Der Alagrimm - Predigt
Teil der Briefspielgeschichte "Der Alagrimm"
Der Alagrimm - Kneipengespräche | AAA |
Siebenessen, 06. Boron 1039 BF
Abtei der Heiligen Ilpetta, 07. Boron 1039 BF
Nach der Übernachtung im Freien, aber geschützt durch eine Felswand, klopften Korkron und Tharnax früh an das von ihrem Lager nur eine kurze Strecke entfernte Klostertor. Nach kurzem Warten öffnete sich ein kleines Fenster im Tor und eine junge Zwergin mit braunem Haar und im Gewand einer Angrosch-Geweihten öffnete ein Fenster im Tor. „Angrosch zum Gruß“, begrüßte sie die beiden Zwerge ohne überrascht zu wirken. „Meister Tharnax und Mandatar Korkron. Wir hatten uns schon gefragt, wo Ihr bleibt? Kommt rein, der Abt wartet bereits auf Euch.“ Während die Geweihte, die sich als Darscha, Tochter der Dagrascha, vorstellte offensichtlich mit den beiden Angroschim gerechnet hat, waren diese sehr wohl überrascht, dass man von ihrem Besuch wusste. Auf dem Weg zum Abt staunten sie über die kunstvollen Ausarbeitungen des gesamten Klosters. Jeder Raum, den sie durchschritten, sah anders aus. Die Mauern und Steine waren kunstvoll gehauen, Reliefs und wertvolle Steinarbeiten waren an allen Stellen zu sehen und in Nischen und auf Emporen waren Kunstgegenstände jeder Art zu sehen. Auch die Handwerks- und Kunsträume selbst waren für sich Kunstwerke zu Ehren des Gottes. Beeindruckt durch das Gesehene erreichten sie schließlich das Zimmer des Abtes. „Nehmt Platz und fasst bitte nichts an. Seine Exzellenz wird gleich da sein“, komplimentierte Darscha die beiden in den leeren Raum und verließ ihn dann ohne weiteren Gruß.
Tharnax sah fast ein wenig belustigt zu Korkron hinüber und musste tatsächlich kurz auflachen. “Sehe ich so aus, als hätte ich die Feinmotorik eines Ogers, dem man die Hände mit einem Hammer platt gehauen hat? Wenn die wüsste wie talentiert ich mit den Dietrichen bin, sie hätte uns wahrscheinlich nicht alleine hier zurückgelassen.” Der Angroscho zwinkerte verschwörerisch. Kopfschüttelnd sah sich der Bergvogt infolge genauer im Raum um, dann jedoch hielt er inne. “Spaß beiseite. Kommen wir zu der Frage woher unser Empfang wusste, dass wir ins Kloster kommen?” Tharnax Augen verengten sich. “Das ist der Punkt an dem mich mein Misstrauen daran gemahnt achtsam zu bleiben. Was meinst du? Könnte das eine irgendwie geartete ‘Falle’ sein? ”
„Komisch ist es schon, aber vielleicht habe ich gestern auch etwas zu fest am Stein geschlagen“, antwortete der jüngere Angroscho mit einem Ausdruck, bei dem nicht ganz festzustellen war, ob er dies verschmitzt meinte oder doch ein wenig reumütig. „Wenn wir diesen Stein weiter bearbeiten, wird er uns vielleicht ja weitere Antworten geben.“
Tharnax und Korkron schauten sich in dem Zimmer des Abtes um. Der Raum machte den Eindruck eines nur schwer zu ordnenden Chaos und die Vielzahl an Zeichnungen und Maschinen zeugten wohl davon, dass der Abt im Dienst an Ingerimm und insbesondere an Ilpetta aufging. Auch schauten sich die beiden offene auf dem Tisch liegende Papiere an. Doch konnten sie auf dem ersten Blick keine Informationen finden, die spannend waren oder zum Auftrag Korkrons passten. Als sie von der Tür her Geräusche vernahmen, gingen sie zügig zu ihren ihnen zugewiesenen Plätzen zurück und sahen fast verträumt auf, als der Abt mit einem weiteren Geweihten den Raum betrat.
Angrosch zum Gruß Ihr Herren, begrüßte sie der Abt in einer sehr ruhigen und sympathischen Art.
„Angrosch zum Gruße Exzellenz“, erwiderte der Bergvogt den Gruß. „Ich bin Tharnax, Sohn des Thorgrimm, Bergvogt der Wacht Arxozim. Und dies hier,“ er wies freundlich lächelnd auf den Angrosch an seiner Seite, „ist Korkron, Sohn des Kodorn, Mandatar aus Tosch Mur. Wie wir den Worten eurer Geweihten entnehmen durften, habt ihr uns bereits erwartet?“ Eine Feststellung, aber Tharnax betonte sie wie eine Frage. Es galt zu ergründen wo man stand.
„Ingerimms Esse kennt alle seine Flammen“, antwortete der Abt in verschmitztem, nichtssagendem Ton. „Unmut herrscht in der Gegend“, fuhr er deutlich ernster fort. „Und bis zu einem offenen Zwist scheint es nicht weit. Ich will nicht verhehlen, dass eine Bürde auf Euch liegt, denn Gerüchte gehen um und die Angroschim sind ihr häufiges Ziel. Wahrheit tut Not und ich hoffe, Ihr werdet sie ergründen.“ „Viele Worte“, dachte Korkron. „Habt Dank Exzellenz“, war dann jedoch seine Antwot. „Für meine Aufgabe, das Zusammenleben zu schützen ist Wahrheit eine gute Grundlage. Mögt Ihr uns sagen, was passierte?“ „Angarusch-orom-drosch!“, warf Tharnax zustimmend ein. „Natürlich, Rogelosch Korkron“, antwortete der Abt in ruhigem Ton. „Nehmt gleich an der Mittagsandacht teil. Danach werde ich Euch den Ort zeigen, an dem unsere Geweihte zu Boron ging und Euch wissen lassen, was wir wissen.“ Angetan, dass der Abt das zwergische Wort Sprecher für seinen menschlichen Titel Mandatar wählte, sagte Korkron direkt zu. Der Abt wies sie zur Küche, wo sie frühstücken sollten und benannte die junge zwergische Geweihte als Begleitung.
Die beiden Angroschim nahmen an einer kleinen Tafel Platz und bekamen alsbald ein deftiges Frühstück serviert. Würziger Käse, Blutwurst, aber auch dunkler Honig gehörten dazu. Das gereichte Brot dampfte noch, kam wohl gerade aus dem Ofen und bestand aus anständig gesalzenem Teig, so wie es die Zwerge mochten. Zu trinken gab es nahrhafte Ziegenmilch, bei der der Bergvogt nicht nein sagen konnte. „Ich bin ehrlich gespannt auf die Predigt“, gab Tharnax zwischen zwei Bissen zu verstehen. „Ob der Abt wohl die Geschehnisse darin aufgreift? Ich meine weswegen wir hier sind. Meiner Meinung nach ist es ja löblich, wenn Geweihte sich mit aktuellen Themen befassen, so dass man etwas mit den ganzen Worten anzufangen weiß, die sie gebähren und nicht lange nachdenken muss, welcher Vergleich einem nun was sagen soll.“ Der Bergvogt lachte. „Ich war nie gut in sowas.“
In das Lachen einstimmend gab Korkron Tharnax Recht. Da pflichte ich Euch bei. In Ingerimms Flamme muss man sich erst einmal auskennen, schloss er, sich auf die Bemerkung des Abtes beziehend, seinen Satz. Wenn ich es recht erkenne, bleibt uns noch fast eine Stunde. Sollen wir einen Rundgang durch das Kloster machen. Es interessiert mich schon, was die Bewohner hier an Kunst und Erfindungen geschaffen haben, um Ilpetta zu ehren. Ich war für die Kunst oder auch nur für feine Handwerk leider immer etwas zu grob. Aber wer weiss, vielleicht wird ja ein alter Stein beim Rundgang ein wenig geschliffen.
Tharnax schob sich noch schnell ein Stück Käse in den Mund, bevor er Korkron zunickte, die junge Angroschna um den Weg zur Kapelle fragte und dann gemeinsam mit dem Mandatar einen Spaziergang durch die Abtei begann.
Was die beiden Angroschim zu Gesicht bekamen war eine Vielzahl an ausgestellten Kunstwerken verschiedenster Prägungen. Am interessantesten für den Bergvogt waren aber wohl Steinmetzkunst, sowie Schmiede- und Plättnerarbeiten. Jedenfalls verharrte er bei diesen Arbeiten deutlich länger als bei anderen und würdigte deren Schöpfer mit andächtigem Schweigen und Bewunderung. Ganz besonders hattes es Tharnax aber jenes prächtige Schild angetan, welches Arombolosch der Abtei gestiftet hatte und auf deren Wehr man die Schlacht des Himmelsfeuers sah- Die tapferen Zwergen im Kampf gegen den Goldenen Drachen Pyrdrakor.
Einige Zeit verbrachten sie mit den Kunstwerken und Erfindungen, entweder stillschweigend oder auch über die künstlerischen Techniken philosophierend. Dann begaben sie sich langsam in den Altarraum des Klosters. Dort angekommen waren sie über die Ausstattung des Tempelraums erstaunt und nahmen dann auf einem einen Amboss nachempfundenen, metallenen Sitz Platz. In der nächsten Zeit füllten sich die Plätze. Neben einigen offensichtlichen Klosterbewohnern hatten auch weitere Messebesucher den Weg zum Kloster gefunden. Unter ihnen waren auch Valka, die versuchte, Korkron zu ignorieren, und ihr Bruder. Während der Mandatar ein starres Gesicht machte, konnte man in seinen Augen dennoch erkennen, dass ihm der Besuch der beiden unangenehm war. Insgesamt zählten die beiden Angroscho 35 Besucher, als Darscha gemeinsam mit dem Abt Angbart von Unterangen den Tempelraum betrat. Die Zeremonie begann kurz darauf und mit einem zeremoniellen Hammerschlagen standen alle für das Eingangsgebet zu Ehren Ingerimms auf. Tharnax und Korkron waren dabei fast die einzigen Zwerge und durch den gewählten Platz, nicht in der 1. Reihe, konnten sie nicht erkennen, was am Altar vor sich ging. Erst als sie sich wieder setzen konnten, konnten sie den Aktivitäten am Altar wieder folgen. Nach einigen liturgischen Akten, die mit einigem Zeitaufwand die Sieben Künste Ingerimms darstellten, folgte anschließend eine zeremonielle Darstellung einer Erneuerung zu Ehren von Simia, dem Sohn Ingerimms. Korkron, der sich selbst als fest angroschfürchtig beschrieben hätte, überlegte bereits, wie er unauffällig die Messe verlassen könnte. Dann jedoch forderte Angbart wortlos dazu auf, sich wieder zu erheben und begann mit seiner Predigt: „Vater Ingerimm und Sohn Simia, Feuriger und Erneuerer. Ihr seid die Kräfte Deres. Ihr schafft und erarbeitet.“ Nach einem tiefen Durchatmen wendete sich der Abt von den traditionellen Einstiegsworten zu seinem wohl eigentlich geplanten Thema. „Anseika, Deine Tochter, wurde aus Simias Gemeinschaft und Erneuerung gerissen. Das Bauen und Schaffen setzt sie nun bei Dir fort. Doch warum hat sie den Weg in Ingerimms Hallen beginnen müssen und wer setzt sich dem Zorn der 12 aus und sorgte für den Beginn ihres Weges.“ Da die Geweihte, die für Korkron nun endlich einen Namen hatte, bereits einige Tage tot war, ging Korkron davon aus, dass die Bewohner der Abtei und wahrscheinlich auch die Siebenessens diese Worte bereits vorher schon gehört hatten. Der Abt sprach in eindringlichem Ton weiter: „Anseika ist nun fort, doch die Aufgabe der auf Dere verweilenden ist geblieben. Doch Ingerimm mag es nicht, wenn eines seiner Werke zerstört wird. Und so ist es auch an uns, diejenigen zu finden, die Anseika von uns genommen haben. Und so ist es auch an uns, Unterstützung zu bieten. Unterstützung für diejenigen, die den Tod von Anseika aufklären. Und so ist es auch an uns, keine Ängste und Vorurteile zu schüren, die den Frieden in Gefahr bringen“. Korkron und Tharnax atmeten durch. Ihre Position inmitten des größeren Publikums, ohne direkten Blick auf den Altar war unangenehm. Und so waren die Worte, die um Unterstützung für die beiden baten, wohltuend. Doch Angbart schien noch nicht fertig. Nach einer längeren Pause fuhr er weiter fort: „Doch, liebe Gottesfürchtige, liegt auch Verantwortung bei denen, die Borons Wege sichtbar machen wollen. Und so liegt es an Ihnen, mit Praios Gerechtigkeit und Travias Milde zu agieren. Und so liegt es an Ihnen, keinen Unmut zu schüren und Wasser auf die Mühlen alter Zwiste zu lenken.“ Korkron merkte, wie das Blut in seinen Kopf strömte. Er schaute zu Tharnax, der weiter völlig ungerührt auf den Rücken seines Vordermannes schaute. „Und so liegt es an Ihnen, ihre Rolle zu kennen, die Simias Gemeinschaft herstellen soll, anstatt sie zu trennen. Vater Ingerimm und Sohn Simia, habt Acht auf und unterstützt die Euren und lasst unser begonnenes Werk gelingen.“ Endlich endete die Predigt des Abtes. Als sie wieder saßen, übernahm Darscha den Rest der Messe und führt die traditionellen Zeremonien durch, bei denen auch der Abt sitzen ließ. Korkron fühlte sich nach der Predigt etwas aufgewühlt. Zum einen hatte Angbart schon um Unterstützung seiner Arbeit gebeten. Zum anderen hatte er aber ihm und auch allen Bewohnern ganz deutlich gesagt, dass er dabei keine groben Vorgehensweisen akzeptieren würde. Korkron nahm sich vor, heute Abend in ein Zwiegespräch mit Angrosch gehen zu wollen. Er schaute noch einmal nach Tharnax. Doch dieser folgte weiterhin ungerührt der Messe, offensichtlich versunken in seine eigenen Gedanken.