“Stolz, treu, wacker” — Das Eiserne Angbar, die Landeshauptstadt

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Ausgabe Nummer 6 - Efferd 1015 BF

“Stolz, treu, wacker” — Das Eiserne Angbar, die Landeshauptstadt

Unser Kosch (Teil III)

Rauchende Essen, dröhnende Schmiedehämmer, der gewaltige Tempel der Flamme, das hochheiligste Haus des feurigen Herrn Ingerimm… solcher Art Gedanken dräuen dem braven darpatischen Landmann oder der stolzen almadanischen Edlen, wenn die fahrenden Sänger anheben, von der Stadt Angbar zu künden…

Doch wisset wohl: Die wack‘ren Diener des Ewig Feurigen sind es, die den Namen der trutzig ummauerten Stätte zu einem der großen des Reiches haben werden lassen, wohlbekannt weit über die Marken hinaus, in den wilden Landen der Ferne gar; und stets mögen sie die ehrbarsten sein in der Bürgerschaft. Allein, die einzigen sind sie nicht unter des Greifen Antlitz, die tüchtig sind in des Fürsten Eberstamm Capitale.

Wahrlich, die Kunde, die in die Ferne dringt — wahr ist sie schon, doch fehlt auch vieles. Nun, itzo soll‘s ein Bild hier geben, das getreulich zeigt auch and’re Seiten (und seien‘s auch nur Kleinigkeiten)…

Magister Qendyllin Turmold Dergeldorp, Diener der Herrin Hesinde ebendort

Es ist wie Hochwürden Dergeldorp so trefflich sagt:

Den Lärm von Hammer auf Amboß, rußgeschwängerte Luft und aschschwarze Tunnel — das alles gibt es eben auch in Angbar, doch stört das ingerimmgefällige Wesen der Stadt die übrigen Sinne beileibe nicht so stark, wie das mancher Mittelreicher fürchtet.

Wenn man sich nämlich nicht eben in den Minenbezirk oder die Schmiedehallen verwirrt, so bietet die Stadt ein freundlicheres Bild: wehrhafte Mauern, eine trutzige Burg, stolze Tempel, gerade Straßen, wohlgebaute Häuser. Ja, die Architektur ist es, die dem fremden Besucher als erstes ins Auge fällt. Garether oder lfwiki:Vinsalter Putz sucht man hier vergebens, alles ist allein dem Herrn Ingerimm zum Wohlgefallen errichtet. Angbar ist — mag's auch nach den Maßstäben der Metropolen klein zu nennen sein — die vielleicht einzige Stadt Aventuriens, die fast komplett aus Stein erbaut ist. Nur wenig Fachwerk kann man innerhalb der Stadtmauern erblicken, Ziegel oder Naturstein dominieren.

Nach Zwergenart ist auch die übrige Ausgestaltung geraten: Viele Gebäude weisen ein oder mehrere ausgebaute Kellerebenen, aber kein Obergeschoß auf (Grenzen werden dabei nur durch die dank der Baukunst der Angroschim nur durch die ungünstigen Bodenverhältnisse in Ufernähe gesetzt). Schmuckwerk an Fassaden ist zwar verbreitet, besticht aber mehr durch handwerkliche Perfektion als durch künstlerische Pracht. Beliebt sind Symbole des täglichen Lebens oder Sinnsprüche (oft in Zwergenrunen), die zum Teil auch Auskunft über Bewohner oder Zweck des Hauses geben.

Ein übliches Merkmal anderer aventurischer Städte fehlt in Angbar — das Armen- der Unterschicht. Selbst der einfachste Handwerksgeselle kommt durch seine Zunft zu einer Unterkunft, für die Minenarbeiter stehen sogar ganze Straßenzüge bereit. Jedes Haus ist dort das fürwahr traviagefällige Heim einer Bergmannsfamilie, die ihr Glück wohl zu schätzten weiß. Größter Stolz ist in fast allen Haushaltungen der im Hinterhof, abseits vom Trubel der Sttraße gelegene Garten. Dort findet man nicht nur einen Platz der Ruhe und Entspannung, dort baut man auch Obst und Gemüse an. Rüben und Bohnenfrühte zumeist, aber auch Hopfen, Malz, Äpfel, Pflaumen und verschiedenste Kräuter und Gewürze aus eigenem Anbau verfeinern so den Speiseplan in vielen Angbarer Küchen.

Oft halten die Bürger in einem kleinen Verschlag im Hinterhof zusätzlich auch Kleinvieh — Hühne, Gänse, oder Hauschweine, vor allem aber Schafe und Ziegen. Während letztere neben Milch und Käse auch wegen ihres schmackhaften Fleisches geschätzt sind, führen die von den Eisenwalder Langohren abstammenenden Schafe oft über Jahre ein Leben als gehätscheltes Schoßtier, das lediglich ab und an von seiner Wolle lassen muß.

Sogar ein eigenes Fest, das „Tolle Treiben“, ist ihnen gewidmet. Jährlich zu Beginn des Frühlings, am Markttag im Phexmond werden dann sämtliche Tiere durch die Gassen der Stadt gejagt, um den traditionellen Auftrieb auf die Bergweiden zu symbolisieren. Zum Verkauf stehendes Jungvieh wird danach in einem großen Pferch auf dem Marktplatz zusammengetrieben, wo wagemutige Burschen und Mädel beim „Bocksbeuteln“ versuchen, dem wildesten Schafsbock einen festen Sack über den Kopf zu stülpen, um ihn Boden zu zwingen. Abends klingt dann der Festtag — wie sollte es anders sein — mit einem üppigen Gastmahl aus, bei dem der „Schafskopf“, der erfolgreichste Züchter des vergangenen Götterlaufs, präsidiert.

Die Schandwaage

Ein wenig verlassen steht ein seltsames Gerüst am Rande des großen Angbarer Marktes. Fast erinnert das Bauwerk, rußgeschwärtzt und t-förmig wie es ist, an einen Galgen mitten in der Stadt. Doch wenn die Angbarer ein solches Instrument von Herzen ablehnen würden, so kommt ihm dieses Gerüst in seiner Unheimlichkeit sehr nahe. Schon der Name verrät, daß mit der „Schandwaage“ ein wenig rühmliches Kapitel der Stadtgeschichte verbunden ist.

Auch heute noch redet man nicht gern über die Zeit vor mehr als 400 Jahren, als Shaikaz der Kahle die Stadt zwang, von ihm ihre Freiheit zu erkaufen. Der Orkhäuptling vom Stamme der Tschurshai hatte mit seinen Horden breits einen Teil der Stadt besetzt, als es ihm in einer gewagten nächtlichen Attacke gelang, auch noch die letzte Hoffnung der Bürger, die „Zornige Theruka“, buchstäblich in Flammen aufgehen zu lassen. Das nahmen sie als Zeichen, daß Rondra sie verlassen hatte, und beschloß sich bitteren Herzens, mit den Schwarzpelzen einen Frieden auszuhandeln, um Schlimmeres abzuwenden.

An den verkohlten, aber immer noch stabilen Resten aber dieser gigantischen Wurfmaschine ließ Shaikaz sich die drei schwersten Ambosse der Stadt in Gold aufwiegen, bevor er mit seinen Kriegern weiterzog. Daß die Orks dabei geradewegs in ihren Untergang liefen und allesamt in der Schlacht von Ferdok den Tod fanden, vermochte keinen der Angbarer aufzuheitern. So beschlossen sie, die Waage, die den Preis für Freiheit und Leben bestimmt hatte, als Mahnmal für nachfolgende Generationen zu erhalten, auf daß man niemals mehr die Stadt so schmählich übergebe (Zugleich begründeten sie die „Ehrbare Bürger- und Schützengilde zu Angbar“, die auch heute noch bestehende Bürgerwehr der Stadt).

Die Relox-Uhr

Ganz in der Nähe, im Haus der Zünfte befindet sich eine der populärsten Attraktionen Angbars — nicht das größte, aber sicher das raffinierteste aller Zeitmeßgeräte (oder Satinaviaten, wie der Kundige sagt) im Mittelande, feiner noch als das Werk der Kusliker Turmuhr. Jeder reisende Fremde nimmt sich Zeit, dieses Wunderwerk der (wiederum zwergischen) Feinmechanik ausgiebig zu bewundern. So umgibt ständig eine wartende Menschenmenge das Podest, auf dem die Apparatur zur Schau gestellt wird, und selbst alteingesessene Angbarer sind noch jedesmal verblüfft, wenn das Ziffernblatt eine volle Stunde zeigt.

Dann läßt nämlich eine Unzahl von Zahnrädern, Kettenzügen und Drehachsen vor den Augen der Gaffer mehrere große Pauken, Becken, Glocken und sogar einen Pfeifenbalg erklingen, gefolgt von einem Hornstoß. Zu jeder halben Stunde zeigt sich ein etwas anderes, aber nicht minder verblüffends Spectaculum. Begleitet von einem Posaunenton schwingt jeweils eines der beiden unterhalb des Zeigers gelegenen Stundengläser herum, so daß der Fluß des in ihnen enthaltenen Sandes nicht einen Moment unterbrochen wird. Auf ihnen ihnen findet sich nämlich einen noch genauere Einteilung der Zeit in jeweils 30 Abschnitte.

Das dritte regelmäßige Ereignis ist für den Betrachter weit weniger aufregend als die beiden anderen, doch dringend notwendig, damit sie überhaupt stattfinden können. Jeden Nachmittag widmen sich Uhrmeister Raloxom, der Sohn des Erbauers Relox, und seine zwei Gehilfen auf‘s Ausführlichste der inneren und äußeren Pflege der komplizierten Mechanik. Bis die Wartung mit dem Aufziehen sämtlicher 51 Spulen und 479 Federn beendet wird, verschwinden die drei zeitweise fast völlig in dem gewaltigen Uhrwerk. Damit dabei kein Missgeschick passiert, müssen natürlich gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.

Der Anblick von Meister Raloxom mit aufgerollten Zöpfen und Bart mag komisch erscheinen, doch sollte man es nicht wagen, über den ehrwürdigen Angroschim ein Wort des Scherzes fallen zu lassen. Der alte Uhrmacher ist schon ein rechter Griesgram, zumal ihm nun auch noch sein tüchtigester Geselle, Barumba, aus reiner Bosheit davon gelaufen ist, um sich einer irrwitzigen und sowieso von Anfang an zum Scheitern verurteilten Expedition ins ferne Südmeer anzuschließen. Nun mußte der Meister gar einen Menschen als Lehrjungen aufnehmen, da sein zweiter Geselle, Calmax, zwar der Sohn seines Bruders, aber immer noch kein richtiger Uhrmacher ist, und selbst jetzt, kurz vor seiner Feuertaufe, noch Flausen im Kopf hat wie ein Bürschlein von zwanzig. Und überhaupt weiß heutzutage niemand mehr die anständige Handwerksarbeit zu schätzen, die Meister Raloxom nun schon seit Jahrzehnten tagtäglich leistet — so sieht er es jedenfalls selbst.

Die Halle der Kämpfer

Wie es sich für ein Haus der Kriegsgöttin gebührt, liegt der Rondra-Tempel Angbars dort, wo er den Verteidigern Mut und Zuversicht spendet, alle Feinde aber von einem Angriff abschreckt — er ist quasi ein Bestandteil der Stadtmauer. Stolz kündet er von der Gunst der Löwin, doch ist er kein trutziges Festungswerk, sondern eine von Säulen gestützte Halle, wie sie in den alten Tagen überall vorherrschten.

Gewiß, dies mag jenen neuzeitlichen Belagerungsexperten und Festungsbaumeistern, die vielleicht die Garether Generalstabsstuben und den Paradeplatz kennen mögen, nicht aber das Heerlager vor der Schlacht oder die einsame Wache im Morgennebel, als Schwachpunkt in den Verteidigungsanlagen vorkommmen. Doch ist dieser Abschnitt genauso wehrhaft, ja stärker noch als jeder andere Teil der Stadtmauer. Kein Jünger der Löwin wird sich hinter Wällen verschanzen, wenn er dem Gegner ins Auge blicken kann, der unerschütterliche Glaube an die Göttin ist ihm Schild und Rüstung zugleich, tausendmal besser als alles Machwerk der Sterblichen!

Hoch über der Stadt ist die Tempelplattform gelegen, hinab führt eine Treppe, zwölf Schritt breit und aus weißem Marmor, umrahmt an beiden Seiten von den Statuen der Heiligen und Helden, jede ein Meisterwerk der Steinmetzkunst. Wenn der Hohe Bruder des Tempels von der obersten Stufe den Gläubigen von Ruhm und Taten der Göttin und Ihrer Helden kündet, dann ist das Herz eines jeden wahrhaft von Ihrem Geiste erfüllt. So zeugen Spuren von Feuerbrand und nachträglich eingesetzte Steine von den (wenigen) vergeblichen Versuchen, die Stadt zu erobern, doch weitaus größer ist die Zahl der Waffen und Rüstungen überwundener Gegner in den inneren Kammern des Heiligtums.

Zwar weilt Schwertbruder Gisbrun Idamil von Wengenholm (der jüngere Bruder des Grafen Hakan) seit Jahr und Tag fernab ab von Angbar im Norden des Reiches, um der Göttin getreu wider die schwarze Brut zu fechten, doch versteht es die Löwenrittterin Xanéis Schwertfrieden sehr wohl, den Vorsteher in seiner Abwesenheit zu vertreten. Eifrigste Besucher des Tempels sind seit jeher die Kaiserlichen der Garnison und die Reiter der Fürstengarde, besonders aber freuen sich die Geweihten derzeit nach Nachrichten über Krieger aus der Fremde, die Nachricht über den Fortgang der Kämpfe an den Reichsgrenzen mit sich bringen.

Stitus Fegerson

Soweit der erste Teil über unsere stolze Landeshauptstadt. Sicherlich wird der Kosch-Kurier im Laufe der Serie „Unser Kosch“ noch öfter über Angbar berichten, so es die Leserschaft wünscht.

Nichtsdestotroz bemüht sich die Redaktion stetig, neue Berichte von Heimatforschern oder Geschichtskundigen über denkwürdige Sitten oder Stätten im Koscher Land zu erhalten und zur Veröffentlichung zu bringen.