Nordhags letzte Nacht

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Weiden, 1026

Baronie Nordhag: Die kalten Herrschaftstage FIRuns endeten allmählich. Die dünne weiße Schicht auf den Zinnen und Dächern im Herzogtum Weiden schmolz zusehends dahin. Die Wolken brachen auf und die Praiosscheibe brannte herab mit einer frühlingshaften Kraft. Die Wälder und Weiden dampften, als der Schnee schmolz, der noch kurze Zeit zuvor gefallen war. Es war still im Land ringsum, in dem noch immer der Ork sein Unwesen trieb. Nur das ferne Hufgetrappel von Pferden durchdrang die Stille, der Schall von Horn auf festem Erdreich, ab und an das Knirschen der Zähne auf dem Zaumzeug oder ein heiser vorgestoßener Befehl. Der aus den Ausläufern des Finsterkamms kommende Trupp ritt unermüdlich, bei Tag und bei Nacht, gönnte sich nur spärliche Stunden Ruhe. Der Feuerschein am heutigen, abendlichen Himmel, hervorgerufen durch Schwärme von Brandpfeilen, wies ihnen den Weg. Das Ziel war nahe, bald würde es erreicht sein.

Schwarz wie der Odem aus den Niederhöllen war die kühle Nacht und das Madamal verbarg sein Antlitz hinter düsteren, dräuenden Wolkenfetzen. Nur hin und wieder fielen die fahlen Strahlen auf die Stadt Nordhag, tauchten sie in ein eisiges Licht, das nach den Herzen der von Orks belagerten Bewohner griff und sie trotz des ausklingenden Winters frösteln ließ. Selbst die Wolken jagten wie düstere Schemen über den Himmel, eilten sich, als scheuten sie sich über der Stadt und den damit verbundenen schrecklichen Geschehnissen zu schweben.

Hinter Nordhags dicken Mauern herrschte eine gedrückte Stimmung. Aus vorsorglich errichteten Notunterkünften, in den die Verwundeten gepflegt wurden, drangen die Atemzüge und das Schnarchen von Schlafenden, dazwischen mischte sich das Stöhnen der Verletzten. Viele schliefen nur, weil Wein und Bier ihre Schmerzen betäubt hatte oder die Erschöpfung sie übermannte. Mit angespannten, bleichen Gesichtern schlurften die Verteidiger über die Wehrgänge. Es war eine zusammengewürfelte Schar, die letzten hundert Leute, die noch in der Lage waren, eine Waffe zu heben. Sie hatten die unterschiedlichsten Schicksale hinter sich, sahen zerlumpt und armselig aus. Der Kälte biß durch ihre dünne Kleidung, die sie unter den Kettenhemden und Lederrüstungen der verstorbenen Krieger trugen, der frühlingsfrische Wind fuhr unter ihre vielfach geflickten, dennoch immer irgendwo löchrigen Beinkleider. Kaum einer war im Kriegshandwerk geschult und gegen einen ausgebildeten Ritter hätte keiner von ihnen einen Zweikampf überstanden. Doch sie alle zusammen verkörperten für die Orks eine ernstzunehmende, ansehnliche Streitmacht und sie leisteten ihnen erbitterteren Widerstand als die Schwarzpelze je für möglich gehalten hätten. Keiner von ihnen trug die gleiche Waffe wie sein Nebenmann. Mit Sensen, Dreschflegeln, Mistgabeln, Pflugketten, aber auch Pfeil und Bogen, Schleudern, Messern, Ogerfängern und Schwertern in den vor Hunger fast kraftlosen Händen starrten sie klopfenden Herzens über den Scharten und Vorsprüngen der Zinnen in das riesige Zeltlager der Orks hinunter, aus denen immer mehr der blutgierigen Bestien gegen die Stadtmauern stürmten.

Da war kein Schlachtplan auf Seiten der Orks, sonder eher der Versuch, mit roher Gewalt gegen die Stadtmauern anzurennen, ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste. Sie schleppten erneut, wie in den vergangenen Wochen, Sturmleitern heran und lange Seile mit daran befestigten mächtigen Wurfhaken. Die Verteidiger auf den Mauern beantworteten den Vorstoß mit einem wütenden Hagel Geschosse aller Art. Wurfspeere, Pfeile, Bolzen, scharfgeschliffene Schleudersteine und Mauerbrocken dezimierten die Orks, hielten sie aber nicht auf. Die ersten Leitern wurden wieder angelegt. Kochendheißes Wasser, denn siedendes Öl oder Pech war nicht mehr vorhanden, kam nun in wahren Sturzbächen von den Zinnen herab. Die Schwarzpelze schrien auf und liefen wie aufgescheuchte Hühner umher, ließen sich fallen und wälzten sich vor Schmerzen am Boden. Brandpfeile von Orkbögen schwirrten in die Höhe und schlugen Breschen in die ohnehin schon ausgedünnten Reihen der Verteidiger auf den Wehrgängen.

Der Stadtvogt Alarwin von Graugenwerl eilte auf der Straße, die vom südlichen Stadttor direkt zum Brunnenplatz führte, durch die hart umkämpfte Stadt. Der dumpfe Ton eines Rammbocks, der langsam aber sicher dieses Stadttor zerhämmerte, drang dröhnend an seine Ohren wie ein fernes Gewitter. Ein Hoffnungsfunke flackerte in ihm hoch. „Ihr lebt! Habt ihr vergessen, wofür Eure Kameraden gestorben sind? Haltet durch! Nur noch kurze Zeit. Lauft zu den Bewohnern der Stadt und macht ihnen neuen Mut. Sie alle sollen sich erheben wie ein Krieger und sich gegen die Orkenbrut zur Wehr setzen. Lange wird die Rettung nicht mehr auf sich warten lassen. Haltet durch!“ So oder ähnlich waren die Worte des Auelben Ilineas Wolkentanz gewesen, der vor wenigen Stunden in Vogelgestalt in der Stadt gelandet war und ihm auftrug, jede Person, die noch auf den Beinen stehen konnte, zum Kampf anzuhalten. Dies hatte Alarwin versucht, aber niemand hatte auf ihn hören wollen. Erst als der Schildgraf Pagol von Löwenhaupt von der Nachricht erfuhr („Was, vom alten Uthgar kam das Spitzohr? Dachte der wäre schon tot!“), änderte sich die Haltung der Menschen, denn Pagol brachte all die mürrischen Zweifler und Nörgler mit bellenden Kasernenrufen wieder auf die Beine. Nach der neuerlichen Angriffswelle vor wenigen Augenblicken hatte sich Alarwin nun erneut aufgemacht, alle leidlich genesenen Bewohner und Flüchtlinge auf Pagols Geheiß zum Kampf zu bewegen, ihnen die Angst zu nehmen und auf die Wehrgänge zurück zu treiben. Er wich einem tot zusammengebrochenen Ritter aus, umging halbverkohlte Holzbalken zusammengestürzter, verbrannter Häuser, bückte sich unter einem schwarzbefiederten Pfeil, der in einer schräg in den Angeln hängenden Tür steckte. Überall lagen schwelende kleine Reste von Zeltbahnen, weggeworfene, weil zerbrochene Waffen, Hausrat und die Leichen der vergangenen Stunden, die man noch nicht zusammentragen konnte. Die ersten Verwundeten, leidlich gepflegt, wankten und stolperten an ihm vorbei, um wieder auf Posten zu gehen. Ihre Kleidung stank wie der Rest der Stadt nach Rauch, Blut und Schweiß. Ja, es stank bereits seit Wochen erbärmlich in Nordhag. Es roch nach dem baldigen Tod für alle. Die Stadt würde brennen, bis der Wind in den Gassen nur die graue Asche umherwirbelte. Der Stadtvogt spürte, wie der Hoffnungsfunke wieder in ihm erlosch, als sei ein Bottich mit eisigem Wasser darüber entleert worden. Niemand konnte den Untergang Nordhags verhindern. Für jeden getöteten Angreifer drängten drei weitere nach. Wohl jeder hier sehnte den Morgen herbei, weil wohl jeder wusste, das alle Hoffnung Selbstbetrug war und das ganze blutige Treiben nun irgendwie beendet werden musste, sei es auch nur durch den eigenen Tod. Ja, was ihnen blieb, dachte er grimmig, war der Kampf bis zum letzten Blutstropfen und bis dieser aus den Körper drang, würde man diesen zwölffach verfluchten Schwarzpelzen das Fell gerben. Er nickte bekräftigend und setzte seinen Weg fort. Fort von den donnernden Schlägen des Rammbocks und dem Wüten des Kampfes, der noch einige Stunden andauerte.

Morgennebel lag wie ein dichter Schleier über dem hügligen Land und schluckte die Helligkeit des beginnenden Tages, der über ihr aller Schicksal entscheiden würde. In der Ferne erklangen seltsam verzerrte Geräusche, wie das dumpfe Trommeln von Pferdehufen und das Klirren von Kettenhemden. Milder Frühlingswind trieb die grauen Schwaden hinab in die Ebene der Stadt und wurde dort zögerlich zerfasert. Jetzt erst, wo der Nebel auseinander riß wie verstaubtes Gespinst, bot sich das Bild des Schreckens in seinem ganzen Ausmaß. Die Schlacht hatte bereits wieder begonnen und ein Ende des sinnlosen Sterbens war nicht abzusehen, wenngleich sich der Großteil der Orks vorerst noch in den Zelten aufhielt. Überall in der Stadt erklang aufgeregtes Geschrei, hallten laute Kommandos für Verteidigungsmaßnahmen von den Mauern wider, schraubten sich die Dampfwolken des Löschwassers empor. Auf den Wehrgängen schleppten unzählige Leute Wurfwaffen, reglose Körper und Steine zusammen, schichteten sie auf- und nebeneinander. Die Luft war erfüllt vom Summen der Bogensehnen, den heulenden Pfeilsalven und harten, dumpfen Einschlägen in gerüsteten Körpern. In Oberschenkelhöhe wurde wieder ein Torflügel gerammt, das Holz knarrte und die metallenen Verstrebungen ächzten. Die Verteidiger antworteten mit schrundigen Mauersteinen eingestürzter Häuser. Die Steine brausten herab, drehten sich während des Fallens mehrmals in der Luft und erschlugen mit knirschenden Getöse einige Orks. Andere Schwarzpelze sprangen sofort an die Stelle der Getöteten, füllten deren Platz aus und setzten das zerstörerische Bestreben fort. Erneut ertönte das peitschende Geräusch der Bogensehnen, die an den ledernen oder metallenen Armschützern schlugen. Zischend und pfeifend flogen die schlanken Geschosse herab und herauf, hier wie da schwere Treffer erzielend. Den ersten Orks auf den Sturmleitern gelang es, ihre Wurfhaken an den starken Seilen von den Sprossen aus über die Zinnen zu werfen, zu verankern und daran hoch zuklettern. Die Kämpfer der Stadt eilten heran, doch ein Ork nach dem anderen schob sich auf die Wehrgänge, unterstützt von den unten stehenden Bogenschützen. Zu viele der Verteidiger waren einfach verletzt, konnten nicht mehr so agil kämpfen wie zuvor. Einer der Wurfanker durchbohrte gar mit seinen Widerhaken eine Bogenschützin, zog sie an die schützende Zinne heran. Sie starb einen qualvollen Tod, noch bevor der Ork den Wehrgang erreichte. Im Bewusstsein des sicheren Todes fochten die Bewohner Nordhags mit fast übermenschlichen Kräften. Doch trotz verzweifelter Gegenwehr hielt die Verteidigung Nordhags an diesem Morgen der geballten orkischen Streitmacht nicht mehr stand. Die Entscheidung bahnte sich an, als ein Stadttor durchbrochen wurde!

Aus einem der Torflügel lösten sich knackend lange Splitter, knarrend zerbrach der breite Holzriegel und eiserne Bänder verbogen sich, als das Tor aufkrachte. Auf einem riesigen Haufen Mauerbrocken, die auf Anregung Pagols gleich hinter dem geborstenen Tor aufgestapelt lagen, kämpfte man nun auf engsten Raum. Blutende Körper von Orken und Menschen hingen alsbald über den Kanten der schützenden Steine. Aber der triumphale Durchbruch der Orks geriet ins Stocken. Fauchend sausten da plötzlich mehrere Dutzend breiter Armbrustbolzen heran, begleitet von mindestens ebenso vielen schlanken Pfeilen, hämmerten geradezu in die Orks hinein und rissen sie zu Boden. Verwirrung unter den Orks war die Folge, kam der Angriff doch von außerhalb der Stadt. Aus den verwehenden Nebelschwaden stürmte mit wilden Gebrüll Bergkönig Garbalon mit gut drei Dutzend axtschwingenden Angroschim und sie schlugen eine breite Schneise in die überraschten Orkreihen vor dem Tor. Solcherart gelangten zunächst ihre Kampfgefährten in die Stadt, die sich sogleich kampfstark als lebender Wall postierten, auf dass man den Torflügel rasch wieder verschließen konnte, nachdem auch der letzte Zwerg Nordhag betreten hatte. Aller Augen der Verteidiger hier unten richteten sich auf einen Mann, den der Adel als Strauchdieb und Wegelagerer bezeichnete, der aber beim einfachen Volk längst den Ruf eines Freiheitskämpfers genoß, wenngleich nur wenige es wagten dies laut auszusprechen. Es war Grimmwulf der Grüne mit seinen Geächteten, an seiner Seite ein hünenhafter, alter Ritter mit weißen Einhornkopf auf dem grünen Wappenrock. Freudige Rufe pflanzten sich durch die schwer gebeutelte Stadt, wandelten sich schließlich in einen wilden Begeisterungsschrei, geformt von vielen hundert Mündern, auch wenn der Schrei aus einer einzigen Kehle zu stammen schien. Wie ein Steppenbrand verbreitete sich die frohe Kunde, dass Grimmwulf Entsatz für die Stadt herbei geholt hatte. Die Verteidiger mobilisierten daraufhin mit neuem Mut ihre letzten Kräfte. Von den Zinnen ergoß sich erneut ein wolkenbruchartiger Regen kochenden Wassers über die letzten Orks auf den Leitern, so das die Schwarzpelze wimmernd hinunter stürzten und sich die Knochen brachen. Gleichzeitig wurden die Orks mit geradezu todesverachtenden Attacken immer mehr von den Wehrgängen gefegt und gar vom Tor zurückgedrängt, denn Unterstützung aus dem Zeltlager blieb den Schwarzpelzen seltsamerweise verwehrt. Ein gewaltiger Aufschrei der Wut und des Entsetzens ging durch die Reihen der Orks, die mehr und mehr niedergestreckt wurden.

Die Hufe donnerten über die hüglige Landschaft. Dicht an dicht, eine einzige zusammenhängende Masse aus Pferdeleibern, Menschen und Stahl, raste ein Ritterheer von mehr als zweihundert Streitern über die Steppe. Sonnenstrahlen funkelten auf den Schilden und Rüstungen. Seine Liebden Prinz Edelbrecht vom Eberstamm, im Kreise fast aller seiner Falkenritter, führte diese Schlachtreihe an.

Der große Tross aus Greifenfurtschen und Koscher Rittern, Rondrianern und Fußsoldaten sowie die Wagen mit der Feldküche, dieses bunte Gewirr aus Bannern und Uniformen, welches aus Weihenhorst aufgebrochen war, um das bedrängte Weiden zu unterstützen, bestand ursprünglich aus etwas mehr als 500 Leuten. Nach einer beeindruckenden Schlacht in diesem PHExmond, auf dem Nôrrnstieg gegen die Orks, waren jedoch viele tapfere Kämpfer verwundet oder gar getötet worden, wenngleich von den Schwarzpelzen nicht einer entkam. Kaum hatte der Zug die Ausläufer des Finsterkamms hinter sich gelassen, flatterte ein Vogel ins abendliche Lager und verwandelte sich in einen Elben. Dieser berichtete, dem Bund der drei Völker anzugehören, einer kleinen Schar verwegener Kämpfer von Menschen, Elben und Zwergen, die von dem Einhornritter Uthgar Mandavarwin, dem Waldläufer Grimmwulf dem Grünen sowie Bergkönig Garbalon, Sohn des Gerambalosch angeführt wurde, um Nordhag zu befreien. Nach einem heftigen Hügelgefecht, bei dem man die orkischen Belagerer empfindlich schwächen konnte (Vergleiche Artikel >Schlacht auf dem grünen Hügel<), sei dieser Bund jedoch nicht mehr stark genug, das Vorhaben erfolgreich zu Ende zu führen, weshalb man nun um Hilfe bei diesem Zug ersuchte. Die Streiter um den Koscher Prinzen waren von dem Vorhaben sehr angetan, wohl allein schon deshalb, weil sie den Schwarzpelzen generell diesen heimtückischen Hinterhalt auf dem Nôrrnstieg vergelten wollten. Nach eingehender Beratung machte sich der Elb wieder auf und davon.

Nun also stand Edelbrecht mit seinen ihm unterstellten Streitern vor Nordhag. Schwarzer Rauch hing über der Stadt, viele Häuser brannten. Sie konnten das Zeltlager des einstmals gewaltigen, nun jedoch angeschlagenen Orkheeres sehen, welches die gesamte Stadt umspannte. Sie erkannten das erbarmungslose Kampfgetümmel und die Lücken in der Verteidigungslinie auf den Wehrgängen. „Koscher, Greifenfurter, Getreue!“ rief der Prinz den Edelleuten zu, wobei er sein Schwert zog und hoch gen Alveran reckte, „Reitet mit mir. Reitet gegen den Schwarzpelz. Dem Fürstentum zum Ruhm, der Mark zur Ehre, dem Herzogtum zum Sieg, den Mittelreich zur Einigkeit!“ unter diesen Worten trieb er sein Pferd an und unter tosenden Schlachtgebrüll kamen die Ritter mit gefällten Lanzen oder gezückten Klingen wie ein wanderndes Dornenfeld die Hügel herab. Im vollen Galopp preschten die edlen Streiter näher. Zelt reihte sich an Zelt und innerhalb des Lagers schwärmten die Orks aufgeregt zwischen den Zelten hervor, aufgescheucht von dem hallenden Angriffsgeschrei. Gleich darauf tauchte eine Schar Reiter auf, die wie eine glitzernde Flutwelle durch das Lager rauschte. Der Orkhäuptling starrte betäubt auf das sich ausbreitende Chaos. Er sah seine Krieger wanken und auseinander sprühen wie Gischt, sah, wie die ungeheure Wucht der Angreifer zwischen den endlosen Zeltreihen die Oks regelrecht hinwegschwemmte. Das Tosen der Hufe verband sich mit dem Angstgebrüll der Orks, als die Reiter die völlig überraschten Schwarzpelze mit ihren schreckensweiten Augen einfach niederstampften. Auch die meisten der Zelte wurden einfach niedergeritten, die darin befindlichen Orks natürlich ebenso. Zwischendurch hieben einige Dutzend Ritter mit ihren Waffen nach allem, was sich bewegte und nicht auf einem Pferd saß. Sie zerhieben mit Schwertern, Morgensternen und Äxten im vorbeireiten Schädel, Schultern und Brustkästen. Dann war der Reitertrupp durch einen Lagerabschnitt vor einem der Stadttore hindurch, begann im gestreckten Galopp zum nächsten Lagerteil vor einem anderen Stadttor zu eilen.

Es gab nichts, was der Häuptling hätte tun können. Es war zu spät, Befehle zu brüllen, als er die gerüsteten Glatthäute sah, denn niemand vermochte ihn in dem Kampflärm zu hören. Auch Schamanen, so welche anwesend waren und noch lebten, fanden wohl keine Zeit mehr, um ihre Zauber zu weben. Es war zu spät, mehr zu tun, als um das eigene Leben zu kämpfen, als die Ritter in den nächsten Lagerabschnitt fegten wie ein Wirbelwind und die Orks vor sich her trieben wie verkohlte Blätter. Die Orks fanden kaum Zeit sich zu formieren, um sich effektiv gegen die hereinstürmende Reiterschar zu behaupten. Zu langsam hatten sie aus dem verdrossenen Schlaf in den Kampf gefunden, zu träge arbeiteten ihre traumumnebelten Hirne, zu steif waren noch die schlaftrunkenen, vom tagelangen Kampf ermatteten Körper. Doch man mochte über die Schwarzpelze erzählen was man wollte, von Feigheit waren ihre schwarzen Herzen jedenfalls nicht beseelt und so stellten sie sich mit lauten Tairachrufen todesverachtend ihren Feinden. Die Reiter unter Edelbrechts Kommando trafen zornig auf die Orks, die scharfen Spitzen der Kriegslanzen bohrten sich erbarmungslos in die teilweise ungerüsteten Körper, so heftig das das Holz der Lanzen krachend zersplitterte wie morsche Äste eines verdorrten Baumes. Der Ansturm warf die durchbohrten Orks und manch andere hinter ihnen stehende Schwarzpelze mehrere Schritt weit zurück. Sicherlich Hundert Orks in beiden Lagerabschnitten zusammen fielen in diesem ersten Ansturm unter den Hufen und Waffen der Ritter, ohne dass diese auch nur einen einzigen Kratzer abbekamen. Zehn, fünfzehn Sprünge schafften die Pferde noch, dann kam die Reiterschar urplötzlich zum Stehen, denn sie waren eingekeilt in der Masse kampfhungriger Orks, die nun von überall aus dem Zeltgürtel um Nordhag heranstürmten. Ein gnadenloses Gemetzel begann. Da und dort bildeten sich kleine Inseln verzweifelt kämpfender Orks, die bald zwischen den auskeilenden und stampfenden Pferdekörpern verschwanden. Tiere und Kämpfer drehten sich umeinander, Reiter wurden aus den Sätteln gerissen. Die Falkenritter machten ihrer Bezeichnung alle Ehre, als ihre Schwerter durch die Luft schlugen wie die Schwingen eines beuteschlagenden Raubvogels. Die Klingen fuhren in die befellten Körper, schnitten ins Fleisch wie in einen Laib Brot. Aber auch die scharfen Arbachs zerschnitten Harnisch, Brünne und Kettenhemd, Helme wurden in Fetzen geschlagen und mit ihnen die Köpfe darunter. Es war ein brutales, blutiges Hauen und Schlitzen, in der die Hälfte der Reittiere schwer verwundet oder gar getötet wurden. Die glorreichen Ritter des Fürstentums Kosch und der Markgrafschaft Greifenfurt selbst jedoch mussten, RONdra sei Dank, nur geringe tödliche Verluste hinnehmen. Dann endlich, zwei Stunden später, hatten die Ritter die Schlacht gewonnen und ihre vom Orkblut gesäuberten Schwerterklingen reckten sie, im Kreise stehend, zum Dankesgebet in das warme Licht der Praiosscheibe empor …

Jubelgeschrei und Dankesworte brandeten den Greifenfurtern und Koschern aus Hunderten von Mündern entgegen, als sie in Nordhag einritten. Die Ritter sahen tränenübersäte Gesichter von Männern, die ihre geliebten Kinder an sich drückten, kaum begreifbare Erleichterung zeichnete sich in den Mienen von Frauen ab, die immer noch Sensen und Mistgabeln so fest umklammert hielten, das ihre Fingerknöchel weiß hervortraten und manch altes, verhunzeltes Mütterchen und manch graubärtiger Großvater ließen sich nicht davon abbringen, den einen oder anderen abgesessenen Kämpen dankbar auf die Stirn zu küssen.

Während sich die kühnen Frauen und Männer um Prinz Edelbrecht und Grimmwulf den Grünen mehr oder weniger verlegen hochleben ließen, trugen Garbalon und Uthgar die verwundeten Zwerge (und das waren fast alle) in den PERainetempel. Hilfreiche Unterstützung erfuhren sie dabei von einigen Bewohnern. Der Zwölfgötter Segen musste über die verwegene Schar des Dreierbundes gelegen haben, denn wie durch ein Wunder waren zwar fast alle verletzt worden, insbesondere die Zwerge, doch keiner hatte sein Leben geben müssen, wenngleich zumindest ein Zwerg einen Arm einbüßte. Sie würden Wochen brauchen, bis sie wieder bei Kräften und völlig genesen waren, doch dann würden sie den Kampf weiterführen. Noch während Uthgars Wunden behandelt wurden, trat ein alter, stämmiger Ritter zu ihm. „Ach je, ihr habt mir zu meinem Übel gerade noch gefehlt, Pagol!“ begrüßte der Einhornritter den Weidener Schildgrafen, doch war seine Stimme freundlicher als seine gewählten Worte. „Spitzohren, Felsbuddler und Geächtete! Diesen Schlamassel konnten ja nur die Einhornritter verursachen.“ grummelte Pagol, blickte dabei aber besorgt auf die Wunden seines Gegenübers. „Walpurga lässt eure Eigenmächtigkeiten nur aus Liebe zu ihrem Vater durchgehen, das ist euch hoffentlich klar. Mochte der Namenlose wissen, warum Waldemar so schützend seine Hand über das Haus Mandavarwin hielt.“ endete er kopfschüttelnd. „Seit versichert, der Namenlose weiß es!“ entgegnete Uthgar leichthin „Und der gutmütige Bär seinerseits hätte mein Handeln verstanden.“ fauchte er Pagol an. „Ich etwa nicht!?“ donnerte der Schildgraf und selbst die Verwundeten unterließen kurzzeitig ihr schmerzgeborenes Stöhnen. „Elben und Zwerge und eine uralte Fee.“ sinnierte er dann etwas müde „Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, an denen wir Weidener unsere Probleme alleine bewältigen konnten.“ Dann legte er eine seiner schwieligen großen Hände auf Uthgars Schulter, drückte sie einmal kräftig. „Ihr habt wohl getan, doch erwartet keinen weiteren Dank! Der Segen für Nordhag ist eine Schande für das Herzogtum.“ Mit diesen bitteren Worten wendete sich der alte Veteran aus der herzöglichen Familie ab, verfolgt von Uthgars harten Blick. „Die von euch Verschmähten sind ebenfalls ein Teil von Weiden“ dachte er bei sich „Und der Orkkrieg ist noch nicht vorbei!“

(Autor: M. R. ?)