Entführung des Prinzenpaares - Nachgespräch

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Wengenholm, 1031

Antara hatte die Kapuze ihrer Kutte zurückgeschlagen, so daß man ihr Antlitz nun sehen konnte und ihr langes, dunkles Haar nun wieder zu sehen war. Als sie vor die Versammelung trat, verstummte das Gemurmel und alle Blicke richteten sich unwillkürlich auf die außergewöhnliche Erschweinung der Geweihten. Kurz lies sie einen Blick über die versammelten Edlen streifen und mit routinierter Stimme hob sie an zu sprechen:
"Eure prinzliche Durchlaucht, Eure Excellenz ...", es folgte ein kurzes Nicken in die Richtung der Angesprochenen, "Hohe Herrschaften. Bevor wir uns nun kurz beraten und aufbrechen, will ich noch verkünden, welche Botschaft mir Nacht von Bishdariel überbracht wurde."
Sie legte eine kurze Pause ein, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer weiter zu steigern.
"Ich sah eine Winterlandschaft. Darin ein kleiner Weiler und an seinem Rand ein runder Brunnen. Ein dunkler Schacht war in dem Brunnen und ich fiel in die Schwärze des Schachtes, tiefer und tiefer. An seinem Grund sah ich eine Burg, inmitten des Berges, und ich spürte eine bittere Kälte, eine tödliche Kälte. Dann kehrte ich zurück aus der Welt des Traumes."
Wieder legte sie eine Pause ein, um das Gesagte wirken zu lassen.
"Da wir zu einem Brunnen aufbrechen wollen, scheint dieser Teil der Warnung unzweifelhaft zu sein. Was es nun mit der Burg in den Bergen auf sich hat, entzieht sich meiner Kenntnis, vielleicht weiss einer der Einheimischen mehr dazu zu sagen. Aber eine andere Sorge beschäftigt mich."
Sie schaute den Prinzen an.
"Verzeiht, Eure prinzliche Durchlaucht, es liegt mir fern Euren Mut in Frage zu stellen. Aber angesichts der ungewissen und unzweifelhaft gefährlichen Mission, auf die wir uns gleich begeben wollen, sollte die Frage erlaubt sein, ob Eure Teilnahme nicht den mysteriösen Entführern in die Hände spielt. Was, wenn es sich um eine Falle handelt mit dem Ziel, auch des zweiten Sohnes seiner fürstlichen Durchlaucht habhaft zu werden wollen? Die Lage Eures Herrn Vaters und des ganzen Fürstentums, sowie der Mark Greifenfurt, wäre in großer Bedrängnis."
Edelbrecht lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte.
"Nun, damit dies nicht geschieht habe ich mein Schwert und die besten Frauen und Männer des Reiches als getreue Begleiter an meiner Seite."
Ein trotziges Gelächter erfüllte den Raum. Der Prinz ergänzte in deutlich ernsthafterem Ton:
"Eure Sorge ehrt Euch, doch gerade weil es hier um die Ehre und den Bestand meines Hauses ... und nicht zuletzt um meinen einzigen verbliebenen Bruder und seine Gemahlin handelt, ist für mich schon der Gedanke unerträglich hier im Schloss zu warten, während Ihr auszieht. Wir werden jeden Schwertarm brauchen - und was ist tun kann um meine Bruder zu retten, werde ich tun. Bei allen Zwölfen!"
Viele der Versammelten stimmten begeistert in den Ruf ein. Cantzler Nirwulf, der es sich mit einer vorgewärmten Wolldecke und einer großen Schüssel Kräutertee gemütlich gemacht hatte wirkte noch etwas verschlafen, als er seine Stimme erhob:
"Ahem, zurück zum Kern dieser Prophezeiung. Es scheint mir fast, als wäre unsere Vorhut in großer Gefahr. Es erscheint ratsam, unsere Abreise nicht zu lange hinauszuzögern."
Er winkte einen der Diener herbei, gab ihm die Anweisung die Kutsche mit dem Lösegeld, Proviant und den weiteren "üblichen Reisenotwendigkeiten" zu beladen. Lyeria hatte den Bericht Antaras stumm verfolgt und nur mit einem regelmäßigen Nicken kommentiert. Auch ihr war der Inhalt der Vision bis dato unbekannt. Die Gefühlsäußerungen der Anwesenden konnte sie nicht teilen, zu ernst war die Lage.
"Unsere erste Pflicht gilt den Lebenden, die zweite erst den Toten. Boron, mach, dass wir nicht zu spät kommen, doch dein Wille geschehe", murmelte sie undeutlich vor sich hin. Dann wandte sie sich um, sodass ihr weißer Mantel, wie ein Banner hinter ihr wehte. Darauf sagte sie mit deutlicherer Stimme:
"Timokles, du und Antara, geht den Knechten zur Hand, damit der Aufbruch möglichst wenig hinausgezögert wird. Ich und Alderich werden unsere Ausrüstung bereiten", dann in Richtung des Prinzen und des Kanzlers gewandt:
"Ich hoffe, Ihr seid der selben Meinung, Euer Hochwohlgeboren. Der Herr des Schlafes und des Todes hat uns eine Botschaft geschickt, eine Warnung. Wir dürfen unsere Vorhut nicht in ihr Verderben laufen lassen!"
Eine Antwort wartete die Golgaritin nicht ab, sondern verließ gefolgt von Alderich den Saal. Timokles' Blick landete suchend auf Antara. Dann nickte er und verließ den Saal in Richtung der Pferdeställe.
"Geh nur vor", flüsterte sie ihm zu. "Ich werde mich erst umziehen. Das hier ist nicht die angemessene Kleidung für den Stall."
Kurze Zeit später folgte sie Timokles in den Stall. Sie hatte Knappengewand und Rüstung bereits angelegt, nestelte allerdings noch den Riemen der Rüstung rum.
"Ah, da bist Du ja. Kannst Du mir mal eben zur Hand gehen? Sonst sind wir heute mittag noch nicht hier weg."
Sie grinste kurz, drehte Timokles ihre Seite zu und hob den Arm, damit er an die Riemen kam. Ihr Seitenprofil war trotz der Rüstung immer noch aufregend anzusehen. In Gedanken wandte sich der Knappe von dem Sattel ab, den er gerade festgezurrt hatte und meinte, während er den Kopf drehte:
"Ja...", dann fiel sein Blick auf die zarten Rundungen ihres Leibes, die Wölbung ihrer Brüste unter der Rüstung und ihr feines Haar. Er musste schlucken und war zu keiner Bewegung mehr in der Lage.
"na... na... natürlich helfe ich dir", brachte er stotternd heraus und machte sich mit schwitzigen Fingern daran den Riemen zu befestigen. Seine Gedanken irrten wirr durch seinen Geist.
"Boron steh mir bei, ich darf keine lüsternen Gedanken hegen, doch wieso ist dies hier so schwer? Ich muss standhaft bleiben, ich meine standfest. Aber warum sind die Frauen nur so schön anzusehen, naja nicht alle, aber einige."
Dann verscheuchte er die Gedanken und der Mahnung seiner Mentorin eingedenk, rezitierte er im Geist einige Passagen der Lex Boronia, um sich abzulenken und es gelang ihm, sich zu konzentrieren und er unterstützte sie beim Anlegen ihrer Rüstung. Dann drehte er sich mit einem schlichten "Bittesehr" um und machte sich wieder daran die Satteltaschen mit Proviant zu füllen, doch die Gedanken des Knaben waren noch immer wo ganz anders.
Mit einem fröhlichen "Danke schön!" schenkte die Almadanerin dem Knappen ein kurzes Lächeln und drehte sich dann in Richtung der Pferde, um sie zu satteln. Von den Seelenqualen des armen Timokles schien sie nichts zu ahnen.