Nisper Gewisper - Ankunft auf Nispe: Unterschied zwischen den Versionen
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Es war zur Mittagszeit, als Stordan in polierter Gestechrüstung auf seinem treuen Schlachtross Jolante IV. die Wasser des Sees erreichte, wo das Boot nach Nispe bereits auf ihn wartete. In seinem Gefolge ritten die beiden „Waffenknechte“ Jorm und Nottel, der eine Stallknecht, der andere | Es war zur Mittagszeit, als Stordan in polierter Gestechrüstung auf seinem treuen Schlachtross Jolante IV. die Wasser des Sees erreichte, wo das Boot nach Nispe bereits auf ihn wartete. In seinem Gefolge ritten die beiden „Waffenknechte“ Jorm und Nottel, der eine Stallknecht, der andere Diener. Jedenfalls bis heute Morgen. Sie mühten sich, die Ausrüstung des tapferen Ritters zu transportieren, doch die an den Elenvinern festgezurrten Kriegslanzen entwickelten scheinbar ein Eigenleben, sodass beide Burschen ihre liebe Mühe hatten, die Stuten auf der Straße zu halten. Mit offenem Visier saß der alte Kämpe in den Sattel gestützt auf seinem Schlachtross und spähte aufmerksam umher. Irgendetwas stimmte nicht und phexverflucht, er würde herausfinden, was das war! Grimmig fasste Stordan den Knauf seines Schwertes Halladir, einst in den Schmieden Thorwals für seinen Vater geschmiedet. Die folgende Bootsfahrt in voller Gestechrüstung muss wohl ein Anblick gewesen sein, den nicht nur Nottel und Jorm amüsant fanden, jedenfalls war Stordan froh, als die Barke endlich am Steg festmachte und er seinen alten Freund Ermst am Ufer stehen sah. | ||
Version vom 8. Juli 2010, 10:44 Uhr
Teil 1 der Briefspielgeschichte: Nisper Gewisper
Nisper Gewisper - Zwischenspiel |
Eine Schar Koschammern flatterte fröhlich zwitschernd über das Ufer. Ihr unvergleichlicher Gesang mag dazu geführt haben, dass ihre Zungen am Kaiserhof den Ruf einer besonderen Delikatesse bekamen, welche die Liebeskraft steigern soll. Hier jedoch spielten sie unbehelligt in der Frühlingssonne, die ihr Gefieder golden glänzen ließ.
Langsam glitt die Jacht über den spiegelglatten Angbarer See. In der Ferne erkannte man das Boot von zwei fischenden Hügelzwergen, dahinter zog die Fähre zwischen Lutzenstrand und Rohalssteg ihren gewohnten Weg.
Wie ein schwimmender Busch wölbte sich die Insel Nispe aus dem saphirblauen Wasser des Sees. Aus dem frischen Grün der Erlen und Weiden erhob sich der graue Rundturm der alten Burg Ibeck. Das gold-blaue Biberbanner des Hauses vom See regte sich kaum im schwachen Wind. Dennoch kündete es davon, dass der alte Ermst vom See, Ältester des Hauses und Großvater des jugendlichen Grafen Wilbur, auf der Burg weilte. Er hatte geladen, wie es im Schreiben hieß, die treuesten Freunde seines alten Geschlechtes, um etwas Bedeutsames zu besprechen.
Es war zur Mittagszeit, als Stordan in polierter Gestechrüstung auf seinem treuen Schlachtross Jolante IV. die Wasser des Sees erreichte, wo das Boot nach Nispe bereits auf ihn wartete. In seinem Gefolge ritten die beiden „Waffenknechte“ Jorm und Nottel, der eine Stallknecht, der andere Diener. Jedenfalls bis heute Morgen. Sie mühten sich, die Ausrüstung des tapferen Ritters zu transportieren, doch die an den Elenvinern festgezurrten Kriegslanzen entwickelten scheinbar ein Eigenleben, sodass beide Burschen ihre liebe Mühe hatten, die Stuten auf der Straße zu halten. Mit offenem Visier saß der alte Kämpe in den Sattel gestützt auf seinem Schlachtross und spähte aufmerksam umher. Irgendetwas stimmte nicht und phexverflucht, er würde herausfinden, was das war! Grimmig fasste Stordan den Knauf seines Schwertes Halladir, einst in den Schmieden Thorwals für seinen Vater geschmiedet. Die folgende Bootsfahrt in voller Gestechrüstung muss wohl ein Anblick gewesen sein, den nicht nur Nottel und Jorm amüsant fanden, jedenfalls war Stordan froh, als die Barke endlich am Steg festmachte und er seinen alten Freund Ermst am Ufer stehen sah.
Der sah seinen wenig jüngeren ersten Gast mit einer Mischung aus unverhohlener Freude und Überraschung an. Der weißhaarige Junker stapfte mit offenen Armen auf Stordan zu und begrüßte ihn mit einer freundschaftlichen Umarmung ... jedenfalls, soweit es die Vollrüstung zuließ. Einen Moment stieß sich Ermst am Visier vom Helm des Steenbackers, dessen Eisenzeug bei der Begrüßung bedenklich klapperte und quietschte.
Der Junker vom See rieb sich ein wenig die Stirn und musterte dabei seinen alten Freund von Oben bis Unten, auf seinem Gesicht ein breites Grinsen.
„Meine Güte, alter Gefährte ... du siehst ja aus als würdest du jeden Augenblick gegen die schwarzen Horden anreiten wollen!“
„Von Steenback? Bist du sicher?“ Korisande musterte ihren Haushofmeister fragend.
„Nun, kennt Ihr sonst noch jemanden, der sich in voller Gestechrüstung über den See rudern ließe? Gut, dass der Anblick so auffällig war, sonst hätten wir es vielleicht nie erfahren.“
„Schön und gut, Alarich.“ Korisande seufzte. „Aber was will er auf Nispe? Am Ende steckt er mit dem alten Ermst zusammen und will die Gelegenheit nutzen, um uns zu schaden. Er wird wissen, dass die Gelegenheit günstig ist, jetzt wo Mutter fort ist.“
Die junge Ritterin erhob sich mühsam aus ihrem Stuhl. „Es hilft nichts, hier herumzusitzen und nachzugrübeln. Lass ein Pferd satteln. Ich reite ins Dorf und lasse mich nach Nispe rudern.“
„Ihr wollt…“ Alarich schaute sie verwundert an.
„…dem guten alten Ermst vom See meinen Antrittsbesuch machen. Das gehört sich schließlich.“
Wenige Stunden später saß Korisande von Lutzenstrand in einem Boot und sah die Insel Nispe näher kommen. Einen Moment lang fragte sie sich, ob das alles eine gute Idee gewesen war. Aber sie musste einfach herausfinden, was hier vor sich ging. Sie ließ sich aus dem Boot helfen, verabschiedete sich von den Ruderern und blieb einen Moment lang unschlüssig auf dem Steg stehen.
Stordan hatte sich mittlerweile davon überzeugt, dass hier auf Nispe keine unmittelbare Gefahr drohte, und so mühten sich Jorm und Nottel, ihrem Herrn aus der Rüstung zu helfen, und in ein „bequemes“, aber altertümlich aussehendes Kettenhemd zu helfen, über welches Ritter Stordan noch den stolzen Wappenrock der von Steenbacks zog. Das Breitschwert auf seinen Oberschenkeln abgelegt, saß er nun am Ufer und wartete gemeinsam mit Ermst auf das Boot, das eine unbekannte Jungfer ans Ufer brachte. War dies etwa die Holde, die gerettet werden musste? Stordans Körper straffte sich und er sah Ermst fragend an. Dessen Aufmerksamkeit war allerdings von einem anderen, größeren Boot abgelenkt, das eben angelandet war.
Vom Anleger aus, an dem Bardo von Bardostein gerade seine Jacht vertäute, konnte er bereits die gar rondrianisch gewandete Gestalt sehen, die neben Junker Ermst vom See auf einer Bank am Ufer saß. Bardo wunderte sich: war solches Rüstzeug für diese Unterredung notwendig? Nun, zumindest hatte er seinen treuen Kusliker Säbel gegürtet und beglückwünschte sich für diese Entscheidung – ohne Waffe wäre er wohl in dieser Gesellschaft nicht für voll genommen worden.
Junker Ermst vom See hatte ihm schon vor Wochen von dieser Unterredung berichtet, als Bardo bei einem Segeltörn für einen kleinen Nachmittagsimbiss auf Nispe angelandet war. Er hatte sich daraufhin eigens ein neues Gewand schneidern lassen: Ganz seinem Ruf als Bardo der ‚Seefahrer‘ entsprechend war es im Stil einer Marineuniform gehalten. Es kleidete ihn sehr schmuck, doch eine Rüstung war es sicherlich nicht. Gleichwohl, er erwartet nicht eine solche hier zu brauchen.
Als Bardo sich den beiden Wartenden näherte erkannte er in dem streitbaren Recken den alten Stordan von Steenback. Bardo hatte ihn vor über zehn Jahren das letzte mal gesehen und der Ritter war merklich gealtert, doch die charakteristischen Gesichtszüge weckten nun Bardos Erinnerung und zeitgleich erwachten seine heraldischen Kenntnisse und er konnte das Wappen der Steenbacks auf dem Waffenrock identifizieren.
Während des Fußmarschs vom Anleger zur Bank mit den älteren Adligen bemerkte der Neuankömmling ein Ruderboot, dass sich dem Ufer näherte und die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zog.
Korisandes Blick streifte einen Moment lang suchend über die alte Burg Ilbeck. Sie war als Kind einige Male hier gewesen, doch es schien ihr, dass das Gemäuer inzwischen ein wenig besser in Schuss gehalten wurde. Von den Zinnen wehte das Banner des Hauses vom See. Doch sonst war nicht viel zu erkennen.
Dafür fielen ihr aber mehrere Gestalten auf, die direkt am Ufer beinahe auf sie zu warten schienen. Langsam nährte sie sich und erkannte in den beiden Männern schon bald den Junker vom See und den alten Ritter von Steenback. Beide waren in den Jahren, die Korisande sie nicht gesehen hatte, noch weiter gealtert. Gleichzeitig näherte sich vom Ufer aus noch eine weiterer Ankömmling, der eine Art Uniform zu tragen schien. Sie war verwirrt. Was war das für eine seltsame Versammlung? Einen Augenblick lang fuhr ihre Hand unwillkürlich zu ihrem Schwert, dass sie heute angelegt hatte, um einen wehrhafteren Eindruck zu machen. Doch dann zwang sie sich, weiterhin auf die beiden wartenden Männer zuzugehen und beide anzulächeln.
Der alte Junker Ermst war gerade dabei Kastellan Bardo von Bardostein zu begrüßen, als auch er die unerwartete Dame sah, die mit weiten Schritten auf ihn zusteuerte. Stordans Augen hatten sich zu Schlitzen verengt ... irgendwie kam ihm ihr Gesicht bekannt vor.
„Euer Wohlgeboren vom See!“ Korisande neigte grüßend den Kopf. „Ich weiß nicht, ob Ihr Euch meiner entsinnt. Ich bin Korisande von Lutzenstrand, die neue Ritterin drüben in Lutzenstrand und kam sozusagen um mich bei Euch vorzustellen. Allerdings scheint mir, ich komme ungelegen?“ Noch ehe er antworten konnte, nickte sie auch Ritter von Steenback zu. „Seid auch Ihr gegrüßt, Euer Wohlgeboren. Mir scheint, den Besuch in Steenback kann ich mir sparen, finde ich Euch doch auch hier vor.“
„Potzblitz und Donnerhall! Korisande? Bist du, äh, ich meine, seid Ihr es wirklich? Bei Rondra, als ich dich das letzte Mal sah, gemeinsam mit Khele…“. Stordan stockte und er musste den Kloß in seinem Hals sichtbar herunterschlucken. „Ich freue mich, dich zu sehen, mein Kind“, fügte er mit erstickter Stimme hinzu. „Es ist so lange her, dass…“. Wieder versagte dem alten Mann seine Stimme den Dienst. Mühsam erhob sich Stordan und ging einige Schritt auf die junge Frau zu. Dann versagten ihm die Beine und er ging stöhnend zu Boden.
Nottel und Jorm, die staunend und etwas unschlüssig herumstanden, betrachteten derweil den neu hinzugekommenen Admiral, denn wer könnte es sonst gewesen sein, der ihnen da entgegen kam? Mit einem angedeuteten Knicks begrüßten sie den Adligen und betrachteten dabei neugierig die schicke Uniform. Was für ein Glück, dass sie heute früh zum Kriegsdienst zwangsverpflichtet wurden! Was zunächst wie ein großes Pech schien (Verwalter Korsten sprach gar von „Unfug!“), entwickelte sich langsam zu einem spannenden Abenteuer! So hörten sie auch nicht, als ihr Rittersmann hinter ihnen aufstöhnte, sondern begutachteten weiter die schöne Uniform des strahlenden Recken.
Bardo war etwas verärgert darüber, dass ihm die neu hinzukommende Ritterin so schnell wieder jede Aufmerksamkeit entzog – und es zudem noch nicht einmal für nötig hielt ihn ebenso zu begrüßen wie die beiden anderen Adelsmänner. Er würde sich das merken und den Etiketteverstoß bei Gelegenheit erwidern…
Einstweilen genügte es ihm jedoch zum Ausgleich der Missachtung durch die Lutzenstranderin die Bewunderung der beiden Knechte zu genießen und ihnen wohlwollend zuzunicken. Doch auch dieses Vergnügen wurde ihm vom plötzlichen Zusammenbruch des alten Stordan durchkreuzt. Sapperment, es war gar nicht so leicht, hier eine gute Figur zu machen …
Junker Ermst dagegen, war viel zu sehr von der überraschend ankommenden Dame abgelenkt, um Stordan sofort zu bemerken. Es kam selten vor, dass Besuch auf seine beschauliche Insel kam ... und nun kam sie ihm fast schon überfüllt vor. Die junge Lutzenstranderin war nicht geladen, doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr erschien es ihm als Fügung der Götter, dass auch sie gekommen war. Ein schlauer Kopf mehr, würde nicht schaden ...
„Herzlich Willkommen auf Gut Ibeck. Neue Ritterin? Eurer Mutter, wird doch nichts zugestoßen sein?“
Erst als er das Rasseln des Kettenhemds von Stordan vernahm, der langsam zu Boden gesunken war, bemerkte auch Ermst dessen Schwächeanfall. Einige Diener waren mittlerweile herangestürzt um dem Steenbacker einen Stuhl zu bringen.
Korisande sah den alten Ritter von Steenback zu Boden sinken, nachdem er sie – ebenfalls freundlicher als erwartet – begrüßt hatte. Sie wollte ihm zu Hilfe eilen und ging, so schnell sie es konnte, auf ihn zu, doch als sie bei ihm angekommen war, hatten schon einige Diener ihm auf einen Stuhl geholfen. „Es ist wirklich lange her.“, sagte sie. „Ich freue mich, dass Ihr mich noch erkennt.“
Dann wandte sie sich wieder zum Junker vom See um. „Keine Sorge, meiner Mutter geht es gut.“, erklärte sie. „Sie hat beschlossen, dem Dreischwesternorden in Gormel beizutreten und ihre politischen Aufgaben ruhen zu lassen. Deshalb bin ich aus Ferdok zurückgekehrt.“
„Ah, fein ...“, Ermst schien die Antwort Korisandes nur halb zu hören. Seine Aufmerksamkeit war auf seinen alten Freund Stordan gerichtet, der erschreckend bleich in seinem Stuhl saß ... oder besser hing. Offenbar war die Überfahrt in voller Gestechrüstung, ohne Schutz vor der überraschend warmen Frühlingssonne, doch etwas viel für den Recken. So hatte sich der Junker das Zusammentreffen nicht vorgestellt – besorgt rief er einen seiner Bediensteten zu sich.
„Schnell, man bringe ihm ein wenig kühles Bier ... oder besser einen Schnaps – wir haben noch etwas Bärenfang und Moorbrücker Koschwasser!“
Etwas vorlaut schaltete sich nun auch Nottel ein, der endlich auch mitbekommen hatte, dass sein alter Herr am Boden daniederlag. „Ferdoker, Herr! Er braucht Ferdoker! Das bringt ihn wieder auf die Beine, das klappt zu Hause auch immer!“ Ermst sah den vorlauten Knecht mit einem strengen Blick an und Nottel schalt sich innerlich, dass er wieder so frech sein musste. Pflichtbewusst verbeugte er sich vor dem Großvater des Herrn Grafen und ging in dieser Haltung zwei Schritt zurück, was zu einer kleinen Kollision mit Jorm führte, der schmerzerfüllt aufschrie, als Nottel ihm auf den Fuß trat. Nun blickten drei Adlige die beiden Burschen finster an und beide fingen an zu verstehen, dass die Zwangsverpflichtung auch so ihre Nachteile hatte.
Mittlerweile kam der alte Herr wieder zu sich und sah sich in der Runde um. „Was ist…? Oh, ich muss gestürzt sein. Ja ja, das Alter, meine Lieben, das Alter…“ Mit diesen Worten, die er halb zu sich selbst, halb zur umstehenden Runde gesprochen hatte, erhob er sich ächzend und ging dann, auf den Arm des Herrn vom See gestützt, mit den anderen in Richtung Anwesen, nicht ohne den Herrn von Bardostein noch kurz von oben bis unten zu mustern und ihm ein kurzes „Rondra zum Gruße, der Herr“ zuzuwerfen. Für eine Vorstellung würde Ermst wohl noch sorgen, wenn die Gruppe im Saal ihre Plätze eingenommen hätte.
Mit einem unterdrückten Schmunzeln sah Korisande zu, wie die beiden Knappen des Steenbackers fast übereinander stolperten, während sich der alte Ritter wieder aufrappelte und dann zusammen mit dem Junker vom See auf Burg Ilbeck zuhielt. Anscheinend hatte er sich von seinem Schwächeanfall soweit erholt. Sie warf noch einen Blick auf den ebenfalls neu eingetroffenen Mann in der seltsamen Uniform und begrüßte ihn ebenfalls mit einem „Die Zwölfe zum Gruße.“ Dann sah sie zu, dass sie den älteren Herren folgte. Auch wenn sie viele Götterläufe jünger war, an Schnelligkeit konnte sie die beiden kaum überbieten. Immer noch fragte sie sich, warum dieses Zusammentreffen überhaupt stattfand – und ob man sie vielleicht gleich wieder hinaus bitten würde -, doch zunächst einmal machte keiner Anstalten, sie daran zu hindern, den anderen Herrschaften in die Burg zu folgen.
„Efferd zum Gruße … und die anderen Elfe auch“, erwiderte Bardo den Gruß, bevor sich alle in Richtung Burg wandten. Er blieb etwas zurück und reihte sich hinter der Ritterin in die Prozession ein. Sie hatte ihn zuletzt mit einem schwer deutbaren Blick gemustert und hatte offenbar ob seiner Uniform gestutzt. Sollte er sich in der Wahl seiner Kleidung vergriffen haben? Aber nein, mit einer Marineuniform war man immer gut gekleidet!
Erst jetzt bemerkte er, dass die Ritterin, die sich ihnen als Korisande von Lutzenstrand vorgestellt hatte, merklich hinkte. In welcher Schlacht sie sich wohl diese Verletzung zugezogen haben mochte? Sein eben noch gehegter Groll gegen Korisande wich nun ebenso schnell, wie er aufgekommen war. Die neue Herrin von Lutzenstrand musste etwa sein Alter haben und war durchaus hübsch zu nennen, zudem war sie nun wohl offensichtlich ebenfalls Teil des Machtgeflechts am Angbarer See – der Tag mochte unterhaltsamer werden, als er es in der Gesellschaft der beiden alten Ritter zu werden versprochen hatte.
Also schloss Bardo mit zwei schnellen Schritten zu der Ritterin auf und bot ihr charmant seinen Arm an.
Weit war sie noch nicht gekommen, ehe Korisande von dem behände hinter ihr her eilenden Marineuniformträger – von dem sie immer noch keine Ahnung hatte, wer er eigentlich war – eingeholt wurde. Mit einer leichten Verbeugung bot er ihr seinen Arm an, um sie zu stützen.
Wie jedes Mal in einer solchen Situation fühlte sie Wut in sich emporsteigen. Wie sie es hasste! Sie war jung, hatte eine jahrelange Ausbildung an einer der besten Kämpferakademien des Reiches hinter sich, sie sollte es sein, die jemandem zu Hilfe eilte, anstatt wie ein altes Weib daher zu hinken und anscheinend selbst das Mitleid eines…Seefahrers zu wecken. Mühsam beherrschte sie sich. Der Mann konnte schließlich nichts dafür. Mit einem etwas gequälten Lächeln nahm sie den angebotenen Arm an.
„Habt Dank, mein Herr. Doch sagt, mit wem habe ich denn eigentlich das Vergnügen?“
„Verzeiht meine Unhöflichkeit, doch die plötzliche Unpässlichkeit des Herren von Steenback kam einer förmlichen Vorstellung zuvor. Bardo von Bardostein, mein Name. Reichsedler zu Bardostein und seit kurzem Vogt der Kaiserlichen Pfalz Pervalia“, bei diesen Worten deutete Bardo eine Verbeugung an.
„Und ich hoffe ihr verzeiht mir ebenfalls meine Dreistheit, werte Ritterin von Lutzenstrand, euch ohne vorige Nennung meines Namens den Arm geboten zu haben. Doch angesichts einer schönen Frau geraten manches Mal meine Kenntnisse der Etikette kurz in Vergessenheit. Außerdem“ – er neigte den Kopf zu Korisande und senkte die Stimme – „hat es mich ungemein gefreut, dass der Gesellschaft auch Personen meiner Generation angehören und ich den Tag nicht allein mit Männern verbringen muss, die unsere Großväter sein könnten. Aber nun erzählt doch, warum ich euch bislang nie in dieser Gegend gesehen habe? Wurdet ihr etwa in einem hohen Turm eingeschlossen, wie man es mit hübschen Adelstöchtern bisweilen tut, wie die Geschichten erzählen?“
Bei den letzten Worten zwinkerte er der von diesem Redeschwall überraschten Korisande verschmitzt zu. Bardo hoffte das Eis fürs Erste gebrochen zu haben und wartete gespannt auf die Reaktion der stolzen Ritterin, während er an ihrer Seite zu den beiden anderen aufschloss.
In der Tat hatte Korisande von Bardo von Bardostein gehört, als man in Ferdok munkelte, dass man Schloss Pervalia zur kaiserlichen Pfalz ausbauen wollte. Es waren allerdings ziemlich wilde Gerüchte gewesen. Unter anderem hatte sie auch aufgeschnappt, dass man ihn „Bardo, den Seefahrer“ nannte, was zumindest seine Uniform erklärte.
„Ich? In einem Turm?“, erwiderte sie. „Nun, da habt Ihr wohl das ein oder andere Märchen zuviel gelesen, werter Vogt. Ich bin vor kurzem erst nach Hause zurückgekehrt, um mein Erbe anzutreten. Vorher war ich viel unterwegs. Ich war Ferdoker Lanzerin. Zuletzt allerdings“ – sie deutete auf ihr Bein – „nur noch Ferdokerin.“
Inzwischen hatten sie gemeinsam mit dem Rest der Versammlung das Innere von Burg Ibeck erreicht.
Von Westen näherte sich der Insel eine weitere Yacht, auch hier saßen drei Personen, wie sie unterschiedlicher kaum sein mochten, da war zum einen der Schiffer, ein einfacher Mann, dem die Arbeit bei Wind und Wetter Furchen in das Gesicht gegraben hatte und da war zum anderen Alderan von Sindelsaum. Ein wahrlich alter Mann, der die achtzig bereits überschritten hatte. Neben ihm saß sein Urenkel Pergrim, der kaum vierzehn Götterläufe zählte.
„Und darum mein Junge ist diese Sache in Dohlenfelde nicht so einfach wie sie scheint. Sieh einmal die Sache mit der Testamentsänderung...
Ach was fassel ich wir sind ja fast schon da. Holla das ist ja eine merkwürdige Gesellschaft. Pergrim gib mir doch mal das Fernglass.
Soso wenn haben wir denn da. Mir scheint der alte Stordan ist aus seinem Haus gekommen. Sieht aus als würde er in den Krieg ziehen. Die anderen beiden kenne ich nicht. Der eine trägt irgendwas, was wohl an eine Marineuniform erinnern soll, oder sehen die heute wirklich so aus? Zu Retos Zeiten waren die Uniformen jedenfalls anders.“
Während Alderan solcherart jeden Anwesenden seiner gestrengen Einschätzung unterzog näherte sich das Boot beständig dem Steg, an dem bereits die anderen Boote angelegt hatten. Sanft stieß der Kahn gegen den Steg und Pergrim sprang behände an Land, um das Boot zu vertäuen, alsbald half er Alderan aus dem wackeligen Kahn auszusteigen.
Langsam kam Alderan auf seine Urenkel gestützt den Steg entlang und gesellte sich zu den bereits Anwesenden. „Ermst mein Guter Erlan konnte leider nicht persönlich anreisen. Ihn halten wichtige Angelegenheiten im Hinterkosch. Ihr wisst schon diese Dohlenfeld Sache, eine unerfreuliche Geschichte.“ Entschuldigend zuckte er mit den Schultern. An die Runde gewandt fuhr er fort „Dies ist mein Urenkel Pergrim. Ein feiner Knabe. Er gibt ein wenig auf mich Acht. Auf meine alten Tage werde ich doch noch etwas klapprig.“ Erneut lächelte er freundlich in die Runde. Nachdem Alderan Stordan freundlich begrüßt hatte wandte er sich an die beiden anderen Mitglieder der Runde. „Und mit wem habe ich hier die Ehre?“
Manch einem mochte die vertraute Verwendung der Vornamen auffallen, doch selbst der sonst so gestrenge Ermst vom See sah dem alten Mann eine solche Vertrautheit nach.