Ein einfacher Auftrag - Vorbereitungen Teil 2
Teil der Briefspielgeschichte Ein einfacher Auftrag
Vorbereitungen Teil 1 |
Auch im Lager der Galebqueller ging es kaum anders zu. Roklan hetzte im Eilschritt vom Zelt seines Lehnsherrn in Richtung seines eigenen. Gedanken fetzten wie ein Schwarm Vögel unstet durch seinen Kopf. Doch der junge Galebqueller nahm sich jetzt nicht die Zeit, diese zu sortieren. Stattdessen stürmte er in sein Lager, seine Knappen hatten Mühe, ihrem Knappenvater zu folgen. Beinahe rannte Roklan Koradin von Rothammer, den Edlen von Niederwiesen, über den Haufen. Der konnte gerade noch beiseite springen, bevor er gemeinsam mit seinem Lehnsherrn im Dreck landete. Noch nicht beim Zelt angekommen, hieß Roklan Wunnemar Bodar von und zu Hornisberg zu rufen, während Travin Jolenta von Galebfurten herbeizitieren sollte. Und schon wenige Augenblicke später hatten sich die beiden hohen Herrschaften im Zelt des Barons eingefunden. Roklan soff Wasser aus einem Kelch, das Nass rann seine Kehle wie ein Sturzbach herunter. Warm war es in diesem Sommer, drückend und trocken lag die Hitze über dem Land und seinen dauerhaften und momentanen Bewohnern. Und insbesondere die in Metall gerüsteten Ritter und Soldaten wurden arg durch Praios allsehendes Auge gebeutelt, schier gekocht wie ein horasischer Hummer. Doch Roklan hatte sich schon zu sehr an den Zustand eines gar werdenden Nahrungsmittels gewöhnt, als dass er sich jetzt noch darüber aufregen würde. Staub und Schweiß waren dieser Tage die ständigen Begleiter eines jeden Adligen und wer hoffte, auf dieser Fahrt hoher Minne frönen zu können, wurde rasch durch beiderseitige olfaktorische Wahrnehmung auf den – staubigen – Boden der – stinkenden – Tatsachen zurückgeworfen. Auch die beiden galebqueller Junker gehörten zum Trupp Ritter, die auf diesem Kriegszug einige Einbußen was angemessenen Lebensstand anbelangte, hatten hinnehmen müssen. Junker Bodar von und zu Hornisberg war ein Mann, der die Zurückgezogenheit seines abgeschiedenen Gutes liebte. Zu selten war er aus eigenem Antrieb im Tiefland und jetzt wurde er gar dazu gezwungen, die albernischen Moore zu bereisen. Obzwar er hoch aufragte und eine sehnige Gestalt war – gerüchteweise stählte der Junker aus den Koschbergen seinen Leib durch harte morgendliche Übungen – so wirkte er doch wenig ritterlich neben seiner Standesschwester. Unter seinem grünen Wappenrock mit den fünf einen wehrhaften Kreis bildenden Hornissen trug er lediglich einen geschwärzten oder schwarzen Lederpanzer, dessen einzelne Bestandteile leise aneinander klapperten. Leder? Trugen die nordmärkischen Ritter nicht ihrem Stand angemessene Platte oder Kette? Mit seiner großen, scharf geschnittenen Nase musterte der beinahe kahlhäuptige Junker seien Baron. Auch die kräftige Junkerin von Galebfurten und Quellpass betrachtete den jüngeren Hochadligen erwartungsvoll. Ihre scharfen Gesichtszüge und das dichte, strohblonde Haar wirkten erstaunlich maskulin, betont durch ihre Leichte Platte, den Waffenrock in Gold und Blau mit dem Wappen der Galebfurten, und den Nasalhelm, den sie unter der Schulter eingeklemmt mit sich herum trug. In kurzen und knappen Worten, als habe Satinav Roklan nur noch sehr wenig Zeit gewährt, erläuterte Roklan seinen beiden rechten Händen – oder vielmehr seiner rechten und seiner linken Hand – was im Zelt des Grafen vorgefallen war und dass er nun mit einem ihm unbekannten koscher Baron auf eine mit Sicherheit gefährliche Mission marschieren musste. Mehr noch, er musste diese anführen! Jolenta grinste. „Seine Hochwohlgeboren testet Euch, Baron.“ erklärte sie mit ihrer stets ein wenig kalt klingenden Stimme. „So, meint Ihr?“ hakte Roklan nach und stellte mit seiner linken Hand den Kelch auf den Tisch zurück. Seine Junkerin nickte. „Mit Sicherheit, bei Praios! Der Graf möchte, dass Ihr Euch beweist. Aber er möchte auch, dass die Mission nicht schief schlägt. Weshalb er Euch den Baron Sindelsaum an die Seite stellte.“ „Was wisst Ihr über den Baron von Sindelsaum?“ Roklan streckte seine Beine aus und dann seine Arme. Diesmal war es Bodar, der antwortete. Mit erhabener Ruhe stand er an seinem Fleck und verschränkte die Arme locker vor der Brust. „Nicht viel. Bis vor kurzem noch ein Ritter aus der Baronie Hügelland, die später in Birnbrosch und Sindelsaum aufgeteilt wurde. Nach einem erstaunlich koscheren Wettkampf in verschiedenen eher harmlosen Disziplinen obsiegte er gegen seinen Konkurrenten Thalian Has von Hügellsaum und wurde daher zum Baron von Sindelsaum erhoben. Konnte sich in der Schlacht von Angbar beweisen und auch bei der Suche nach dem durchlauchten Prinzenpaar.“ Roklan hob die Hand und Bodar verstummte. Der Baron schenkte seinem Lehnsmann ein Lächeln. „Danke, das soll mir fürs Erste genügen. Ich werde Seine Hochgeboren schon noch kennenlernen.“ „Wen werdet Ihr mitnehmen?“ stellte Jolenta die eigentlich wichtige Frage. Roklan antwortete wie aus der Balestrina geschossen und verlagerte das Gewicht seines Oberkörpers auf seinem Klappstuhl von der linken auf die rechte Seite. „Leodegar von Zweifelfels, Giselher von und zu Hornisberg und die beiden Gemeinen Rondmar und Alder Tannhäuser. Ich brauche einen beweglichen Trupp, schnell und eingespielt. Daher diese Wahl. Ich werde sie gleich informieren und gemeinsam werden wir uns ausrüsten.“ Roklan fuhr sich mit seiner Hand mit den langen, starken Fingern durch das dichte, kurze dunkelbraune Haar und wandte sich dann direkt an Jolenta von Galebfurten. Sein junges Gesicht, das sonst schon allein durch die feinen Grübchen an den Mundwinkeln fröhlich wirkte, war nun ernst. „Jolenta, während meiner Abwesenheit habt Ihr das Kommando. Niemand sonst. Ich vertraue Euch.“ Die Junkerin schlug sich mit der rechten Faust auf die Herzgegend. Den Rest des Tages verbrachte gerade der ausgewählte Trupp des Barons damit, die für den Einsatz notwendigen Utensilien zusammen zu tragen. Die Pferde wollten gepflegt werden. Verbandszeug, Pfeile und Bolzen, Vorräte und noch vieles mehr verschwanden in den bald prall gefüllten Satteltaschen. Wieder und wieder kontrollierte Roklan, ob auch alles vorhanden war, was möglicherweise während des Rittes über Sieg oder Niederlage entscheiden konnte. Und doch – er hatte ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben…