Ein einfacher Auftrag - Im Zelt des Grafen
Die beiden nun doch im Schicksal vereinten Barone sahen sich kurz an, Roklan überließ dem älteren Standesbruder den Vortritt und folgte dann mit seinen beiden Knappen.
Im Zelt war es erstaunlich hell, durch einige Fensteröffnungen schien das Licht des Sommertages in das Innere. Der Herold führte sie durch den Vorraum und schob dann einen Vorhang zum Innersten, zum Heiligtum oder Thronraum, des gräflichen Zeltes beiseite.
„Seine Hochgeboren, Baron Roklan Boromar von Leihenhof zum Galebquell, sowie Seine Hochgeboren Baron Erlan von Sindelsaum zu Sindelsaum“, kündigte er in für Roklan überraschender Etikette die beiden Herbeizitierten an.
Also betrat Roklan vor Erlan – jetzt hatte er immerhin einen Namen zu diesem Gesicht und dem Wappen – das Innerste, wies aber mit einer Handbewegung seine Knappen an, genau dort zu warten, wo sie jetzt gerade standen.
Hinter einem Tisch standen zwei wirklich beeindruckende Personen. Zum einen der Graf der Lande Gratenfels, Alrik Custodias-Greifax, in ritterlicher Erscheinung angetan mit Plattenpanzer, Wappenrock und Schwert. Neben ihm stand ein anderer, Roklan unbekannter Ritter, groß und ehrfürchtig, angetan in einer schweren Garether Platte mit Beinschienen und Helm, obzwar dieser nun neben ihm auf dem Tisch ruhte und sein dunkelblondes Haar entblößte.
Der Graf sah auf und ließ seinen Blick erst auf Roklan ruhen, dann auf Erlan. Er lächelte breit, sein blonder Kaiser-Alrik-Bart wackelte bei der Bewegung seiner Lippen. Roklan verbeugte sich vor seinem Lehnsherrn, was dieser mit einem knappen Kopfnicken kommentierte.
„Baron Galebquell, Baron Sindelsaum. Gut, dass Ihr so schnell meinem Ruf gefolgt seid.“ Seine Stimme klang distanziert, seine Worte gemessen. „Exzellenz Hammerschlag und ich haben etwas Wichtiges mit Euch zu besprechen.“
Roklan verengte seine Augen und taxierte kurz den mit Hammerschlag bezeichneten Herrn. Diesen Namen hatte er schon einmal vernommen – Thorben Raul von Hammerschlag, Fürstlich Koscher Wehrmeister und damit Marschall der koscher Truppen. Er führte das koscher Kontingent auch auf diesem Zug an. Was aber konnten diese beiden hoch- und höchstgestellten Herrschaften von ihm und seinem Standesbruder wollen?
Alrik richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. In der rechten hielt er einen Zeigestock, der nun über seiner Schulter aufragte wie ein langer Stachel.
„Ich komme gleich zur Sache. Ihr sollt mit einem kleinen, sorgfältig ausgewählten Trupp gen Jannendoch reiten und dort Vogt Ewain von Dolbenstein aufnehmen. Wir benötigen detaillierte Angaben, welchen Widerstand das kaiserliche Heer auf seinem Marsch bis nach Jannendoch zu erwarten hat.“
Erlan und Roklan sahen sich an, in beiden Gesichtern stand ein und dieselbe Frage.
„Wir möchten, dass jeder von Euch vier Gefolgsleute auswählt, zum eigenen Schutze. Zwei Späher werden Euch gestellt. Ihr sollt gleich morgen früh aufbrechen.“
Der Graf übergab mit einem kurzen Blick das Wort an den koscher Wehrmeister, der insbesondere seinen Landsmann ansah. Dann beugte er sich vor und stützte sich auf Tisch und Karte ab, seine rechte Hand ruhte auf Niriansee, seine linke auf Otterntal.
„Ihr, Hochgeboren Roklan von Leihenhof, werdet den Trupp anführen. Ihr, Baron Erlan, werdet seiner Hochgeboren mit Rat und Tat als Adjutant zur Seite stehen.“
Roklan bemerkte, wie sein Lehnsherr ihn beobachtete. Der Blick war unergründlich. Der junge Baron atmete erneut tief durch, sein Panzer spannte sich über seinem Brustkorb. Dann sah er kurz Erlan an, neigte sein Gesicht leicht zur Seite. Sein Blick war offen und freundlich. Locker verschränkte er die Arme vor der Brust.