Unter Schurken - Kein Zeichen

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Hinterkosch, 1021

Bald waren alle Vorbereitungen getroffen. Norbosch prüfte noch einmal, ob an der Kutsche auch wirklich alle Spuren Vinansamter Herkunft verdeckt waren, und strich mit der Hand etwas wehmütig über den Lederbezug des Kutschbockes.
“Du wirst mir fehlen, Schätzchen“, dachte er, der doch sein halbes Leben auf dem Schwagersitz verbracht und mit Peitsche und Zügel über die Straßen geholpert war. Der Baron drängte zum Aufbruch. Einen Großteil des Reisegepäcks hatte man schon auf die Pferde der Ritter verladen; denn die vier Edlen würden von nun an alleine und inkognito in der Kutsche weiterreisen, wie es der Plan besagte. Irgendwo zwischen Rabenstein und Dohlenfelde mußte der Jergenquell sich verbergen – und wenn sein Lager mit einem Ochsenkarren erreichbar war, würde es auch die Kutsche schaffen. Und wer weiß: Vielleicht zog ein solches Gefährt die Schurken mit Aussicht auf leichte Beute und reiche Geiseln ja an?
Der Baron drückte dem wackeren Norbosch noch einen Dukatenbeutel in die Hand; schließlich sollte die Bagage der Herrschaften auch wohlbehalten zurück in die Heimat gelangen, ohne zu verhungern. Mit etwas Glück würde sich ab Albenhus eine Passage auf einem Flußkahn finden lassen, hoffte Gerbald (und stellte sich schon vergnügt das Gesicht des altes Waffenmeisters Dragosch vor, wenn dieser ein schwankendes Boot betreten sollte).
“Und denkt daran“, mahnte der Vinansamter nochmals, “niemand darf Argwohn schöpfen oder erfahren, daß wir noch hier im Lande sind.“
Die anderen nickten. Auch die Büttel hatten ihre Überwürfe mit dem Steinbrücker Wappen verborgen, und so ähnelte die Gruppe einem Haufen Söldlinge oder Abenteurern – nichts Ungewöhnliches in diesen unsicheren Zeiten. Dann zogen sie ab, Richtung Praiosaufgang, den Koschbergen zu. Ritter Falk winkte ihnen hinterher.
“Guten Marsch, hehe. Und verlauft euch nicht!“
Dann kletterte er umständlich auf den Kutschbock, während Merwerd Stoia noch einen derben Wollmantel um die Schultern legte und sich Norboschs Schlapphut in die Stirne zog. Sicher war sicher. Dann wollte auch er aufsteigen. Jemand zupfte ihn am Ärmel. Es war der Edle von Toroschs Aue.
“Ich möchte Euch bereits im Voraus um Verzeihung bitten, Hochgeboren“, sagte er grinsend.
“Wofür?“ fragte Merwerd verdutzt.
“Nun, daß ich Euch leider nur noch mit ‚Er, Kutscher‘ ansprechen kann. Schließlich soll die Tarnung ja echt wirken...“
Mit diesen Worten drehte der Dichter sich um und ging zur Tür der Ferrara. Er öffnete sie schwungvoll und machte eine einladende Handbewegung, wobei er sich gegen Rena verneigte.
“Meine Teuerste, darf ich bitten?“
Die Ritterin verzog keine Miene, während sie sich durch die Türe zwängte und im Innern niederließ. Der Edle folgte.
“Ich hoffe, er überspannt den Bogen nicht“, dachte Merwerd bei sich. Dann schnalzte er mit der Zunge, ließ die Peitsche über dem Rücken des Apfelschimmels knallen und setzte die Kutsche in Bewegung.
“Wohin geht’s denn?“ fragte Ritter Falk munter.
“Den Jergenquell fangen!“
“Hoho! Den Schurken! Uuups...“, machte Ritter Falk und zog sich wieder auf den Sitz zurück, von dem er angesichts eines tiefen Schlaglochs schier gefallen war.
“Ganz schön holperig, der Weg, was? Denen sollten wir mal unseren Weggreven schicken, diesen Hinterko...“
“Um Phexens Willen, vermeidet dieses Wort hierzulande, Ritter!“ tönte es von hinten. Wolfhardt zog den Kopf wieder ein und schaute Rena erwartungsvoll an.
“Nun, meine Liebe, soll ich ein Lied zur Kurzweil singen?“
“Bei allen Zwölfen, nein!“ rief Rena. Verdutzt und erschrocken blickte der Dichter sie an.
“Wieso denn nicht?“
“Nun, wir müssen doch unsere Tarnung wahren“, versetzte die Arbasierin und genoß jedes Wort.
“Bis wir wieder im Kosch sind, dürft ihr keinen einz’gen Vers zum Besten geben!“
Der Baron von Vinansamt hörte einen Entsetzenschrei aus der Kutsche und zog den Hut noch tiefer in die Stirne, um sein Lächeln zu verbergen...