Blut, das bindet, Blut, das trennt - Blutige Federn

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Per 1032 BF
Blutige Federn


Kapitel 1

Blutsbande
Autor: Lindholz


Die Baronie Zwischenwasser im Frühling 1032 nach Bosparans Fall

"Vater?"
Sarias Stimme klang ungewöhnlich zaghaft. So als würde sie befürchten, dass die zusammen gekauerte Gestalt vor ihr sich in Nichts auflösen würde, wenn sie ihre Stimme zu sehr erhob.
Unruhig trat sie über die steinerne Schwelle des wehrhaften Baus in den ummauerten Garten. Weich gab der mit Gras bewachsene Boden unter ihren Füßen nach. Eine Amsel sang ihr Lied in einem nahen Apfelbaum. Alles wirkte so friedlich, doch irgendetwas war falsch. Woher kamen bloß die Rufe und dieses beständige Klopfen? Als würde etwas Schweres immer wieder gegen eine Tür schlagen? Mühsam quälten sich ihre Gedanken durch Erinnerungen, die wie hinter einem Schleier verborgen schienen, als eine Bewegung sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Person vor sich richten ließ.

Endlich erhob der Mann in der schweren Rüstung sein Haupt und stand mit einen Lächeln auf seinen Zügen auf.
"Meine kleine Saria..."
Ein Glücksgefühl breitete sich in ihrem Inneren aus, drückte schmerzhaft gegen ihr Herz. Sie hatte ihn also nicht verloren! Fast hätte sie die Hoffnung aufgegeben, aber ihr Vater war hier, zwar verletzt, aber am Leben.
Doch dann verkehrte sich das Lächeln auf den Zügen des erschöpft wirkenden Mannes mit seinen schon ergrauenden Haaren und dem ungepflegten Bart in das Gegenteil. Blanker Hass sprach aus seinen Augen.
"Du kannst mich nicht täuschen, Dämon, ich erkenne Dich! Du kannst mich nicht mehr täuschen!"

Von irgendwo her erklang ein unmenschliches Lachen. Nur einen Augenblick ließ sich die junge Frau dadurch ablenken und schon hatte ihr Gegenüber ein Schwert gezogen und war mit einem blitzschnellen Ausfallschritt bei ihr. Alles in Saria verkrampfte sich, als sie sich duckte. Instinktiv griff ihre Hand zur Waffe, während sie den linken, gepanzerten Arm zur Abwehr erhob, doch ihre Bewegungen schienen ihr unglaublich langsam, als würde sie sich durch schweren Moorboden quälen. Viel zu langsam. Dann der Schmerz in der Schulter, der Ruf eines Rabens, schwarze Federn, warmes Blut auf ihre Wange, Dunkel.

Saria erwachte. Einen Moment blickte sie stumm die aus einfachen Holzbalken bestehende Decke über sich an.
'Ein Traum.' dachte sie bei sich und schluckte dann bitter. 'Nein. es war kein Traum. Es war eine Erinnerung. Wir haben alles verloren... Vater.'
Ihr Mund war trocken und ihr Körper schien überall zu schmerzen. Eine unglaubliche Leere erfüllte sie für einen Augenblick der Hoffnungslosigkeit. Doch sie war ein Mensch, der Aufgeben nicht kannte, solange er noch am Leben war. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich dessen erinnerte, aber es gelang ihr.
Noch einmal schluckte die Frau mit den langen, dunkelbraunen Haaren, die sich seitlich von ihr über ein grobes Leinenkissen ergossen. Da sie noch immer nicht in der Lage war, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen, sah sie sich als erstes in der kleinen Kammer um. Viel von Interesse gab es nicht: Ein winziges Fenster, eine Tür, eine einfache Bettstatt, ein Hocker und ein kleines Tischlein mit einem irdenen Krug und zwei Holzbechern.v'Wasser!' schoss es ihr durch den Kopf, und etwas schwerfällig schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie war so schwach! Wie lange war sie nicht bei Bewusstsein gewesen? Sie vermochte es nicht zu sagen.
Dann öffnete sich die niedrige Holztür des Raumes, sie fuhr herum und Erleichterung durchflutete sie, als eine wohl bekannte Gestalt eintrat.
Etilian, ihr Zwillingsbruder, hatte etwas hellere, braune Haare als sie, aber die gleichen, für ihre Familie eher untypischen grünen Augen, unter denen sich dunkle Ringe abzeichneten, die sogar noch stärker ausgeprägt waren als gewöhnlich. Er wirkte so, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen und die einfache Robe, die er trug, sah aus, als würde sie jeden Moment um eine Wäsche oder Erlösung von ihrem Leid bitten wollen. Dennoch lächelte er, als er sie ansah.
"Gut geschlafen?" fragte er, als wäre es ein ganz normaler Morgen, wie jeder andere. Sie nickte und erkundigte sich dann: "Wo sind wir?"
Ihr Bruder lenkte seine Schritte zu dem Krug und schenkte ihnen beiden von dem klaren Wasser ein.
"Im Kloster des Dreischwestenrordens in Gôrmel. Du warst lange krank."
Dankbar nahm die Kriegerin das erfrischende Nass entgegen, während sie über das Gesagte nachdachte.
Richtig. Sie war krank gewesen. Sie erinnerte sich an lange, fiebrige Träume von Landen, die in ewiger Finsternis lagen, an kurze Augenblicke des Wachseins, an den Geruch der Pferde und das Rumpeln der beschlagenen Räder auf dem Kies der Straße, bevor das Dunkel sie wieder hinabriss. Und sie erinnerte sich an Etilian an ihrer Seite. Die ganze Zeit, selbst im Traum war er da gewesen. Hatte an ihrer Seite gekämpft... war da noch jemand gewesen?
Wieder dieser Schleier. Sie gab den Gedanken fürs Erste auf. Ihr würde es schon einfallen, wenn es wichtig war. Stattdessen widmete sie sich der wesentlich näher liegenden Frage.
"Gôrmel? Das liegt nicht in Darpatien, oder?"
Ihr Bruder verneinte: "Wir sind in Zwischenwasser, im Kosch."
Als das Fürstentum erwähnt wurde, wurde der jungen Frau klar, wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen sein musste und der Gedanke schockierte sie so sehr, dass sie eine Zeit lang nicht wusste, was sie sagen sollte.
Schließlich fuhr der junge Heiler fort: "Wie müssten hier Verwandte haben. Ich werde mich erkundigen, ob sie uns vielleicht eine Zeit lang Obdach bieten können. Lange wird unser Sold nicht vorhalten."
Die Kriegerin nickte nur.