Ulfing von Jergenquell greift Albumin an !

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Ausgabe Nummer 12 - 1018 BF

Ulfing von Jergenquell greift Albumin an!

Kopfstarke Bande des Answinisten erobert die Burg im Handstreich – Rondrageweihter erkämpft im Zweikampf Abzug für die Gräflichen

Brieflicher Bericht an den Hohen Lehrmeister des Hesindetempels zu Angbar, datiert auf den 7. Firun 25 Hal.

Euer Hochwürden! Es mag wohl göttliche Fügung gewesen sein, daß ihr mich ins Wengenholmsche sandet, um dortens für unser Kompendium des Koscher Landes in Leibhaftigkeit die alte Sitte des Winterfestes zu studieren.

Denn wenngleich die Feierlichkeiten Volkes Brauch sind seit vielhundert Götterläufen, so ereignete sich doch justament in diesem Jahre bedeutsames, wenn auch erschreckendes allhier. Neuerlich schürte der schurkische Ulfing von Jergenquell Aufruhr wider die gräfliche Autorität, wagte es gar, die befestigte Burg Albumin (das Lehen, das Ulfings Vater durch eigenes Tun verlor) mit bewaffneter Macht anzugreifen.

Ich will Euch rasch die Ereignisse schildern, doch nach Art der Chronisten gebührlich der Reihe nach: Erst zu später Stunde erreichte ich am 30. Hesinde das Ziel meiner Reise. Schon hinter Steinbrücken lag die Landstraße nach Greifenfurt zu weiten Teilen unter einer dichten Schneedecke und auch auf der kaiserlichen Straße, auf der ich die letzten Meilen des Weges zurücklegte, machten mir und meinem Gaul zahllose Verwehungen zu schaffen. So war ich wahrhaft froh, am Abend endlich die Lichter von Albumin zu erblicken. Feuer kündeten von einer großen Heerschar, die nicht vollständig innerhalb der Festungsmauern Platz gefunden hatte. In den Wintermonden lagerten hier die Söldlinge, die die Gräfin zusammengezogen hatte, um dem Treiben des Jergenquells Einhalt zu gebieten. Auch weilten Fremde aus Andergast und Greifenfurt hier und viel Landvolk, das seit alters her hier zum Tag der Jagd zusammenkam.

Es war das erste Mal seit dem Tod des answinistischen Barons, daß auch Fremde zu dem Fest erlaubt waren. In der Vergangenheit hatte die Gräfin dies verboten, da sich unter den Albuminern insgeheim noch viele verstockte Anhänger des Jergenquell befanden. Nun aber, da gut einhundert Söldlinge und drei Ritter seinem Befehl gehorchten, hatte der gräfliche Waffenmeister Gelphardt von Stolzenburg, der derzeitige Verweser der Baronie, großmütig den Besuch von auswärtigen Gästen erlaubt. Die meisten Fremden waren einfache Landleute, doch weilten auf der Burg auch Hochwürden Gisbrun von Wengenholm, der Angbarer Schwertbruder, der von der Orkgrenze zurückkehrt war, und der Geweihte Irion von Zweizwiebeln-Gareth, den die Gräfin ihrem Schwager entgegengesandt hatte.

Schon war in der Burg alles für das Fest bereitet. Mächtige Fässer voll Bier waren herangeholt worden, die Fackelhalter bestückt, große Grillspieße über die Feuer gehängt und in der Mitte des Hofes ein Pfahl errichtet, um den schon die Kette zur Fesselung des Winterunholds gewunden war. Diesen zu fangen, würden die Jäger am nächsten Morgen in aller Früh ausziehen.

So standen wir am darauffolgenden Tage erwartungsvoll auf dem Wehrgang. Als Praios seinen höchsten Stand erreichte, kündeten uns dumpfe Paukenschläge ihre erfolgreiche Heimkehr an, und bald konnten wir von unserem Ausguck auch die Gestalten erkennen, die sich dunkel von den weißen Hügeln abhoben. Langsam zogen sie den Weg zur Burg empor (wo sich das Volk versammelt hatte), und ein jeder trug eine kunstvoll geschnitzte Maske aus Holz. Die einen stellten das Gefolge des Weißen Jägers dar, die anderen wildes Getier und Wintergeister und ein Mägdelein war als die liebliche Ifirn geschmückt (von den verschiedenen Motiven, welchen Sippen und Dörfern sie zu tragen erlaubt sind und alldem will ich Euch aber an anderer Stelle mehr berichten).

Nun durchschritten die ersten des Zuges das Tor und führten das Ungeheuer mit sich herein, das mit seiner knorrigen Nase, den spitzen schwarzen Ohren, den aus Bein geschnitzten Hauern und seinem aus verschiedenen Fellstücken zusammengesetzten Mantel wahrlich furchterregend aussah und sich auch solchermaßen gebärdete. Es zerrte an seinen Ketten, stemmte sich dann wieder dagegen und fauchte bei alledem schauerlich. So wild sprang es auf und ab, daß ihm die Maske vom Kopf glitt und das feingeschnittene Gesicht eines jungen, schwarzgelockten Edelmannes entblößte.

Die Menge flüsterte seinen Namen, der Edle von Stolzenburg schrie ihn heraus, kaum war er des Mannes ansichtig geworden: „Jergenquell! Ergreift ihn!“ Der Fuchs war ihm Hühnerstall ertappt worden, doch dachte er nicht daran, in die Wälder zu flüchten, denn nun taten es ihm seine Gefährten unter den Jägern gleich, warfen ihre Larven ab und griffen nach ihren Eisen. Die Soldaten mühten sich, durch die Menge zu dringen, da sprangen aus etlichen der großen Fässer gerüstete Zwerge hervor, die schwangen Speere und Äxte. Schon begann ein wenig rondragefälliges Hauen und Stechen, denn wenig scherten sich die Kämpfenden um all die festlich versammelten Albuminer, die nichts als aus dem Tor zu fliehen gedachten.

So lagen am Ende drei Dutzend brave Landleute am Boden, verletzt, erschlagen oder gar zu Tode getrampelt. Die Aufständischen hatten indes den Bergfried in Besitz genommen, ehe die Söldlinge des Waffenmeisters sich versahen; ein weiterer Haufen berannte das Tor von außen. Ihr müßt nun wissen, daß der letzte Teil des Weges hinauf zur Burg durch einen Tunnel verläuft, an dessen Ende sich ein kleiner Turm befindet, von dem aus eine Zugbrücke über den Graben zum Torhaus führt. Den Burgleuten war es endlich gelungen, das Tor mit dem Fallgatter zu sperren und die Brücke emporzuziehen, doch blieben ihnen nur das Torhaus, drei Türme und ein Teil des Wehrgangs bis zum Rittersaal, der äußere Torturm gehörte wiederum dem Feind.

Auf die Gnade der Göttin Rondra vertrauend empfahl Hochwürden Gisbrun Herrn Gelphardt sogleich einen Gegenangriff, woraufhin die Jergenqueller begannen, uns mit Armbrüsten zu beschießen. Zwar drangen die Gräflichen nun erneut auf dem Wehrgang vor, doch mußte manch einer dabei vor Boron treten.

Drei Tage fochten die beiden Parteien mit wechselndem Schlachtenglück, dann mit stetem Erfolg der Jergenqueller, die einen Turm eroberten und einen zweiten in Brand stecken konnten. Denn obwohl die Rondrageweihten die Wengenholmer des Beistands der Löwin von Alveran versicherten, war es die Zeit des Herrn Firun, und jener schien auf Seiten der Angreifer zu stehen. Die hockten in Burg und Tunnel fein im Warmen, die Gräflichen auf den Mauern froren im wiedereinsetzenden Schneegestöber jämmerlich. Ob meines geistlichen Standes stand mir ein Platz im Torhaus zu, doch waren die Finger so klamm, daß ich die Feder kaum halten konnte.

Den Wengenholmern blieb einzig die Hoffnung auf Entsatz durch die Gräfin Ilma - doch dann kam die Kunde, daß den Jergenquells verbundene Angroschim die Brücke über die Ange zum Einsturz gebracht hatten.

Da besprach sich der Edle von Stolzenburg mit den Geweihten und Rittern, denn er wollte wohl die Last des Entscheids nicht allein tragen. Herr Arbel von Hirschingen riet, den Ausfall durchs Tor zu wagen, was niemandem recht behagen wollte. Auch den Bergfried zu erstürmen konnten die Gräfliehen kaum hoffen, aber ergeben wollte sich dennoch niemand.

So faßte sich schließlich der Herr Gisbrun ein Herz und schritt langsam über den Hof, grad auf die Mitte zu, wo er stehenblieb, seine Hände zum Mund hob und mit lauter Stimme den Jergenquell zum ehrhaften Zweikampf rief. Wer den andern im rondragefälligen Streit überwinden könne, dem solle am Ende die Feste gehören.

Und siehe: der verfemte Ulfing trat wirklich ans Fenster, doch er lachte nur und wollte den Gräflichen nicht mehr denn den freien Abzug gewähren: „In einer Stunde im Rittersaal denn, wenn Ihr es wünscht.“ Knirschend willigte Herr Gisbrun um seiner frierenden Kriegsleute willen ein. Die dankten es ihm, und jeder wollte den Schwertbruder zum Zweikampf begleiten.

Dieser aber wählte nur drei Begleiter - Bruder Irion, Ritterin Ulide Bachfold und den Hornisten Süßbock, der mir all dieses später dann erzählte - und drang mit ihnen in die Halle ein, wo die Feinde schon warteten. Allein Ulfing von Jergenquell war nirgends zu erblicken. Es trat an seiner Statt ein einhändiger Schurke hervor und erklärte, für seinen Herrn zu fechten. Da ließ auch der Geweihte seinem Gefolgsmann Irion den Vortritt, anderes hätte seine Ehre geschmälert.

Die beiden Recken standen sich eine Weile abwartend gegenüber - „Einauge gegen Einhand“ - knurrte der Zweizwiebler noch, dann rief er „Für Rondra!“ und hieb mit aller Macht auf den Halunken ein, wild entschlossen, sich seiner so schnell als möglich zu entledigen. Indes war der Schurke, den seine Gefährten Cuano riefen, augenscheinlich kein minderer Schwertkämpfer, so daß ein heftiger Strauß entbrannte. Hart und funkensprühend schlugen die Klingen aufeinander, laut schepperten die Kettenhemden der Krieger, wenn einer der beiden einen Treffer landen konnte, und rot färbten sich die Röcke bei jedem guten Hieb. Hin und her wogte der Kampf, da endlich gelang es dem Löwenritter, mit einem finalen Hieb den Schurken zu entwaffnen. Schwer atmend hielt er dem Besiegten die Schwertspitze an die Brust, worauf dieser mit den Gräflichen auf die Mauer stieg und seinen Kumpanen befahl, das Tor freizugeben.

Herr Irion hatte den Sieg erfochten, doch war es beileibe kein Triummphmarsch, als wir zurück gen Auersbrück zogen (Zwar bot mir ein Wirt an, in Albumin zu bleiben, doch verspürte ich wenig Lust, zu Füßen einer Räuberburg zu schlafen).

So hockt nun der Jergenquell auf Albumin, Hochwürden – bis zum Frühjahr zumindest. Wenn dann des Fürsten Rittsleute ihr Aufgebot verstärkten, das schwor die Gräfin, wolle sie zur Jagd blasen lassen und nicht eher ruhen, als bis das Wild aus seinem Bau gejagt und erlegt sei. Das Wild aber sei ein Schädling, der ihr Land verheere und den Namen Jergenquell trage.

Euer Sohn

Burgholdin der Jüngere