Heerzug gegen Haffax - Die Bürde des Pagen

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Darpatien, 14. Ingerimm 1039, Heerlager zu Gallys, am Morgen

Am Morgen des 14. Ingerimm hatten sich der Knappe des koscher Junkers von Eichstein, Aedin Jendar von Eschenquell, und der Page der Junkerin von Boltansroden, Fernando von Graytenau, gerade eben auf den Weg zur Wasserstelle gemacht, so wie sie es jeden Morgen zusammen taten um den Pferden frisches Wasser zu bringen. Der Page der Junkerin von Boltansroden, sonst aufgeweckt und fröhlich, wirkte heute merkwürdig ernst. Das ihn etwas beschäftigte, konnte man allein an seinem Gesicht ablesen, aber noch ging er einfach neben Aedin her und schwieg. Erst als sie schon fast bei der Wasserstelle waren wandte er sich an den Knappen: „Du, Aedin?“
Aedin, der sich schon die ganze Zeit gewundert hatte, warum Fernando heute so still war und wann er endlich anfangen würde wie ein Wasserfall zu erzählen fragte: „Ja, Fernando, was gibt’s denn?“
„Ist dir schon mal passiert, dass du mit dem Schwertvater irgendwo zu Besuch warst und der dich da nicht haben wollte?“, wollte der Knabe wissen und schaute den Knappen mit großen Augen an. Aedin horchte auf, das konnte jetzt durchaus interessant werden.
„Wer er?“, hackte er nach, „Mein Schwertvater oder unser Gastgeber?“
„Der Gastgeber!“, erwiderte Fernando und strich sich ein seiner Haarsträhnen aus dem Gesicht, „Kannst du dir vorstellen, dass mich der Baron zu seiner Knappin schicken wollte? Ausgerechnet zu der? Dabei kann ich die gar nicht leiden! Und was Schlimmes gemacht hab ich auch nicht!“
Er dachte nur ungern an seine erste Begegnung mit diese Ira zurück. Zu ihr geschickt zu werden und in ihrer Gegenwart sein zu müssen empfand er als schlimmste Strafe überhaupt und er konnte sich einfach nicht vorstellen, was er schlimmes gemacht hatte um das verdient zu haben.
„Hm“, machte der Knappe nur und wartete darauf, dass der Page weiter vom gestrigen Abend berichtete. Insgeheim war er gespannt, ob es interessante Neuigkeiten gab. Er hatte schließlich einen Auftrag seines Schwertvaters zu erfüllen. Aedin war ja mehr oder weniger fast schon ein Familienmitglied der Eichsteins und Nale von Boltansroden ja die Base seines Schwertvaters und gehörte also quasi auch zur Familie und überhaupt. Naja, eigentlich wirkte die ganze Sache ja etwas kindisch auf ihn und er dachte sich insgeheim, dass die Junkerin sicher auf sich selbst acht geben konnte, aber ein oder zwei zusätzliche Augenpaare, die die Geschehnisse im Blick behalten konnten, waren sicher auch nicht schlecht. Er war gespannt, was der Kleine zu berichten hatte.
„Der Baron war auch ein bisschen... komisch“, plapperte er munter weiter, „Ich hatte das Gefühl, dass er mit der Junkerin allein sein wollte. Der Tisch war nur für zwei gedeckt und auftragen durfte ich auch nicht, das wollte der selber machen...“
Irgendwie passte das alles nicht so recht in sein Weltbild.
Aedin nickte und lauschte aufmerksam.
„Aber als die Junkerin einen Becher Wein haben wollte, hat er ihr keinen gegeben“, vollkommen fassungslos schüttelte der Knabe seinen Kopf. Da hatte der Baron erst behauptet, er würde die Junkerin selbst bedienen und dann tat er es doch nicht!
„Tatsächlich? Und was ist dann passiert?“
Nun stürzte Fernando die Lippen: „Er hat sich über den Geruch der Junkerin beschwert, dabei konnte sie doch gar nichts dafür! Sie hat das doch nicht absichtlich gemacht! Und dann... ja, dann... ja, also...“ Er fixierte Aedin.
„Ja, da konnte sie nun wirklich nichts dafür. Und was war dann?“
Der Page holte Atem und senkte seine Stimme: „Er hat sie bei der Hand genommen und sie weggebracht, mich hieß er zu warten, aber ich bin ihnen hinterher und... und... und.. da hab ich... also ich hab... ich hab ihn gesehen...“
„Ja wie, du hast ihn gesehen. Was hast du denn gesehen?“ Innerlich kicherte Aedin, natürlich ohne sich das nach außen hin anmerken zu lassen: Sollte der Baron da etwa nackt rumgehüpft sein und der kleine Fernando seinen… Ah, der Gedanke war wirklich zu abwegig. Andererseits, was man so hörte, demnach war der Baron ja wahrlich kein Kostverächter. Aber gleich am ersten Abend? Aedin beschloss, dass das nicht sein konnte – so ungehobelt und plump würde selbst der Nordmärker nicht sein.
„Den Baron“, der Page nickte sehr ernst, „und er war nackt!“
„Was?“, entfuhr es Aedin und in seinem Kopf ging er alle Möglichkeiten durch, warum der Baron in Gegenwart der Junkerin unbekleidet gewesen sein sollte, doch ihm fiel eigentlich nur eine ein. Also doch. Plump. Wie ein… das konnte Aedin gar nicht in Worte oder beziehungsweise in Gedanken fassen. „Wie der war nackt? Warum? Und was war mit der Junkerin? War die auch... nackt?“
„Die Junkerin?“, Fernando verstand den Sinn der Frage nicht so recht, „Warum sollte sie denn nackt gewesen sein?“ Er zuckte verwirrt mit den Achseln. Irgendwie war der gestrige Abend höchst merkwürdig gewesen und es gab da so einiges, was er einfach nicht so recht begreifen konnte. „Ich bin dann gegangen... Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich... erwünscht war, eigentlich sollte ich ja auch warten...“
Sollte die Junkerin sich tatsächlich auf den Baron eingelassen haben? Ob sie tatsächlich so unbedarft war, wie sie oft wirkte? Auf der einen Seite, konnte er sich das so überhaupt nicht vorstellen, auf der anderen Seite hatte er ja so einiges über den Baron gehört. Er war sich nicht ganz sicher, was er glauben sollte. Und er konnte sich noch immer nicht recht vorstellen, warum er sonst in ihrer Gegenwart nackt gewesen sein sollte. Noch mehr gab es ihm allerdings zu denken, dass die Junkerin bekleidet gewesen sein soll. Wobei, andererseits – insgeheim wäre er schwer enttäuscht von der Base seines Schwertvaters gewesen, wenn sie ebenso – und vor allem so schnell – gleich blankgezogen hätte. Was war denn mit den ritterlichen Idealen? Der Minne? Das hatte sich doch im Gespräch mit Daphne alles ganz anders angehört. Sie hatte ihm die Kunst der hohen Minne nahegebracht, das alte Spiel des Werbens und der kunstvollen Verführung. Ja, zugegeben, nicht nur das, sie hatte ihn auch sein Wissen in anderen Dingen erweitert – aber doch bitte nicht so. So plump!
„Hast du die beiden denn lange allein gelassen?“, wollte Aedin da wissen.
„Ich weiß nicht genau“, gestand er ein wenig beschämt ein, „Ich habe gewartet, bin dann eingeschlafen und hab wieder von den Maden geträumt...“ Fernando schüttelte sich: „Und dann hat mich die Junkerin irgendwann geweckt und wir sind gegangen...“
Eingeschlafen. Natürlich. Manchmal wirkte Fernando in etwa so unbedarft wie seine zukünftige Schwertmutter. Aber das passte ja schließlich auch irgendwie. Trotzdem – gerade als es interessant wurde. Wobei andererseits – dafür war Fernando wohl noch zu jung. So wie Aedin das sah, hatte der Kleine noch ein paar Jahre, bis er solche Situationen in einem anderen Licht sehen würde.
„Ja und, wie war sie da? Hat sie was gesagt? Wirkte sie... fröhlich oder gut gelaunt?“
„Sie war ein bisschen seltsam und ziemlich still als wir zurück gegangen sind, genaugenommen hat sie eigentlich überhaupt nichts gesagt“, das schien auch dem Pagen zu denken zu geben, „Ich glaube sie war sauer...“
„Auf wen? Auf den Baron?“, hakte der Knappe des Junkers von Eichstein nach. Wenn sie sauer war, dann konnte das, was auch immer es war, ja nicht sonderlich... zufriedenstellend gewesen sein.
„Hm“, machte Fernando da allerdings nur und war sich nicht so recht sicher, ob er nicht doch etwas angestellt hatte, vielleicht hatte sie ja herausbekommen, das er ihnen gefolgt war, „Sie war den ganzen Tag über schon nicht sonderlich gut gelaunt, wegen den Ereignissen am Morgen. Na ja, als sie Besuch von ihrem Vetter und Aeladir an ihrem Krankenbett besucht wurde, schien sie wohl auf zu sein. Vielleicht hat es wirklich war mit dem Baron zu tun. Der schien auch irgendwie... verstimmt.“
Oh, dachte Aedin und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Abend war wohl nicht ganz so gelaufen, wie erwartet.
„Muss ich jetzt in die Nordmarken umziehen? Zu Ira?“, dem Pagen war das Unbehagen bei dieser Vorstellung ins Gesicht geschrieben, „In den... Hinterkosch?“
Aedin schüttelte kurz den Kopf und schaute Fernando irritiert an.
„In den Hinterkosch umziehen? Wieso das denn? Hast du Ira einen Heiratsantrag gemacht?“, antwortete er und konnte es nicht lassen, den Pagen ein bisschen aufzuziehen. Doch grinste er Fernando dabei fröhlich an, so das dieser wusste, das es nicht böse gemeint war und dennoch schaute der Page ihn vollkommen fassungslos an.
„Ira heiraten? Bist du verrückt?“, Fernando war die Wut, Zorn und Scham ins Gesicht geschrieben, diese eine Begegnung mit der Knappin hatte ihm vollkommen ausgereicht.
„Heirate du sie doch!“, würgte er dann hervor.
Wieder ernster schauend hakte Aedin nach: „Aber ernsthaft: Warum solltest du in den Hinterkosch umziehen müssen? Da will doch keiner hin freiwillig“
„Eben!“, Fernando nickte energisch, „Da will wirklich niemand hin – ich auch nicht! Aber du weißt doch wie das bei den Erwachsenen ist, kaum haben die sich nackt gesehen, heiraten die gleich...“ Aedin schüttelte gedankenverloren den Kopf. „Keine Sorge, so schnell geht das dann wohl auch nicht.“ Aedin erinnerte sich daran, dass Fernando noch ein paar Jahre jünger war. Er glaubte nicht, das seine zukünftige Schwertmutter schon mit ihm über gewisse Themen des rahjagefälligen Zusammenlebens, aber auch der traviagefälligen Ehe gesprochen hatte.
„Nun mach dir mal nicht zu viel Sorgen. Bis deine zukünftige Schwertmutter überhaupt mal irgendwen heiratet, da müssen wohl noch ein paar mehr Dinge gegeben sein als das sie ihren zukünftigen Mann nackt gesehen hat. Und so wie du berichtet hast, ist das wohl noch nicht gegeben...“, erwiderte er dann.
Der Page hatte dem Knappen aufmerksam zugehört. Nun nickte er nachdenklich: „Meinst du wirklich?“
„Wie gesagt, mach dir keine Sorgen, so schnell heiratet es sich nicht“, antwortete Aedin, während sie die Wassereimer für die Pferde füllte.
Nun da Fernando dem Knappen seine Sorgen mitgeteilt hatte und dieser diese für vollkommen unbegründet hielt ging es ihm gleich schon viel besser und plötzlich war er wie ausgewechselt, wirkte fröhlich und aufgeweckt wie sonst auch. Das wichtigste war ohnehin, dass er nicht in die Nähe von Ira musste. Und so machten sich die beiden mit ihren gefüllten Wassereimern auf den Weg zu den Pferden und Aedin sann darüber nach, was und wie er es am besten seinem Schwertvater erzählen würde.
„Ich hab Thyria nackt gesehen!“, platze Fernando da einfach so plötzlich heraus, als wäre es das normalste der Welt.
Der Eichsteiner Knappe schaute den Boltansroder Pagen für einen Augenblick erstaunt und still an, dann fing er an zu grinsen, lachte gar los. „Die Waffenmagd Thyria?“ fragte er lachend und immer noch ungläubig.
„Aeladirs Thyria!“, erwiderte der Page und nickte energisch. „Seine Waffenmagd! Thyria ist seine Waffenmagd und ich hab sie nackt gesehen.“
Der Knappe musterte den Jüngeren von oben bis unten und schüttelte, immer noch lachend, den Kopf. „Das scheint ja ein einschneidender Anblick gewesen zu sein. Und jetzt geht sie dir wohl nicht mehr aus dem Kopf?“ fragte er den Pagen der Boltansrodenerin und musterte ihn immer noch skeptisch.
„Ich hab schon andere Mädchen nackt gesehen“, versicherte er da nur, „und die Junkerin habe ich auch schon mal nackt gesehen. Aber irgendwie...“
Aedin hörte interessiert zu, als der Page von seiner Pagenmutter sprach, grinste er umso mehr. Na gut, du Schwerenöter. Jetzt komm aber, die Pferde haben Durst...“