns wider.
Der Landwehrarmbrustschütze Odwin Trollmann, der in der ersten Reihe stand, machte genau den Schritt nach Vorne, den er gerade erst vor wenigen Augenblicken zurück gemacht hatte. Zum zigsten Mal, so zumindest kam es ihm vor. Immer hin und her. Aber wenn es seine gestrenge Weibelin so haben wollte, sollte es ihm recht sein. Odwin war stolz darauf, als Armbruster in der Landwehr seiner Baronie zu dienen. Von Beruf war er Müller, wie sein Vater und sein Großvater und sein Urgroßvater, der die Mühle erbaut hatte. Da er als Ältester die Mühle dereinst erben würde, diente er, wie es sich gehörte, für seine Familie in der Landwehr. Beim Schützenfest hatte er vor zwei Jahren den dritten Platz gemacht, was die Mädchen im Dorf schwer beeindruckt hatte, war er doch der einzige Junggeselle auf dem Siegerpodest gewesen. Im nächsten Frühling würde er Adelgard heiraten. Bislang hatte er sich nur noch nicht getraut, der hübschen Tochter des Küfers den Hof zu machen. Beim Erntedankfest dieses Jahr aber sicherlich, das hatte Odwin sich geschworen.
Odwin überprüfte seine gute Armbrust, die zuhause ihren Ehrenplatz an der Wand der Wohnstube hatte. Ein feiner Riss an der Unterseite machte ihm ein wenig Sorgen, es schien Feuchtigkeit in das Holz gedrungen zu sein. Aber diese Schlacht würde die Waffe sicherlich noch überstehen. Eine gute halbe Meile entfernt sah der Landwehrarmbrustschütze die Reihen, die für Baron Hagen stritten. Ob die Schlacht lange genug dauern würde, dass er in den Nahkampf müsste? Als Schütze war es seine Aufgabe, auf die gegnerischen Reihen vorzurücken, ein paar Bolzen abzuschießen und dann die nachrückenden Spießer und Schwertschwinger durchzulassen, auf dass diese die Gegner niederringen würden. Erst dann war es an ihm und den anderen Schützen, die Seitenwaffen zu ziehen und dem angeschlagenen Feind den Rest zu geben.
Und dabei würde ihm dieses Langschwert, das er im Markt Dohlenfelde an der Stelle des feigen Hinterhalts im Staub gefunden hatte, gute Dienste leisten. Es handelte es sich offensichtlich um eine kostbare Klinge, der Griff stellte den fein ziselierten Leib einer Löwin dar, aus deren Maul die Klinge stieß. Odwin hatte das Schwert während einer kurzen Rast im Marktort im Staub liegen sehen, es rasch aufgehoben und in seine Schwertscheide gesteckt, ohne dass es jemand bemerkt hätte. Eine großartige phexische Fügung, das war es! Sein eigenes Schwert hatte er nämlich am Vorabend beim Würfeln gegen einen dieser Söldner verloren. Aber das neue Schwert lag so exzellent in der Hand, dass er der schartigen Klinge seines Onkels nicht sonderlich hinterher trauerte.
Die Weibelin schritt kritischen Blicks die Schützenlinie der Landwehrkämpfer ab: „Landwehrmann Trollmann, alles gefechtsbereit?“ Odwin präsentierte die Armbrust, zog den Bauch unter dem Kettenhemd seines Vaters ein und zurrte den Lederhelm fest, dann antwortete er, zackig wie ein Wehrheimer: „Jawoll, Frau Weibel!“ Die Unteroffizierin zeigte auf den Knauf des Schwertes, das er vor vielleicht zwei Stunden gefunden hatte, und hob kritisch die rechte Augenbraue: „Ein schickes neues Schwert hast Du da, Trollmann. Ist das Deines?“ Ein kurzen Augenblick überlegte Odwin, dann antwortete er: „Jawoll, Frau Weibel! Gestern Abend habe ich es beim Würfeln gewonnen!“
Grinsend schüttelte die Weibelin den Kopf und ging zur Armbrustschützin zu Odwins Linken weiter. Was für ein elendiger Sauhaufen, der am Vorabend einer Schlacht seine Waffen verspielte, dachte sie für sich.
Die Reserve von Angronds Heer war als Nachhut über die Dorinbrücke auf das Schlachtfeld angerückt.
Der Edle von Schrazelroth beobachtete den Aufmarsch dieser. Ungeordnet, aber dennoch geordneter als einige andere, rückte die Eisenhuetter Landwehr an ihre Plätze, dabei hatten die Weibel alle Hände voll zu tun ordentliche Reihen zu bilden.
Der Blick Darians wanderte weiter und blieb an den Söldnern hängen. Dort war ein gänzlich anderes Bild zu sehen, als vorher bei der Landwehr. Die Hellebardiere standen sauber in Reih und Glied, genauso wie sie auch marschiert waren. Bald würde sich zeigen, ob sie ihren Sold wert waren, hatten sie diesen doch bisher recht einfach verdient.
Bei der Reiterei der Söldner war sich Darian allerdings sicher, dass sie jeden Heller wert waren. Die Rösser tänzelten leicht, da sie die Anspannung der Landwehrmänner spürten, die Reiter dagegen waren die Ruhe selbst. Dem Lîfsteiner kam das Bild eines schweren Steins in den Fluten eines kleinen Baches in den Sinn, nur dass dieser Stein bald Tod und Verderben in die Reihen der Gegner tragen würde, sobald der Befehl kam.
Bei diesen Gedanken wanderten Darians Augen in Richtung des gegnerischen Heeres. Hagen hatte sich eine gute Position auf dem Schlachtfeld ausgesucht. Sein Heer würde bergab angreifen und er würde die Sonne im Rücken haben, falls diese die dichte Wolkendecke durchbrechen sollte.
Doch diese Vorteile waren nichtig, sollte irgendein Ritter in Hagens Heer, ohne Befehl angreifen, dann könnte die Schlacht schnell vorbei sein. Allerdings gab es das Problem auch in Angronds Heer und Darian fielen auf Anhieb ein paar Ritter ein, die dafür in Frage kommen könnten.
Hagens linke Flanke allerdings machte Darian ein wenig Sorgen. Die Kämpfer dort sahen nicht so ungeordnet aus, wie die Landwehr auf Hagens rechter Flanke. Alleine an dieser Tatsache ließ sich festmachen, dass es sich hier um professionelle Kämpfer handelte und das könnte, unter Umständen, ordentliche Probleme für Angronds rechte Flanke bedeuten.
„Eine Schlacht ist immer etwas besonderes, insbesondere wenn es sich um eine handelt, bei der die Reiterei im Zentrum steht.“ Dartan di Salsavûr der Condottiere der Söldnereinheit ‚Schwarze Adler’ war neben den Edlen aus Eisenhuett geritten, während dieser in Gedanken versunken war.
„Im Lieblichen Feld würde so was sehr schnell bestraft werden, spätestens wenn die Reiterattacke im Pikenwall hängen bleibt. Zu der Landwehr brauche ich nichts zu sagen, Bauern haben nichts auf einem Schlachtfeld zu suchen!“
Die Worte des Condottiere brachten Darian wieder zum Lächeln, bevor er antwortete. „In den Nordmarken läuft das eben anders. Hier haben Ritter noch das Sagen in der Schlacht. Was die Landwehr angeht, gebe ich dir allerdings Recht.“
Gerion Gerdenwald, der Hauptmann der Hellebardiere hatte sich zu den beiden Rittern gesellt. Ohne sein Blick von Hagens linker Flanke abzuwenden, sprach Darian weiter: „Unsere Gegner scheinen da der gleichen Meinung zu sein. Schau dir mal die linke Flanke von ihnen. Die Truppen dort sind mit Sicherheit keine Landwehr, keine Landwehr hat so viel Disziplin.“ Jetzt schauten beide Horasier ebenfalls zu der genannten Flanke. Ein kurzer Blick genügte und die beiden waren der gleichen Meinung wie Darian.
Erst jetzt wandte der Edle seinen Blick ab und schaute Gerion an. „Rücke mit den Hellebardieren weiter auf unsere rechte Flanke. Ich vermute, dass wir die Männer am ehesten dort brauchen werden. Unsere Landwehr wird den professionellen Kämpfern nicht viel entgegen zu setzen haben.“
Der Hauptmann der Schwarzen Adler nickte, wendete sein Pferd und ritt davon um die Befehle an seine Männer weiter zu geben.
Dartan hatte sich, auf seinem Sattelknauf aufstützend, in seinem Sattel aufgerichtet. „Wer führt die Flanke denn an und vor allem, wer sind die drei Rindviecher, die da im Sessel unsere Schlachtlinie beobachten?“
Darian musste ob der Worte seines Nebenmanns laut lachen, was ihm einige Blicke der vorbeiziehenden Landwehr einbrachte. „Rindviecher? Das sind die Vögte von Fuchsgau und Arraned, sowie der Baron von Eisenstein.“
In den Worten des Edlen schwang ein wenig, gespielte, Entrüstung ob der Bezeichnung der Männer mit.
„Ja was sind sie denn sonst? Solche Arroganz habe ich nicht mal in meiner Heimat gesehen und dass will schon was heißen.“ Die Augen des Condottiere funkelten böse und ein grimmiges Lächeln erschien in seinem Gesicht. Jetzt schaute er Darian an. „Die sollen nur mit ihren Kämpfern kommen, was die Landwehr nicht aufhält werden meine Jungs und Mädels aufhalten. Dann wollen wir mal schauen, ob die hochherrschaftlichen Herren dann immer noch so arrogant und herablassend sind.“
Der Lîfsteiner musterte seinen Nebenmann. „Der Herr von Eisenstein ist dafür bekannt, dass er sich schnell Freunde macht. Wenn er sich selbst Horasier so schnell zum Feind macht, dann muss da wohl was dran sein.“ Darian lächelte nun ebenfalls grimmig. „Dann wollen wir mal unsere Position einnehmen und den Beginn der Schlacht erwarten.“
Neben ihm nickte der Condottiere, während sich ihre Rösser in Bewegung setzen und sie sich den Reihen der berittenen Söldner näherten, die sie anführen würden.
In Koromar Leuenhardts Hochgefühl ob des bevorstehenden, rondragefälligen Aufeinanderprallens zweier Heerhaufen mischte sich Sorge: Gar zu finster waren die Blicke, die sein Schützling die halbe Meile hinüber auf die andere Seite des Schlachtfeldes sandte. Und der landlose Ritter aus Urbeltor wusste gut, wem diese zornigen Pfeile in erster Linie galten.
Halblinks hinter Baronin Deryas Streitross hatte der in die unverkennbaren, abgeschossenen Hirschenauer Farben gewandete Krieger das seine positioniert. Mit Tsafried, seinem Knecht hatte er Rambert an diesem Morgen die geliehene Rüstung angelegt. Den Rappenhengst hatten sie in den vergangenen Wochen wieder an den schweren Schutz gewöhnt, und Koromar hoffte, dass sein treues Reittiert dank dessen den Kampf ohne Blessuren überstehen würde.
Wichtiger aber als dies war ihm der Schutz Ihrer Hochgeboren von Tommelsbeuge. Mit ihr hatte er in der Vergangenheit schon einige gefahrvolle Ereignisse durchlebt. Doch die damalige Leichtigkeit und Unbeschwertheit fehlte ihr jetzt.
Der Zellner fürchtete darob, sie könne sich durch den heißen Zorn zu Leichtsinn verleiten lassen, der mit neuer Flamme in ihr loderte seit dem feigen Attentat, das beinahe ihren geliebten Bruder zu Boron geschickt hätte. Was, wenn Derya beschlösse, mit dem Angriffsbefehl Garmwarts in geharnischtem Furor loszupreschen, um den verhassten Bruder geschwisterlichen Zorn spüren zu lassen? Dann würde er ihr wohl folgen müssen, sinnierte Koromar, mitten hinein in den am besten geordneten Haufen auf der Gegenseite.
Zumindest wollte er verhindern, dass sie mit einem namhaften Adeligen aneinander geriete. Er wusste nicht, wer nun letztlich alles auf der anderen Seite ritt. Doch es wäre nicht gut, wenn Derya in ihrem Zorn auf einen bekannten Baron träfe, diesen womöglich schwer verletzte – oder gar selbst leiblichen Schaden nähme. Deshalb stand Ritter Koromar bereit, mit Lanze, Schild und Streitkolben ihr Leben zu verteidigen – und sie von leichtsinnigen Geplänkeln mit den falschen Gegnern abzuhalten.
Unter der matt lackierten Rüstung schwitzte der Ritter von Liobas Zell dank des bewölkten Himmels nur wenig. Trotzdem hatte er das Helmvisier noch aufgeklappt. Fraglos hätten ihn die meisten am springenden goldenen Hirsch auf Schwarz ohnehin erkannt. Selbst oder vielleicht gerade Angronds Stepahan-Verbündete, die womöglich gar bei einem Scharmützel wie dem am Kustran-Hof auf der Gegenseite gestanden waren.
Er ließ den Blick über die rund um Garmwart und Derya versammelten Ritter schweifen. Viele bekannte Gesichter waren zu sehen, und die Gründer für ihren Aufritt auf Seiten Angronds waren vielfältig. Gerne hätte Koromar noch einige Worte mit dem einen oder anderen gewechselt, doch jetzt war keine Gelegenheit mehr: Jeden Augenblick konnten die Heerführer das Zeichen zum Bereitmachen geben lassen. Die Praiosstunde der Entscheidung war angebrochen.