Heerzug gegen Haffax - Der Staub legt sich
1039, Tobrien
„Mir tut es um die arme Bachede leid“ sagte eine Kämpferin der Landwehr zu der Gefährtin, die neben ihr saß. Auch die Andere war erschöpft, ihre Kleidung mit Blut, Dreck und anderem beschmiert. Die meisten, die die Kämpfe überlebt und den Fall des Kastells miterlebt hatten, waren, nachdem der Sieg sicher war, einfach nur jenseits aller Kräfte und hatten sich dort niedergelassen, wo sie gerade waren, um erst mal zu Atem zu kommen. „Dieses… Ding! Es hat ihr einfach bei lebendigem Leibe den Kopf abgerissen, als ob sie eine Puppe wäre… das hat der arme Bolzer nicht verdient, dass seine liebe Frau dieses Ende finden musste. Mögen die Zwölfe ihm gnädig sein, ihm und seinen Kindern. Aber diese Praiotin, die hat es dieser Bestie ganz ordentlich gezeigt!“ „Ja, zu irgendwas müssen diese Praioten ja auch gut sein, oder?“ hatte ihre Kameradin geantwortet und obwohl Praios im Kosch nicht sonderlich Anerkennung fand, so galt dies seit dieser Schlacht nicht mehr unbedingt für seine Geweihten, die sich gemeinsam mit den Kämpfern an vorderster Front gegen den Feind warfen.
Es war weit nach Mitternacht, als sich der Staub legte. Manche sagten, einem Leichentuch gleich senkte er sich auf das Schlachtfeld nieder, um die Spuren der Schlacht und die Gefallenen gnädig zu bedecken. Stimmen wie die obrigen hörte man viele, leise hier, lauter dort. Die tapferen Koscher Streiter hatten den Sieg errungen, doch was war das für eine Schlacht gewesen! Und wie viel Schmerz und Leid hatten sie heute erlebt.
Die Geweihten hatten alle Hände voll zu tun um dafür zu sorgen, dass die Gefallenen sicher in die Zwölfgöttlichen Paradiese eingehen würden. Ein Großteil der Wunden, die die Koscher in dieser Schlacht erhalten hatten, ließen sich nicht im Lazarett versorgen, hier würden nur die Boronis oder andere Geweihte helfen können.
Der Gegner, der sich nach dem Sturm des Vorplatzes in das Hauptkastell zurückgezogen hatte, konnte längst nicht so viele Köpfe aufbieten wie die Angreifer. Doch die fehlende Personenstärke machte er, wie sich später zum Schrecken der Koscher herausstellte, durch Kräfte der jenseitigen Sphären sowie dunkle Magie mehr als wett. Viele der tapferen Koscher Streiter werden noch ihren Kindern und Kindeskindern erzählen, dass diese Schlacht wohl das Unheimlichste und Grauenvollste war, dass sie bis dato erlebt hatten.
Nach der Erstürmung der Vorburg kam das Schlachtgeschehen ins Stocken. Der Feind hatte sich in das Hauptkastell zurückgezogen, die Koscher die Gunst der Stunde genutzt und sich um ihre Toten und Verletzten gekümmert. Ein Augenblick des Verschnaufens war ihnen gegönnt. Jetzt, rückblickend, wirkte er wie ein Hohn. Der Gegner hatte sich darauf verstanden, die Koscher trotz seiner Lage immer wieder zu überraschen und in Bedrängnis zu bringen. Keine Pause wehrte lang, der Feind sorgte immer wieder mit nadelstichgleichen Attacken dafür, dass die Koscher zur Ruhe nicht kommen sollten. Zuerst waren es die Angriffe mit Armbrüsten über die Palisade hinweg. Der Angriff an sich war nicht von großer Zahl, doch forderte er trotzdem Opfer. Größtenteils nur Verwundete, doch sorgte sie zum einen dafür, dass die Zahl der Streiter weiter sank, zum anderen sorgte sie für Gereiztheit und Anspannung bei den tapferen Koschern. Der Sieg über die Moral war an dieser Stelle viel bedeutender als über Leben und Tod.
Ein erster Ansturm am Nachmittag kostete viel Kraft, musste schließlich jedoch abgebrochen werden. Noch war die Moral und die Kampfkraft des Gegners nicht genug geschwächt, als dass die Koscher das Kastell stürmen konnten. Der Angriff hatte auch den Gegner geschwächt, keine Frage. An einigen Stellen war selbiger schwer damit beschäftigt, Schäden auszubessern und das Kastell zu halten. Doch auch die Koscher hatten einiges einstecken müssen, waren sie doch stetem Beschuß ausgesetzt gewesen. Zwischendurch kamen gar Gerüchte auf, dass der Feind sie ganz bewußt habe bis zum Kastell vorrücken lassen, um ihnen jetzt zu zeigen, wo der Bartel den Most holt.
Am späten Nachmittag hatten sich die Koscher Kräfte wieder gesammelt und neu aufgestellt. Der Feind hatte den ganzen Nachmittag hindurch immer wieder kleinere Angriffe und Nadelstiche gewagt und damit der Moral der Truppe ordentlich zugesetzt. Einen kleinen Teil der Verspätung hatten die Koscher selbst zu verschulden. Nachdem der Heermeister und auch der Stab merkte, dass die Truppen unruhig wurden und immer mehr Zweifel umgingen, hat man kurzfristig einen Feldgötterdienst anberaumt. Natürlich lies sich der Feind die Gelegenheit nicht nehmen, doch dieses Mal hatten sich die Koscher vorbereitet. Die Nähe zu den Zwölfen, für die sie hier standen und stritten, machte vielen Koschern wieder Mut und gab Ihnen neue Energie. Und dann folgte der Angriff auf das Flusskastell.
Es begann mit den Hornissen der Bergschützen. Diese hatten den Nachmittag genutzt und ihre Munition aufgestockt und bereitgelegt. Nun ging ein Beschußhagel auf den Feind nieder, der den anderen Truppen des Kosch Zeit verschaffen sollte, um bis zum Tor zu gelangen. Das massive und gut gesicherte Tor musste fallen, damit das Kastell erobert werden konnte.
Diese rückten an, mit Schilden und notdürftig erstellten Schutzmatten auf dem Weg zum Tor. Die Bergschützen leisteten wertvolle und gute Arbeit und doch blieb der Vorstoß nicht ohne Gegenwehr, nicht ohne Verwundete und gar Tote. Doch das stachelte den Kampfeswillen der vorrückenden Koscher dieses Mal nur weiter an. Mit Wucht donnerte der Rammbock das erste Mal gegen das Tor, dass es knirschte und knackte im Gebälk des Kastells – doch noch hielt das Tor den Angreifern stand. Ein zweites Mal donnerte der massive Kopf gegen das verstärkte Holz und Funken stoben, als das massive Metall auf die gleichsam metallischen Verstärkungen und Beschläge traf. Ein drittes Mal setzte der Bock am Tor an und wieder krachte und knirschte es – doch es wurde klar, dass hier noch einige Arbeit zu tun war. Und auch der Gegner hatte sich vom ersten Ansturm erholt, seine Gegenwehr erstarkte. Von oben wurden die Angreifer nicht nur mit Bolzen und Lanzen, sondern auch mit heißem Wasser und Brandöl bearbeitet und so musste der Vorstoß immer wieder unterbrochen werden, mussten sich die tapferen Männer und Frauen immer wieder zurückziehen, bevor sie mit ihrem zermürbendem Werk fortfahren konnten.
Derweil bemühten sich andere Teile der Koscher, den Feind redlich abzulenken. Die fürstlichen Hellebardiere berannten die Seiten des Kastells, versuchten hier und da, die Palisaden zu erreichen, gar zu erklimmen.
Dann begann der Gegner, seine Trümpfe auszuspielen. Die Koscher Truppen hielten den Atem an, als sie gewahr wurden, dass der Gegner nun auch vor dem Einsatz übler Magie nicht zurückschreckte. Am Anfang stand der Einsatz von Beherrschungsmagie, der dazu führte, dass selbst die tapfersten Soldatinnen ihre Beine in die Hand nahmen oder noch an Ort und Stelle vor Schreck unfähig waren, sich zu bewegen – und so waren sie leichtes Spiel. Und mit zunehmender Dunkelheit wurde der Gegner in der Wahl seiner Mittel immer gnadenloser. Für viele Koscher war es das erste Mal, dass sie einer leblosen Kutte gegenüberstanden, dem seelenlosen Kämpfer der Niederhöllen, der mit Peitsche und Schwert Verderben, Grauen und Schmerz über die tapferen Koscher brachte. Und als die Koscher dachten, es könne kaum noch schlimmer kommen, wurden sie der schrecklichen fliegenden Ungeheuer gewahr, die als übelstes Zerrbild der himmlischen Greifen aus dem dunklen Himmel geradewegs auf die Koscher Soldatinnen und Soldaten stürzten und unter den vor Schreck erstarrten Truppen reiche Ernte hielten. Viele gute Streiter fielen an diesem Tag und an diesem Abend.
Exemplarisch seien hier beispielhaft die letzten Augenblicke des Conrad Salfridjes von Rohalssteg beschrieben. Der Baron, der nach langer Zeit der Meditation wieder an die Öffentlichkeit getreten war, um in diesem Heerzug mitzukämpfen und seinen Namen reinzuwaschen von den Makeln der Vergangenheit führte ein kleines Kontingent Adliger an, die als Entsatz dafür sorgten, dass sich die Sappeurstruppen, die Blut, Schweiß und Tränen und einen hohen Mannzoll gezahlt hatten, um das Tor des Hauptkastells zu knacken, zurückziehen konnten. Ihre Aufgabe war es, das Tor aufzuhalten, bis die Reiterei heran war, um das Kastell zu stürmen. Am Tor erwartete sie ein blutiger Kampf, denn die verbleibenden Sappeure waren allesamt mit dem Gegner in Kämpfe gebunden. Die Verteidiger schenkten ihnen nichts. Stück für Stück schafften es die Kämpfer unter Baron Conrads Kommando, die Sappeure aus ihren Einzelkämpfen zu lösen, so dass diese sich sichtlich erschöpft endlich zurückziehen konnten.
Doch die Reiterei lies auf sich warten – sie war außerhalb des Kastells in einen Angriff der fliegenden Ungeheuer geraten, gegen den sie sich zur Wehr setzen mussten, bevor sie auf das Tor stürmen konnten.
Und so sahen sich Baron Conrad und seine Leute in blutige Kämpfe verwickelt. Und es kam noch schlimmer. Hatte es eben noch den Anschein, als ob sich die Verteidiger endlich zurückzögen, folgte der Schrecken sogleich. Ein mächtiges Wesen, das aussah wie ein Tiger, setzte auf die Angreifer zu. Ein wahrhaftiger Zant war unter die Kämpfer gefahren und hielt reiche Ernte unter den tapferen Koschern.
Als schließlich die Erde bebte, als die tapfere Reiterei des Adelsaufgebotes schließlich in Kamfpformation das Tor stürmte, war es schon spät in der Nacht. Die Koscher unter dem Kommando von Baron Conrad hatten dem Feind standgehalten und hatten – stur wie die Angehörigen des Zwergenvolkes, denen die Koscher ja recht nahe standen, beständig alles daran gesetzt, das Tor zu halten. Und sie hatten es geschafft. Es war blutig. Es war grausam. Es war verlustreich. Einer der Tapfersten, die an diesem Abend an Rondras Tafel aufstiegen, war der Baron Conrad selbst gewesen, der sich heldenhaft dem Kampf mit dem Zant stellte und so vielen seiner Kämpfer das Leben rettete. Doch sein Opfer war nicht umsonst. Es war geschafft!
Ein Teil des Adelsaufgebotes schließlich stürmte das Kastell und die Reiter bestehend aus Junkern, Edlen und Rittern ließen den ganzen Zorn und die ganze Wut der Koscher, die in den vergangenen Stunden von den Verteidigern bis aufs Äußerste gereizt und zermürbt wurden, heraus, ließen ihre Gegner ihre Verachtung spüren. Und so hatte der Kampf, der von vornherein kein ehrenhafter war, kaum noch etwas von den ritterlichen Tugenden und den hehren Idealen der Rondrakirche. Als in der Nacht schließlich die Flagge der Kaiserlichen über dem Kastell gehisst wurde, mochte trotz des Sieges keine rechte Freude unter den Koschern aufkommen, die viele gute Männer und Frauen verloren hatten bei diesem Kampf. Und vielen von ihnen wurde erst hier klar, gegen wen sie hier eigentlich kämpften…