Der Alagrimm - Regnerische Begrüßung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 8. Januar 2020, 19:01 Uhr


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4. Bor 1039 BF
Regnerische Begrüßung


Kapitel 1

Wandergeplauder

Tosch Mur, 04. Boron 1039 BF

Regen prasselte unaufhörlich auf Korkron nieder. Er war bis auf die Haut durchnässt und seiner Kleidung ging es genauso.
Ungerüstet und in einfachen Stoff und Ledersachen gekleidet hingen dem breitschultrigen Angroscho seine langen zu Zöpfen gebundenen roten Haare auf Brust und Rücken.
Er hasste Regen. An einem Leben außerhalb der heimischen Stollen hatte er im Laufe der Jahre zwar schon Gefallen gefunden. Doch diesen kalten Wassermassen von oben konnte er nichts abgewinnen.
Keine noch so kleine Regenpause hatte ihm das Wetter heute gegönnt. Vor mittlerweile 2 Stunden hatten er und Daak, sein weißer Berghund, eine Pause gemacht und gehofft, ein trockenes Plätzchen zu finden und ein wenig zu verschnaufen.
Trocken war jedoch ihr Rastplatz nicht gewesen und obwohl ihnen nur eine kleine Erholung gegönnt war, mussten sie sich nun doppelt sputen, um noch im Hellen in Hammerschlag anzukommen.

Ein weiteres Mal hatte er den Auftrag bekommen, das Zusammenleben zwischen Mensch und Zwerg zu schützen und einen aufkommenden Zwist zu untersuchen und möglichst zu unterbinden.
Seine Reise nach Hammerschlag verdankte er offensichtlich einer Angroschna, die in Siebenessen Quartier bezogen hatte, aber dann das Bewusstsein verloren hatte und noch immer ohne Bewusstsein war.
Grundsätzlich hörte sich das nicht nach einem spektakulären Auftrag und schon gar nicht nach einem Auftrag zum Schutz der Lex Zwergia an.
Doch hatte man ihm versichert, dass Umstände auf mehr als eine vermisste Angroschna hinweisen würden.

Sonst hang die kleine, in Metall eingefasste steinerne Siegelsteele Tosch Murs stolz um seinen Hals, die ihn als offiziellen Gesandten des Bergkönigreichs und Wächter der Lex Zwergia ausgab.
Auf seiner völlig durchnässten Kleidung jedoch sah sie nun genau wie Korkron ein wenig trost- und lustlos aus.
Und mindestens genauso zog Daak den kleinen Wagen mit Korkrons Ausrüstung hinter sich her.

Endlich erkannte er die erhöhte Ringstraße der Stadt. Seine Laune wurde besser, als er sich das gemütliche Gasthaus und natürlich ein gutes Bier vorstellte. In der frühen Dämmerung ging er durch die engen Gassen Hammerschlags, erreichte das Gasthaus und trat ein.
In der Stube der Wirtschaft ging es schon jetzt hoch her. Eine Mischung aus allerlei Gerüchen, angenehmen wie auch zum Teil weniger liebsamen schlug ihm ebenso entgegen, wie ein lautes Stimmengewirr verschiedener Mundarten. Pfeifenrauch lag in der Luft, erfüllte den Raum mit einem würzigen Dunst. Eine Vielzahl Menschen und Angroschim saßen an diversen Tischen, aßen und tranken.
Die Gaststube war rustikal eingerichtet und lud mit ihrem ganz eigenen Charm zum Verweilen ein. Als sich Korkron in Richtung Tresen durchkämpfte, hinter dem zwei große, stark untersetzte Männer ihren Dienst versahen und fleißig Gerstensaft zapften, erblickte er einen Angroscho, welcher im hinteren Teil der Stube allein an einem kleinen Tisch saß. Er war mittleren Alters und hatte rostrotes Haar, welches ihm wild bis zu den Schultern viel. Ein langer, dicker geflochtener Bart viel ihm im Sitzen bis in den Schoss, während sein Schnauzer von auffallend ausladender Natur war. All dies jedoch weckte nicht die Aufmerksamkeit des Sohns des Kodorn. Nein, es war das künstliche, blitzende Metallauge und die prunkvolle Kettenrüstung, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie aus Toschkril gefertigt war.
Der Angroscho hatte eine Armbrust vor sich auf dem Tisch liegen. Sie war in ihre Einzelteile zerlegt. Er war dabei zu pflegen, zu ölen und neu zu justieren. Hierzu hatte er eine Werkzeugtasche neben sich auf dem Stuhl ausgebreitet. Mit einer beinernen Pfeife im Mundwinkel schraubte er gerade konzentriert an der Zielvorrichtung der Fernwaffe, die offensichtlich über einen Spannfuss-, wie auch über eine Kurbelvorrichtung verfügte.
Erfreut, direkt einen Angroscho zu sehen und etwas neugierig ob der Armbrust und des Auges, wechselte Korkron ohne langes Zögern die Richtung und hielt auf den schwer Gerüsteten zu.
Doch kurz bevor er sich durch die Großen bis zu dem Tisch des Angroscho durchgearbeitet hatte, hörte er eine Männerstimme sagen: „Hey, haltet ein“. Bevor sich Korkron gegen das anschließende Halten an seiner Schulter erwehren konnte, sprach die Stimme weiter und fragte: „Seid Ihr der Untersucher?“ Schon fast ungehalten antwortete Korkron genervt: „Der Was?“ „Untersucher? Was bei Angoschs Bart soll das sein?“
Resolut und kein bisschen eingeschüchtert antwortete der großgewachsene, dicke und glatzköpfige Mann, der offenbar eine Bedienung der Gaststätte war: „Na, der Zwerg, der wegen der Geweihten da ist. Bist Du doch, oder? Hast ja sicher nicht umsonst das Gebimsel um den Hals.“
Korkron zwang sich zur Ruhe und schloss die Augen. Nach einigen Momenten sagte er zunächst ruhig, dann aber lauter werdend und seine Wut nur leidlich beherrschend: „Dieses „Gebimsel“, werter Mann, weist mich aus als Korkron, Sohn des Kodorn, Mandatar Tosch Murs. Ich bin hier, um das Gesetz der Lex Zwergia zu schützen und umzusetzen. Ich soll hier den Wirt aufsuchen und den Fall einer Angroschna untersuchen. Ich weiß nichts von einer Geweihten, würde aber gerne den Wirt sprechen und mich um die Angroschna kümmern.“ Ohne auf den angesetzten Einwand des Mannes zu reagieren, fuhr er fort: „In der Zeit könntet Ihr meinen Hund hereinholen, der im Geschirr vor Eurem Haus steht und den kleinen Wagen unterstellen.“
Aus Sicht Korkrons schien ihm der Mann zu wenig eingeschüchtert, als dieser seine Worte runterschluckte. Er drehte sich um, um zurück zur Theke zu gehen. Drückte Korkron dann jedoch noch ein Pergament in die Hand, bevor er sich nach draußen begab: „Der Wirt ist heute Abend nich‘ da. Könnt ihn ers‘ morgen früh sprech’n!“

Korkron öffnete das ihm unbekannte Siegel, las eilig das Pergament durch und verstaute es sorgfältig in seiner Tasche. Dann endlich setzte er sich wie ein nasser Hund auf einen freien Stuhl am Tisch des rothaarigen Zwerges, wobei Tropfen aus Bart und Haaren fielen, betrachtete den an der Armbrust werkelnden Angroscho genau und begrüßte ihn dann mit den Worten: „Angrosch zum Gruß. Darf ich mich zu Dir setzen? Kennst Du Dich hier aus? Ich bin Korkron, Sohn des Kodorn!“
Der Angroscho benötigte einen Augenblick, um sich von seinem Werkstück vor sich loszureißen, doch schließlich sah er auf und begann erfreut zu lächeln, als er den Amboßzwerg erblickte.
„Angrosch zum Gruß Korkon. Mein Name ist Tharnax, ich bin der Sohn des Thorgrimm. Bitte setz dich und trink mit mir, ich bin ohnehin fast fertig mit der Feinjustierung und würde mich über Gesellschaft beim Essen freuen.“
Korkron stutzte, diesen Namen kannte er. Der Sohn des Thorgrimm war ein Veteran der Orkkriege und vor langer Zeit zum Bergvogt von Ârxozim ernannt worden. Die abgelegene Enklave der Erzzwerge lag hoch oben am Götterfirst und war reich an Toschkril.
Tharnax wartete indes, bis Korkron sich gesetzt hatte, dann nahm er seine Arbeit an der Armbrust wieder auf, ging jedoch zugleich auf die Frage des anderen ein. „Hammerschlag ist mir wohl bekannt. Ich bin wegen geschäftlichen Verhandlungen des Öfteren Hier, um mit dem Stellvertreter unseres Hochkönigs zu sprechen. Was führt deine Wege hierhin? Hat es einen Verstoß gegen die Lex Zwergia gegeben?“
„Entschuldigt mein forsches Auftreten, Bergvogt Tharnax“, versuchte Korkron mit aller Etikette das Gespräch erneut aufzunehmen und zupfte an seinem zu Zöpfen geflechteten roten Bart.
„Ich erkannte Euch nicht und war abgelenkt von Eurer formidablen Waffe und der Nachricht, die ich gerade erhielt. Ohne irgendein Anzeichen von Verstimmung fuhr er fort: „Ich heiße übrigens Korkron, nicht Korkon!“
Bevor Korkron ansetzen konnte, auf die Fragen des Tharnax zu antworten, stapfte Daak, sein Berghund in das Gasthaus und voller Freude ihn zu sehen, unterbrach Korkron seine Ausführungen, bis Daak seinen weißen Kopf auf Korkrons Schoß legte.
„Schon gut, Daak, gleich gibt’s Futter, sagte Korkron zu dem großen Hund und begann ihn zu streicheln. Dann jedoch entsann er sich wieder der Situation und drehte sich zu dem alten Veteran um: „Zu einem Verstoß gegen die Lex ist es wohl noch nicht gekommen. Aber offensichtlich ist eine menschliche Geweihte des Herrn Ingerimm erschlagen worden und die Hinweise scheinen auf eine junge Angroschna hinzudeuten.“
„Da der Mord für einigen Aufruhr gesorgt hat und die Bürger von Siebenessen unterhalb der Abtei ob der angeblichen Beweise eine sofortige Exekution forderten, wurde die Angroschna in letzter Sekunde vom Abt befohlen nach Hammerschlag gebracht.“
„Doch nun ist sie wohl von den Bütteln abgeholt worden und fristet ihr Dasein im Schuldturm. Und dazu soll sie ohne Bewusstsein sein – wohl die ganze Zeit. Ich soll nun die Umstände untersuchen und für einen Ablauf gemäß der Lex sorgen.
Entschuldigt noch einmal meine Ansprache anfangs. Ich dachte, Ihr könntet mir bei meiner Reise in die Abtei helfen und mich begleiten.“
Mit einem breiten Grinsen schloss er ab: „Doch nun muss ich natürlich erkennen, dass ich Euch wohl nicht für einen kleinen Sold dingen kann.“
Der ältere der beiden Zwerge tat die letzten Handgriffe an der bemerkenswerten Armbrust, dann war sie wieder vollständig zusammengebaut und er schaute auf. “Korkron.” Tharnax lächelte milde. “Es gibt keinen Grund dass du dich irgendwofür entschuldigen musst. Wenn, dann bin ich es, der darum bitten sollte, denn ich habe dir wohl nicht aufmerksam genug zugehört.”
Der Bergvogt hob den Arm und deutete dem Wirt mit den Dingern, dass er ihnen zwei Humpen Bier bringen solle. “Wir haben etwas zu verhandeln wie mir scheint. Nein, Sold ist nicht die Währung, mit der du mich davon überzeugen könntest, dich zu begleiten, doch gibt es da etwas anderes.” Tharnax zwinkerte seinem Tischnachbarn zu.
“Bist du schon einmal in Ârxozim gewesen, hast du das Silberne Tor der Festung Braschtôkril schon einmal passiert, um Âthykril zu besuchen?
Korkron antwortete kurz, dass er von der Stadt gehört, aber persönlich noch nicht da war, bevor der Bergvogt weitersprach: „In der Felsenfestung gibt es eine Kriegerakademie, welche sich ‚Hämmer von Ârxozim‘ nennt. Wenn du dich bereit erklärst meinen Jungs und Mädchen die Lex Zwergia näher zu bringen, dann werde ich dich begleiten. Ich denke das wäre eine passende Vertiefung des Lehrplanes und bereitetet die sie auf ihr künftiges Leben vor.“
Lange saßen die beiden rothaarigen Zwerge anschließend noch beisammen, tranken Bier und tauschten sich über Erlebnisse ihres Lebens aus. Mit dem Versprechen, Ârxozim auch persönlich zu besuchen, willigte Tharnax ein, am kommenden Abend, nach seinen geschäftlichen Aufgaben, den Mandatar nach Siebenessen zu begleiten.
Korkron indes wollte die Zeit nutzen, die bewusstlose Angroschna im Schuldturm zu besuchen und ein Gespräch mit den Bütteln der Stadt zu führen.