Im Kreis der Familie - Zu Gast im Dachsbau

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Autor: Bardostein

Dachsbau, 1028

Bardo wusste nicht so recht, was er von der Einladung in den ‚Dachsbau‘ halten sollte. Die Sindelsaumer waren ihm kaum bekannt, denn nach dem frühen Tod der Mutter hatten sie nicht mehr viel mit der mütterlichen Linie zu tun gehabt. Er wusste also nicht, was ihn erwarten würde, wenn er die Verwandtschaft nach langer Zeit wiedersähe. Würde man ihn freudig willkommen heißen, versuchen, ihn für eigene Intrigen und Machtkämpfe einzuspannen, oder ihn gar den Weisungen des Familienoberhauptes zu unterwerfen versuchen? Von den alten Adelshäusern des Mittelreiches hätte man solches zu erwarten, doch das Haus Sindelsaum war nicht älter als die Bardosteins.
Trotz allem war Bardo der Einladung des alten Alderan von Sindelsaum, seines Großvaters, den man auch nach seinem Wappentier den ‚Dachs‘ nannte, bereitwillig gefolgt, denn er war erst wenige Wochen wieder im Kosch und es konnte nicht schaden, schnell Freunde und Verbündete zu finden. Er war zwar nicht ungeschickt im Knüpfen von Kontakten und hatte im Angbarer Geritterhaus bereits eifrig von diesem Talent Gebrauch gemacht, doch er konnte noch nicht einschätzen, wie zuverlässig diese neuen Bekannten waren. Da war ihm die Unterstützung der Familie schon wichtiger, den Blut ist ja bekanntlich dicker als Wasser.
„So, dort ist es“, sagte Bardo und bedeutete Vitus, ebenfalls sein Pferd zu zügeln.
„Wo? Ich sehe hier kein Haus, nur ein paar Hügel und einen Obsthain!“, erwiderte Bardos treuer Begleiter und schaute sich suchend um. Er war Bardo als vorzüglicher Beobachter bekannt, aber als gebürtiger Perricumer und ohne die Kenntnis der Koscher Eigenheiten blieben ihm einige Dinge hier offensichtlich verschlossen.
Bardo schmunzelte daher, als er zurückgab: „Mein treuer Freund, ihr solltet euren Blick etwas schärfen und diese ‚Hügel‘ noch einmal genauer ins Auge fassen, dann erkennt ihr Tür und Fenster. Der Dachsbau ist ein typisches Koscher Hügelhaus, und es freut mich, dass du heute endlich dieses Kleinod Koscher Gemütlichkeit kennenlernst. Zurück in Angbar musst du mich einmal daran erinnern, dass wir einen ausführlichen Rundgang durch Heimeling machen, sonst trittst du einem Zwerg noch einmal aus Versehen in den Schornstein.“
Während sie nach einem Ort suchten, um die Pferde anzubinden, kam ihnen auch schon ein Bediensteter in den Farben des Hauses Sindelsaum entgegen, der die Zügel in Empfang nahm, die Pferde zu einem Trog führte und sie dort anleinte.
Bardo und Vitus gingen nun der Eingangstür entgegen, die sich soeben geöffnet hatte, und in deren hellem Widerschein sich zwei Silhouetten abzeichneten. Einen kurzen Moment wurde Bardo noch einmal mulmig zu Mute, den ihm fielen seine Erfahrungen ein, die er während seinen Seefahrten im Süden Aventuriens gesammelt hatte. Dort waren meist die eigenen Familienmitglieder die ärgsten Feinde und man aß nie zusammen, ohne einen Dolch im Stiefel und ein Gegengift in der Tasche.
Mumpitz, man war hier im guten alten Kosch und man würde sich sicher gut verstehen. Dennoch war Bardo froh, Vitus dabei zu haben, der ihm nicht nur ein enger Vertrauter, sondern auch ein äußerst versierter Leibwächter war.