Dohlenfelder Thronfolgestreit - Das zweite Heer: Unterschied zwischen den Versionen

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Schützenfeld, wo vor einem guten Mond, am vorletzten Praiostag im [[Travia]], das größte Schützenfest der Baronie stattfand. Der hohe Mast, auf dem der gekrönte Fisch prangte, stand noch in einem kleinen Teich, wie es die sonderbaren Rituale dieses Festes vorsahen. Die Mühlenheimer Bauern riefen:<br.>„Verschwindet von unserem Land, Pfeffersack-Knechte! Verschwindet in Eure von den Göttern verlassene Stadt!“<br.>Und eine einzelne Stimme schrie heraus:<br.>„Unser Baron heißt Angrond von Sturmfels! Wir haben nichts zu tun mit Hexenbaron Hagen! Bei Praios!“<br.>In den Anruf des Sonnengottes stimmten die renitenten Bauern allesamt ein, nun konnte man sehen, das nicht wenige von ihnen Mistgabeln und Dreschflegel bei sich trugen, einige führten gar Armbrüste mit sich, und die meisten waren sicherlich wohlgeübte Schützen.<br.>Zwischen den Bauern konnte man Ihre Hochwürden [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=geweihtenschaft&recordID=heiltrudebachenthal Heiltrude Bachenthal], die Hüterin der Saat des Perainetempels zu Mühlenheim, erkennen. Aber ob die Geweihte die jungen Rabauken in ihrem Zorn anstachelte oder sie von üblerem zurückhielt, war nicht zu erkennen.<br.>Auf den umliegenden Feldern und Äckern, die für die Überwinterung vorbereitet waren, saßen zahllose Dohlen und Raben, die gekommen waren, um Kajax und Nakaja ihre Aufwartung zu machen. Das „Schack-schack“ und „Kja-Kja“ der Dohlen und das „Kraa-Kraa“ der Raben
 
Schützenfeld, wo vor einem guten Mond, am vorletzten Praiostag im [[Travia]], das größte Schützenfest der Baronie stattfand. Der hohe Mast, auf dem der gekrönte Fisch prangte, stand noch in einem kleinen Teich, wie es die sonderbaren Rituale dieses Festes vorsahen. Die Mühlenheimer Bauern riefen:<br.>„Verschwindet von unserem Land, Pfeffersack-Knechte! Verschwindet in Eure von den Göttern verlassene Stadt!“<br.>Und eine einzelne Stimme schrie heraus:<br.>„Unser Baron heißt Angrond von Sturmfels! Wir haben nichts zu tun mit Hexenbaron Hagen! Bei Praios!“<br.>In den Anruf des Sonnengottes stimmten die renitenten Bauern allesamt ein, nun konnte man sehen, das nicht wenige von ihnen Mistgabeln und Dreschflegel bei sich trugen, einige führten gar Armbrüste mit sich, und die meisten waren sicherlich wohlgeübte Schützen.<br.>Zwischen den Bauern konnte man Ihre Hochwürden [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=geweihtenschaft&recordID=heiltrudebachenthal Heiltrude Bachenthal], die Hüterin der Saat des Perainetempels zu Mühlenheim, erkennen. Aber ob die Geweihte die jungen Rabauken in ihrem Zorn anstachelte oder sie von üblerem zurückhielt, war nicht zu erkennen.<br.>Auf den umliegenden Feldern und Äckern, die für die Überwinterung vorbereitet waren, saßen zahllose Dohlen und Raben, die gekommen waren, um Kajax und Nakaja ihre Aufwartung zu machen. Das „Schack-schack“ und „Kja-Kja“ der Dohlen und das „Kraa-Kraa“ der Raben
 
übertönte fast die wütenden Rufe der Menschen. Den Rabenvögeln würde sich über ein großes Blutvergießen sicherlich freuen. Und ihnen waren die Gründe herzlich egal, so lange nur genügend Leiber für sie zurückblieben.<br.>Als die kleine Armee Hagens und seiner Verbündeten in Twergenhausen
 
übertönte fast die wütenden Rufe der Menschen. Den Rabenvögeln würde sich über ein großes Blutvergießen sicherlich freuen. Und ihnen waren die Gründe herzlich egal, so lange nur genügend Leiber für sie zurückblieben.<br.>Als die kleine Armee Hagens und seiner Verbündeten in Twergenhausen
anlandete, war im Junkergut [http://www.dohlenfelde.de/Land_Orte.php?recordID=erzweiler Erzweiler] in aller Eile und zugleich jedweder möglicher Ruhe die Landwehr ausgehoben worden. Kurz zuvor war eine Brieftaube Hagens von Sturmfels bei Ritter [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=landadel&recordID=rondrianvonmaringen Rondrian von und zu Maringen], dem loyalen Gefolgsmann des jungen Barons, eingetroffen. Umgehend hatte der Ritter seine Tochter [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=landadel&recordID=alienavonmaringen Aliena] auf seinem schnellsten Pferd zum Markt Erzweiler geschickt, um der dortigen [[Ingerimm]]geweihten, die dem über die Ortschaft herrschenden Erzrat vorsaß, die Aushebung der Landwehr des Junkergutes im Namen des Barons zu befehlen. Hagen hatte seinem treuen Ritter noch auf der Versammlung in [[Salmingen]] ein entsprechendes von ihm gesiegeltes Dokument überreicht, zu genau diesem Behufe.<br.>Aliena, die vor gerade erst zwei Jahren ihren Ritterschlag in [[wikav:Herzogtum Weiden|Weiden]] erhalten hatte, war in [[wikav:Gambeson|Gambeson]] und Reiterharnisch gewandet und überragte mit ihren 190 Halbfingern den bürgerlichen Befehlshaber der Garde des Junkers zu Erzweiler, [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=freie&recordID=ingbaldbertenschlag Ingbald Bertenschlag], deutlich.<br.>Dieser, ein erfahrener Veteran vieler Schlachten, hatte sein Ross satteln lassen und den schwarzgelben Umhang mit dem Wappen Erzweilers übergeworfen, an seiner blauen Reichsschärpe prangte sein größter Stolz, die Kaiser-Rauls-Schwerter in Bronze, die er in den [[wikav:Dritter Orkensturm|Orkkriegen]] als junger Mann nach der Befreiung [[wikav:Greifenfurt|Greifenfurts]] von den [[Ork]]en verliehen bekommen hatte. Aliena und Ingbald trieben die Landwehrkämpfer zur Eile an und marschierten nach dem Segen der Ingerimmhochgeweihten – so viel Zeit musste sein – die Via Ferra hinab zum [http://www.dohlenfelde.de/Land_Orte.php?recordID=maringen Gutshof Maringen]. Dort hatte derweil Ritter Rondrian seine zwei Waffenknechte ausgeschickt, um die Landwehrkämpfer des Gutes zu sich zu befehlen.
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anlandete, war im Junkergut [http://www.dohlenfelde.de/Land_Orte.php?recordID=erzweiler Erzweiler] in aller Eile und zugleich jedweder möglicher Ruhe die Landwehr ausgehoben worden. Kurz zuvor war eine Brieftaube Hagens von Sturmfels bei Ritter [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=landadel&recordID=rondrianvonmaringen Rondrian von und zu Maringen], dem loyalen Gefolgsmann des jungen Barons, eingetroffen. Umgehend hatte der Ritter seine Tochter [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=landadel&recordID=alienavonmaringen Aliena] auf seinem schnellsten Pferd zum Markt Erzweiler geschickt, um der dortigen [[Ingerimm]]geweihten, die dem über die Ortschaft herrschenden Erzrat vorsaß, die Aushebung der Landwehr des Junkergutes im Namen des Barons zu befehlen. Hagen hatte seinem treuen Ritter noch auf der Versammlung in [[Salmingen]] ein entsprechendes von ihm gesiegeltes Dokument überreicht, zu genau diesem Behufe.<br.>Aliena, die vor gerade erst zwei Jahren ihren Ritterschlag in [[wikav:Herzogtum Weiden|Weiden]] erhalten hatte, war in [[wikav:Gambeson|Gambeson]] und Reiterharnisch gewandet und überragte mit ihren 190 Halbfingern den bürgerlichen Befehlshaber der Garde des Junkers zu Erzweiler, [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=freie&recordID=ingbaldbertenschlag Ingbald Bertenschlag], deutlich.<br.>Dieser, ein erfahrener Veteran vieler Schlachten, hatte sein Ross satteln lassen und den schwarzgelben Umhang mit dem Wappen Erzweilers übergeworfen, an seiner blauen Reichsschärpe prangte sein größter Stolz, die Kaiser-Rauls-Schwerter in Bronze, die er in den [[wikav:Dritter Orkensturm|Orkkriegen]] als junger Mann nach der Befreiung [[wikav:Greifenfurt|Greifenfurts]] von den [[Ork]]en verliehen bekommen hatte. Aliena und Ingbald trieben die Landwehrkämpfer zur Eile an und marschierten nach dem Segen der Ingerimmhochgeweihten – so viel Zeit musste sein – die Via Ferra hinab zum [http://www.dohlenfelde.de/Land_Orte.php?recordID=maringen Gutshof Maringen]. Dort hatte derweil Ritter Rondrian seine zwei Waffenknechte ausgeschickt, um die Landwehrkämpfer des Gutes zu sich zu befehlen.<br.>Als die Truppen der Herzogenstadt Twergenhausen, die den Darlin gen Dohlenfelde hinaufzogen, gerade das Dorf Mühlenheim verlassen hatten und durch die Darlinhügel zogen, trafen die von Aliena und Ingbald angeführten Erzweilerer beim Gutshof Maringen ein. Insgesamt waren dort nun neben zwei Rittern – Rondrian und seine Tochter – zehn berittene Waffenknechte in den Farben Erzweilers und Maringens sowie vier berittene und 33 Landwehrkämpfer zu Fuß versammelt, die zur Hälfte mit langen Spießen und zur Hälfte mit Armbrüsten ausgerüstet und bereit waren, für „Herrn Hagen, unseren einzigen Junker und Baron“ zu streiten.<br.>Ritter Rondrian verlas eine Botschaft Hagens von Salmingen-Sturmfels, von der nur er wusste, dass diese von dessen Mutter Frylinde verfasst worden war: Der Baron danke „seinen treuen Erzweilern“ für ihren Mut und ihre Opferbereitschaft, und zollte ihnen Respekt dafür, ihm auch in seiner viel zu langen Abwesenheit stets die Treue gehalten zu haben. Nun sei die Stunde der Entscheidung gekommen, und die Schlacht wieder Angrond sei zu schlagen. Den stolzen und seit Generationen unbesiegten Truppen Erzweilers käme dabei die Schlüsselaufgabe zu, den Hauptort der Baronie, den Markt Dohlenfelde, im Handstreich zu besetzen und jeden Widerstand schon im Keime zu ersticken.<br.>Danach sei Burg Schwarzfels entweder im Handstreich einzunehmen oder zu belagern. Es gelte nun endlich, das Testament Baron [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=hochadel&recordID=bernhelmvonsturmfels Bernhelms von Sturmfels] zu vollstrecken, bei Rondra.<br.>Rondrian, der auf die sechzig zuging, las den Brief Hagens laut und in aller Ruhe vor, und zog, nachdem er geendet hatte, sein Schwert, reckte es in den bleigrauen Himmel. Seine Tochter und Ingbald Bertenschlag taten es ihm gleich, daraufhin reckten auch alle Waffenknechte und
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Landwehrkämpfer ihre Klingen und Spieße in die Höhe. Ein vieldutzendfaches „Für Hagen, für Erzweiler, für Rondra und Ingerimm!“ ertönte, und die vereinte Streitmacht des Junkerguts Erzweiler setzte sich in Bewegung, wieder der Via Ferra folgend, nun auf dem Wege zur Ochsenbrücke, die beim Markt Dohlenfelde über den Darlin führte.<br.>Die Twergenhäusener und die sich in ihrer Begleitung befindenden Adelstruppen ließen die unfreundlichen Mühlenheimer hinter sich und zogen weiter auf den Hauptort der Baronie, den Markt Dohlenfelde, zu. Dieser lag an der Mündung des kleinen Baches Dorin in den Darlin, hier traf die nordmärkische Via Ferra, über die Ochsenbrücke kommend, auf die almadanische.<br.>Die fast 700 Einwohner des schmucken Ortes befanden sich in großer Unruhe, hatte doch eine Magd aus Mühlenheim sie über das Anrücken des für Hagen streitenden Heeres informiert, und [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=freie&recordID=freilinemuehlenteich Freiline Mühlenteich], die Marktschulzin Dohlenfeldes, hatte daraufhin umgehend die Dorfversammlung in das Gerichtsgebäude einberufen, um zu beraten, was zu tun sei. Die Hochgeweihten des Travia-, Peraine- und Borontempels waren sofort zugegen, doch Ihre Hochwürden [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=geweihtenschaft&recordID=gratfridepraioderavonfoehrenstieg Gratfride Praiodera von Föhrenstieg], Lichtwächterin des Sankta-Lechmin-Tempels zu Dohlenfelde, und bekannt als Unterstützerin des Anspruches Hagens, ließ auf sich warten. Auch dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ein Großteil der freien Familien des Marktes – die alle in der Dorfversammlung Wort und Stimme hatten – im Gerichtsgebäude eingetroffen waren. Dann wurde die schwere zweiflüglige Tür verriegelt, denn die Dorfversammlung tagte seit ehedem in verschlossenen Räumen, und es war uraltes Gesetz, dass kein in der Versammlung geäußertes Wort je nach außen drang.<br.>Freiline Mühlenteich informierte in knappen Worten über den Sachstand und hielt
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anschließend eine beeindruckende Rede, in der sie die Bewohner des Marktes Dohlenfelde aufforderte, die Waffen zu ergreifen und sich Hagens unrechtmäßigen Anspruch auf den Baronsthron ebenso entgegenzustellen wie den schändlichen Städtern aus Twergenhausen, mit denen sich der „Salminger“ verbündet hatte. Das sei man Baron Angrond von Sturmfels, der über viele Jahre gut über die Baronie geherrscht hatte, schuldig. Über viele Jahre habe der Baron seine schützende Hand über den Markt gehalten, nun sei es an der Zeit, ihm dafür zu danken. Freilines Schwester, die Hochgeweihte des Perainetempels, erhob sich und applaudierte, und ein großes „Hört! Hört!“ und „Für Angrond!“ erschallte im Gerichtssaal, der aufgrund des grauen Herbsttages von Kerzen hell erleuchtet war.<br.>Im Kerzenschein stand dann die Praiosgeweihte auf, schaute strengen Blickes in die Runde und legte ihren Zeigefinger so lange auf die Lippen, bis auch der letzte Freibauer und Handwerker Ruhe gab und sich die Perainegeweihte wieder gesetzt hatte. Dann hub sie an und ermahnte die Bewohner des Marktes Dohlenfelde mit strengen Worten:<br.>Durch das Einmischen in die Fehde zwischen den Hochadligen Brüdern Angrond und Hagen würden die sie an den Grundfesten Alverans rütteln, haben sie doch keinen Befehl erhalten, für den einen oder anderen das Schwert zu ergreifen. Wüsste die Versammlung denn, dass es Baron Angronds Wille sein, gegen die Twergenhäuser zu streiten? Was würden sich die Bauern und Handwerker anmaßen, den Wunsch und Willen eines Hochadligen zu erraten? Nein, wer nun voreilig zu den Waffen griffe, würde nicht nur sein Leben unnütz in Gefahr bringen, sondern auch sein Seelenheil.<br.>Daraufhin herrschte eine betretene Stille im Gerichtssaal, viele, die eben noch bereit waren, für Angrond zu kämpfen, schauten betreten zu Boden oder aber zur Perainegeweihten, der Schwester der Dorfvorsteherin. Dann jedoch ergriff Seine Hochwürden [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=geweihtenschaft&recordID=isleifthorkildson Isleif Thorkildson], der Vater des Traviatempels zu Dohlenfelde (er hatte die jüngste der drei „Mühlenteich-Schwestern“, die Traviahochgeweihte war, geheiratet), das Wort. Der rotblonde Hüne aus dem [[wikav:Thorwal|Thorwalschen]] überragte alle Anwesenden, und jedermann wusste, dass der so friedliebende Geweihte durchaus bereit war, sowohl auszuteilen als auch einzustecken, und dies nicht nur als Spielführer der örtlichen Immanmannschaft. Isleif stützte sich mit seinen muskelbepackten Armen auf den großen Tisch und schaute in die Runde. Er sprach davon, dass Freiheit erfochten sein und verteidigt werden muss. Er sprach davon, dass derjenige, der Angrond verteidigen würde, keineswegs sein Seelenheil gefährden würde, sondern im Gegenteil: Den Göttern seine Treue beweisen würde, denn die Treue sei nicht nur der Kern der Freundschaft und der Familie, sondern
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auch des Lehenssystems. Es wäre doch ganz sicher nicht im Sinne der Zwölfe, dass ein Bauer nur handeln würde, wenn er einen Befehl erhielte – oder hätte der Adel etwa bei der letzten Aussaat befohlen, das Getreide aus den Lagern zu holen? Oder bei der letzten Ernte das Einbringen der Früchte angeordnet. Nein, wer handele, mache alles richtig. Wer nicht handele, riskiere hingegen alles.<br.>So ging es nun hin und her. Viele Bauern und Handwerker ergriffen für Angrond das Wort, einige wenige aber auch für Hagen. Wieder andere sprachen sich für Neutralität aus, so die große
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zwergische Gemeinde des Marktes, allen voran der Pächter und Braumeister der örtlichen Brauerei, [http://www.dohlenfelde.de/Leuthe.php?standID=angroschim&recordID=brigomsohndesbrigelosch Brigom Sohn des Brigelosch] aus der Sippe der Birnknödels, einer der angesehensten und reichsten Bürger der ganzen Baronie.<br.>Als ein kräftiges Hämmern an die Tür des Gerichtssaales ertönte, wurde es mucksmäuschenstill. Die schwere zweiflüglige Tür erzittere in ihrem steineichenen Rahmen. Der Gerichtsbüttel, der Wache hielt, schaute etwas hilflos zur Marktvorsteherin. Freiline Mühlenteich starrte voller Verbitterung zur Praiosgeweihten, die sich zufrieden und voller Arroganz und Selbstsicherheit zurücklehnte.<br.>Dann schluckte sie und sprach: „Öffne die Tür, und lass hinein, sei es ein Henker oder ein Edelmann.“<br.>Der Büttel tat wie ihm geheißen, schob den mächtigen Riegel zur Seite, öffnete die Tür. In der Tür stand der stiernackige Throndwig Gliependiek, seine prächtige Rüstung blitzte im Kerzenlicht des Gerichtssaales, das Schwert, mit dessen Knauf er an die Tür gehämmert hatte, in der rechten Hand.<br.>Der Patrizier sprach mit lauter Stimme: „Die Zwölfe zum Gruße, werteste Versammlung! Ich hoffe, bei nichts Wichtigem gestört zu haben. Sollte es so sein, bitte ich vielmals um Entschuldigung.“<br.>Throndwigs Mundwinkel verzogen sich zu einem wissenden Schmunzeln. Nur zu oft hatte der Sohn des Bürgermeisters selbst in
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ausgedehnten Stadtratssitzungen Stundenglas um Stundenglas von Debatten verfolgt und selbst geführt, bis sich der Gegenstand der Streitigkeiten schlicht von selbst erledigt hatte.<br.>Mit Blick zur Dohlenfelder Praioshochgeweihten fuhr er fort: „Hochwürden, ich denke, Ihr solltet Euch einen
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Augenblick Zeit nehmen und kurz herauskommen: Eure Schwester, Ihre Hochgeboren [[alb:Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg|Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg]], bittet darum, Euch sprechen zu dürfen.“<br.>Hinter Throndwig sah man zahlreiche berittene Stadtwehrkämpfer Twergenhausens, und einige berittene Adlige. Darunter die Baronin von Wolfsstein, die am Absteigen war, um ihre praiosgeweihte Schwester, die sie mehrere Monate nicht gesehen hatte, herzlich zu begrüßen.<br.>Der ganze Markt Dohlenfelde war bereits fest in den Händen der mit Hagen verbündeten Twergenhäuser und Adelstruppen, als man vom anderen Darlinufer die Landwehr Erzweilers heranrücken sah. Einige Stadtwehrkämpfer eilten zur Ochsenbrück, um ihre Verbündeten zu begrüßen. Erfreut über die kampflose Besetzung des Hauptortes der Baronie begrüßten sich die Bürger der Herzogenstadt und die Freibauern und Handwerker Erzweilers überschwänglich. Wo die Ortschaft nun gefallen war, ohne dass es auch nur einen Verletzten gegeben hätte, war man allerseits zuversichtlich, dass auch Burg Schwarzfels Hagen und seinen Verbündeten wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen würde.<br.>Rondrian ritt erhobenen Hauptes an der Spitze des Zuges. Die Muskeln seines Streitrosses spielten unter dem Sattel, er konnte die unbndige Kraft des schönen Hengstes erahnen. Er seufzte und senkte den Blick.<br.>„Vater, was ist den mit dir? Seit Tagen treibt dich doch etwas um, ich sehe es deutlich.“<br.>Rondrian sah auf und erblickte das scharfe Gesicht seiner Tochter. Sie war seit ihrer Knappenzeit in Weiden sehr aus den Kinderschuhen entwachsen.<br.>„Es ist nur die einsetzende Schwermut eines alten Mannes. Ich fürchte die Unbilden des [[wikav:Satinav|Satinav]] über mich kommen.“<br.>„So kenne ich dich gar nicht. Es geht in den Kampf und du wirst sentimental?“<br.>„Ach nein, versteh mich bitte nicht miss, es ist nur das ich den unerfüllbaren Wunsch habe, dies möge ohne Grausamkeiten an den Unschuldigen von Statten gehen. Da aber ein Haufen von Soldaten schnell zu einem geifernden, metzelnden und schändenden Mob verkommt, wenn man ihn nicht in der Hand hat, ist es nur ganz schwer erreichbar, diesen Wunsch zu erfüllen. Es ist meine Aufgabe diesen Haufen,“ er blickte sich auf die Kolonne zu um, „diesen Haufen bei Sinnen zu halten, das er sich benimmt. Das kann eine rechte Belastung sein, die ich auf meinen Schultern trage.“<br.>„Sei dir versichert, ich bin dir immer zur Seite!“<br.>Die Kraft in der Stimme seiner Tochter ließ Rondrian den Kopf schütteln.<br.>„Wie könnte ich je daran zweifeln!“<br.>Er reichte ihr die linke Hand und sie legte ihre Rechte hinein. Der Händedruck währte nur kurz, übertrug aber beiderseits Kraft und Zuversicht.<br.>„Na dann, sehen wir zu, das wir nicht den ganzen Tanz verpassen“, knurrte der alte Maringer , winkte der Kolonne zu und rief den Weibeln zu, sie sollten aufpassen, dass keiner
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trödele.<br.>Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg ging gemessenen Schrittes an dem Patrizier aus dem Hause Gliependiek vorbei, ohne diesen auch nur eines Blickes zu würdigen. Die beiden Edlen Rhela von Föhrenstieg und Phelinda von Gernebruch folgten ihr auf dem Fuße.<br.>„Schwesterherz, es erfreut uns in höchstem Maße, dich nach langen Monden wiederzusehen“, begann die Wolfssteiner Baronin.<br.>Dann senkte sie die Stimme, so dass nur ihre Begleiterinnen sowie der Herr Gliependiek und Gratfride sie verstehen konnten.<br.>„Und um so mehr, da ich dich auf der richtigen Seite in dieser Sache wähnen kann. Sind die Beratungen bereits beendet? Oder bedarf es noch einiger Überredungskünste?“<br.>Auch Gratfrides Base Rhela grüßte die Praiosgeweihte, wenn auch etwas förmlicher und eher militärisch knapp.<br.>„Praios mit euch, Hochwürden. Wir haben gehofft, euch hier
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anzutreffen.“<br.>Die Praiosgeweihte antwortete der Baronin zu Wolfsstein: „Praios’ Segen mit Dir, Praiodara! Wie gut, dass Du hier bist, Schwesterherz! Ich freue mich so!“<br.>Und an den Blicken der Bürger war zu erkennen, dass es keiner Überredungskunst mehr bedurfte, die Dorfversammlung im Hauptort der Baronie war beendet. Die meisten Teilnehmer verließen geduckt und mit sehr gemischten Gefühlen das Gerichtsgebäude und kehrten in ihre Häuser zurück oder gingen ihrem Tagwerk nach. Es gab nun weder einen besonderen Grund, Heldenmut zu beweisen, noch einen Anlass, Dummheiten zu begehen. Die Schlacht um Dohlenfelde war verloren, bevor sie geschlagen wurde. Den mit Hagen verbündeten Adligen und Patriziern begegneten die Freien zuvorkommend bis zur Unterwürfigkeit. Einzig die Marktvorsteherin und die beiden Traviageweihten Dohlenfeldes
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blieben im Gerichtsgebäude und begannen damit, einen Brief an Hagen von Salmingen-Sturmfels zu verfassen.<br.>Nachdem klar war, dass Throndwig Gliependiek kein Interesse daran hatte, seinen Stadtwehrkämpfern eine längere Mittagsrast im Hauptort Dohlenfeldes zu gönnen – Marschproviant war genügend aus Twergenhausen mitgenommen worden – begannen die findigen Gastwirte der Ortschaft, auf dem Marktplatz Bier, belegte Brote und sogar Suppen in Holzschalen an die Städter zu verkaufen, Kinder brachten den Pferden der Berittenen für einen Kreuzer Heu und für einen Heller sogar Karotten. Die Offiziere ließen sich von Mägden die Stiefel nachpolieren. Kleinere Zankereien zwischen den Städtern und den Dohlenfeldern –
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zumeist wegen vermeintlich überhöhter Suppenpreise oder schalen Bieres – wurden rasch von den Landwehrkämpfern aus Erzweiler geschlichtet.
  
Als die Truppen der Herzogenstadt Twergenhausen, die den Darlin gen Dohlenfelde
 
hinaufzogen, gerade das Dorf Mühlenheim verlassen hatten und durch die Darlinhügel zogen,
 
trafen die von Aliena und Ingbald angeführten Erzweilerer beim Gutshof Maringen ein.
 
Insgesamt waren dort nun neben zwei Rittern – Rondrian und seine Tochter – zehn berittene
 
Waffenknechte in den Farben Erzweilers und Maringens sowie vier berittene und 33
 
Landwehrkämpfer zu Fuß versammelt, die zur Hälfte mit langen Spießen und zur Hälfte mit
 
Armbrüsten ausgerüstet und bereit waren, für „Herrn Hagen, unseren einzigen Junker und Baron“
 
zu streiten. Ritter Rondrian verlas eine Botschaft Hagens von Salmingen-Sturmfels, von der nur
 
er wusste, dass diese von dessen Mutter Frylinde verfasst worden war: Der Baron danke „seinen
 
treuen Erzweilern“ für ihren Mut und ihre Opferbereitschaft, und zollte ihnen Respekt dafür, ihm
 
auch in seiner viel zu langen Abwesenheit stets die Treue gehalten zu haben. Nun sei die Stunde
 
der Entscheidung gekommen, und die Schlacht wieder Angrond sei zu schlagen. Den stolzen und
 
seit Generationen unbesiegten Truppen Erzweilers käme dabei die Schlüsselaufgabe zu, den
 
Hauptort der Baronie, den Markt Dohlenfelde, im Handstreich zu besetzen und jeden Widerstand
 
schon im Keime zu ersticken. Danach ist Burg Schwarzfels entweder im Handstreich
 
einzunehmen oder zu belagern. Es gelte nun endlich, das Testament Baron Bernhelms von
 
Sturmfels zu vollstrecken, bei Rondra.
 
 
Rondrian, der auf die sechzig zuging, las den Brief Hagens laut und in aller Ruhe vor, und
 
zog, nachdem er geendet hatte, sein Schwert, reckte es in den bleigrauen Himmel. Seine Tochter
 
und Ingbald Bertenschlag taten es ihm gleich, daraufhin reckten auch alle Waffenknechte und
 
Landwehrkämpfer ihre Klingen und Spieße in die Höhe. Ein vieldutzendfaches „Für Hagen, für
 
Erzweiler, für Rondra und Ingerimm!“ ertönte, und die vereinte Streitmacht des Junkerguts
 
Erzweiler setzte sich in Bewegung, wieder der Via Ferra folgend, nun auf dem Wege zur
 
Ochsenbrücke, die beim Markt Dohlenfelde über den Darlin führte.
 
 
Die Twergenhäusener und die sich in ihrer Begleitung befindenden Adelstruppen ließen
 
die unfreundlichen Mühlenheimer hinter sich und zogen weiter auf den Hauptort der Baronie, den
 
Markt Dohlenfelde, zu. Dieser lag an der Mündung des kleinen Baches Dorin in den Darlin, hier
 
traf die nordmärkische Via Ferra, über die Ochsenbrücke kommend, auf die almadanische. Die
 
fast 700 Einwohner des schmucken Ortes befanden sich in großer Unruhe, hatte doch eine Magd
 
aus Mühlenheim sie über das Anrücken des für Hagen streitenden Heeres informiert, und Freiline
 
Mühlenteich, die Marktschulzin Dohlenfeldes, hatte daraufhin umgehend die Dorfversammlung
 
in das Gerichtsgebäude einberufen, um zu beraten was zu tun sei. Die Hochgeweihten des Travia-
 
, Peraine- und Borontempels waren sofort zugegen, doch Ihre Hochwürden Gratfride Praiodera
 
von Föhrenstieg, Lichtwächterin des Sankta-Lechmin-Tempels zu Dohlenfelde, und bekannt als
 
Unterstützerin des Anspruches Hagens, ließ auf sich warten. Auch dauerte es eine gefühlte
 
Ewigkeit, bis ein Großteil der freien Familien des Marktes – die alle in der Dorfversammlung
 
Wort und Stimme hatten – im Gerichtsgebäude eingetroffen waren. Dann wurde die schwere
 
zweiflüglige Tür verriegelt, denn die Dorfversammlung tagte seit ehedem in verschlossenen
 
Räumen, und es war uraltes Gesetz, dass kein in der Versammlung geäußertes Wort je nach
 
außen drang.
 
 
Freiline Mühlenteich informierte in knappen Worten über den Sachstand und hielt
 
anschließend eine beeindruckende Rede, in der sie die Bewohner des Marktes Dohlenfelde
 
aufforderte, die Waffen zu ergreifen und sich Hagens unrechtmäßigen Anspruch auf den
 
Baronsthron ebenso entgegenzustellen wie den schändlichen Städtern aus Twergenhausen, mit
 
denen sich der „Salminger“ verbündet hatte. Das sei man Baron Angrond von Sturmfels, der über
 
viele Jahre gut über die Baronie geherrscht hatte, schuldig. Über viele Jahre habe der Baron seine
 
schützende Hand über den Markt gehalten, nun sei es an der Zeit, ihm dafür zu danken. Freilines
 
Schwester, die Hochgeweihte des Perainetempels, erhob sich und applaudierte, und ein großes
 
„Hört! Hört!“ und „Für Angrond!“ erschallte im Gerichtssaal, der aufgrund des grauen
 
Herbsttages von Kerzen hell erleuchtet war.
 
 
Im Kerzenschein stand dann die Praiosgeweihte auf, schaute strengen Blickes in die
 
Runde und legte ihren Zeigefinger so lange auf die Lippen, bis auch der letzte Freibauer und
 
Handwerker Ruhe gab und sich die Perainegeweihte wieder gesetzt hatte. Dann hub sie an und
 
ermahnte die Bewohner des Marktes Dohlenfelde mit strengen Worten: Durch das Einmischen in
 
die Fehde zwischen den Hochadligen Brüdern Angrond und Hagen würden die sie an den
 
Grundfesten Alverans rütteln, haben sie doch keinen Befehl erhalten, für den einen oder anderen
 
das Schwert zu ergreifen. Wüsste die Versammlung denn, dass es Baron Angronds Wille sein,
 
gegen die Twergenhäuser zu streiten? Was würden sich die Bauern und Handwerker anmaßen,
 
den Wunsch und Willen eines Hochadligen zu erraten? Nein, wer nun voreilig zu den Waffen
 
griffe, würde nicht nur sein Leben unnütz in Gefahr bringen, sondern auch sein Seelenheil.
 
Daraufhin herrschte eine betretene Stille im Gerichtssaal, viele, die eben noch bereit
 
waren, für Angrond zu kämpfen, schauten betreten zu Boden oder aber zur Perainegeweihten, der
 
Schwester der Dorfvorsteherin. Dann jedoch ergriff Seine Hochwürden Isleif Thorkildson, der
 
Vater des Traviatempels zu Dohlenfelde (er hatte die jüngste der drei „Mühlenteich-Schwestern“,
 
die Traviahochgeweihte war, geheiratet), das Wort. Der rotblonde Hüne aus dem Thorwalschen
 
überragte alle Anwesenden, und jedermann wusste, dass der so friedliebende Geweihte durchaus
 
bereit war, sowohl auszuteilen als auch einzustecken, und dies nicht nur als Spielführer der
 
örtlichen Immanmannschaft. Isleif stützte sich mit seinen muskelbepackten Armen auf den
 
großen Tisch und schaute in die Runde. Er sprach davon, dass Freiheit erfochten sein und
 
verteidigt werden muss. Er sprach davon, dass derjenige, der Angrond verteidigen würde,
 
keineswegs sein Seelenheil gefährden würde, sondern im Gegenteil: Den Göttern seine Treue
 
beweisen würde, denn die Treue sei nicht nur der Kern der Freundschaft und der Familie, sondern
 
auch des Lehenssystems. Es wäre doch ganz sicher nicht im Sinne der Zwölfe, dass ein Bauer nur
 
handeln würde, wenn er einen Befehl erhielte – oder hätte der Adel etwa bei der letzten Aussaat
 
befohlen, das Getreide aus den Lagern zu holen? Oder bei der letzten Ernte das Einbringen der
 
Früchte angeordnet. Nein, wer handele, mache alles richtig. Wer nicht handele, riskiere hingegen
 
alles. So ging es nun hin und her. Viele Bauern und Handwerker ergriffen für Angrond das Wort,
 
einige wenige aber auch für Hagen. Wieder andere sprachen sich für Neutralität aus, so die große
 
zwergische Gemeinde des Marktes, allen voran der Pächter und Braumeister der örtlichen
 
Brauerei, Brigom Sohn des Brigelosch aus der Sippe der Birnknödels, einer der angesehensten
 
und reichsten Bürger der ganzen Baronie.
 
 
Als ein kräftiges Hämmern an die Tür des Gerichtssaales ertönte, wurde es
 
mucksmäuschenstill. Die schwere zweiflüglige Tür erzittere in ihrem steineichenen Rahmen. Der
 
Gerichtsbüttel, der Wache hielt, schaute etwas hilflos zur Marktvorsteherin. Freiline Mühlenteich
 
starrte voller Verbitterung zur Praiosgeweihten, die sich zufrieden und voller Arroganz und
 
Selbstsicherheit zurücklehnte. Dann schluckte sie und sprach: „Öffne die Tür, und lass hinein, sei
 
es ein Henker oder ein Edelmann.“ Der Büttel tat wie ihm geheißen, schob den mächtigen Riegel
 
zur Seite, öffnete die Tür. In der Tür stand der stiernackige Throndwig Gliependiek, seine
 
prächtige Rüstung blitzte im Kerzenlicht des Gerichtssaales, das Schwert, mit dessen Knauf er an
 
die Tür gehämmert hatte, in der rechten Hand. Der Patrizier sprach mit lauter Stimme: „Die
 
Zwölfe zum Gruße, werteste Versammlung! Ich hoffe, bei nichts Wichtigem gestört zu haben.
 
Sollte es so sein, bitte ich vielmals um Entschuldigung.“ Throndwigs Mundwinkel verzogen sich
 
zu einem wissenden Schmunzeln. Nur zu oft hatte der Sohn des Bürgermeisters selbst in
 
ausgedehnten Stadtratssitzungen Stundenglas um Stundenglas von Debatten verfolgt und selbst
 
geführt, bis sich der Gegenstand der Streitigkeiten schlicht von selbst erledigt hatte. Mit Blick zur
 
Dohlenfelder Praioshochgeweihten fuhr er fort: „Hochwürden, ich denke, Ihr solltet Euch einen
 
Augenblick Zeit nehmen und kurz herauskommen: Eure Schwester, Ihre Hochgeboren Praiodara
 
von Wolfsstein-Föhrenstieg, bittet darum, Euch sprechen zu dürfen.“ Hinter Throndwig sah man
 
zahlreiche berittene Stadtwehrkämpfer Twergenhausens, und einige berittene Adlige. Darunter
 
die Baronin von Wolfsstein, die am Absteigen war, um ihre praiosgeweihte Schwester, die sie
 
mehrere Monate nicht gesehen hatte, herzlich zu begrüßen.
 
 
Der ganze Markt Dohlenfelde war bereits fest in den Händen der mit Hagen verbündeten
 
Twergenhäuser und Adelstruppen, als man vom anderen Darlinufer die Landwehr Erzweilers
 
heranrücken sah. Einige Stadtwehrkämpfer eilten zur Ochsenbrück, um ihre Verbündeten zu
 
begrüßen. Erfreut über die kampflose Besetzung des Hauptortes der Baronie begrüßten sich die
 
Bürger der Herzogenstadt und die Freibauern und Handwerker Erzweilers überschwänglich. Wo
 
die Ortschaft nun gefallen war, ohne dass es auch nur einen Verletzten gegeben hätte, war man
 
allerseits zuversichtlich, dass auch Burg Schwarzfels Hagen und seinen Verbündeten wie ein
 
reifer Apfel in den Schoß fallen würde.
 
 
Rondrian ritt erhobenen Hauptes an der Spitze des Zuges. Die Muskeln seines
 
Streitrosses spielten unter dem Sattel, er konnte die unbndige Kraft des schönen Hengstes
 
erahnen. Er seufzte und senkte den Blick.
 
 
„Vater, was ist den mit dir? Seit Tagen treibt dich doch etwas um, ich sehe es deutlich.“
 
Rondrian sah auf und erblickte das scharfe Gesicht seiner Tochter. Sie war seit ihrer Knappenzeit
 
in Weiden sehr aus den Kinderschuhen entwachsen.
 
„Es ist nur die einsetzende Schwermut eines alten Mannes. Ich fürchte die Unbilden des
 
Satinav über mich kommen.“
 
 
„So kenne ich dich gar nicht. Es geht in den Kampf und du wirst sentimental?“
 
„Ach nein, versteh mich bitte nicht miss, es ist nur das ich den unerfüllbaren Wunsch
 
habe, dies möge ohne Grausamkeiten an den Unschuldigen von Statten gehen. Da aber ein
 
Haufen von Soldaten schnell zu einem geifernden, metzelnden und schändenden Mob verkommt
 
wenn man ihn nicht in der Hand hat, ist es nur ganz schwer erreichbar diesem Wunsch zu
 
erfüllen. Es ist meine Aufgabe diesen Haufen,“ er blickte sich auf die Kolonne zu um, „diesen
 
Haufen bei Sinnen zu halten, das er sich benimmt. Das kann eine rechte Belastung sein, die ich
 
auf meinen Schultern trage.“
 
„Sei dir versichert, ich bin dir immer zur Seite!“ Die Kraft in der Stimme seiner Tochter
 
ließ Rondrian den Kopf schütteln.
 
 
„Wie könnte ich je daran zweifeln!“ Er reichte ihr die linke Hand und sie legte ihre
 
Rechte hinein. Der Händedruck währte nur kurz, übertrug aber beiderseits Kraft und Zuversicht.
 
„Na dann, sehen wir zu, das wir nicht den ganzen Tanz verpassen.“ knurrte der alte
 
Maringer , winkte der Kolonne zu und rief den Weibeln zu sie sollten aufpassen das keiner
 
trödele.
 
 
Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg ging gemessenen Schrittes an dem
 
Patrizier aus dem Hause Gliependiek vorbei, ohne diesen auch nur eines Blickes zu würdigen.
 
Die beiden Edlen Rhela von Föhrenstieg und Phelinda von Gernebruch folgten ihre auf dem
 
Fuße.
 
 
„Schwesterherz, es erfreut uns in höchstem Maße, dich nach langen Monden
 
wiederzusehen“, begann die Wolfssteiner Baronin. Dann senkte sie die Stimme, so dass nur ihre
 
Begleiterinnen sowie der Herr Gliependiek und Gratfride sie verstehen konnten. „Und um so
 
mehr, da ich dich auf der richtigen Seite in dieser Sache wähnen kann. Sind die Beratungen
 
bereits beendet? Oder bedarf es noch einiger Überredungskünste?“
 
Auch Gratfrides Base Rhela grüßte die Praiosgeweihte, wenn auch etwas förmlicher und
 
eher militärisch knapp. „Praios mit euch, Hochwürden. Wir haben gehofft, euch hier
 
anzutreffen.“
 
 
Die Praiosgeweihte antwortete der Baronin zu Wolfsstein: „Praios’ Segen
 
mit Dir, Praiodara! Wie gut, dass Du hier bist, Schwesterherz! Ich freue mich so!“ Und an den
 
Blicken der Bürger war zu erkennen, dass es keiner Überredungskunst mehr bedurfte, die
 
Dorfversammlung im Hauptort der Baronie war beendet.
 
 
Die meisten Teilnehmer verließen geduckt und mit sehr gemischten Gefühlen das
 
Gerichtsgebäude und kehrten in ihre Häuser zurück oder gingen ihrem Tagwerk nach. Es gab nun
 
weder einen besonderen Grund, Heldenmut zu beweisen, noch einen Anlass, Dummheiten zu
 
begehen. Die Schlacht um Dohlenfelde war verloren, bevor sie geschlagen wurde. Den mit
 
Hagen verbündeten Adligen und Patriziern begegneten die Freien zuvorkommend bis zur
 
Unterwürfigkeit. Einzig die Marktvorsteherin und die beiden Traviageweihten Dohlenfeldes
 
blieben im Gerichtsgebäude und begannen damit, einen Brief an Hagen von Salmingen-Sturmfels
 
zu verfassen.
 
 
Nachdem klar war, dass Throndwig Gliependiek kein Interesse daran hatte, seinen
 
Stadtwehrkämpfern eine längere Mittagsrast im Hauptort Dohlenfeldes zu gönnen –
 
Marschproviant war genügend aus Twergenhausen mitgenommen worden – begannen die
 
findigen Gastwirte der Ortschaft, auf dem Marktplatz Bier, belegte Brote und sogar Suppen in
 
Holzschalen an die Städter zu verkaufen, Kinder brachten den Pferden der Berittenen für einen
 
Kreuzer Heu und für einen Heller sogar Karotten. Die Offiziere ließen sich von Mägden die
 
Stiefel nachpolieren. Kleinere Zankereien zwischen den Städtern und den Dohlenfeldern –
 
zumeist wegen vermeintlich überhöhter Suppenpreise oder schalen Bieres – wurden rasch von
 
den Landwehrkämpfern aus Erzweiler geschlichtet.
 
 
  [[Kategorie:Abenteuer]]
 
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Version vom 23. April 2012, 10:32 Uhr

Teil der Briefspielgeschichte "Dohlenfelder Thronfolgestreit"