Wolfsjagd zu Wengenholm - Pilzsuche I: Unterschied zwischen den Versionen
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Herr Praios erhob sein strahlendes Auge aus Tau und Nacht und breitete seinen Purpurmantel über den | Herr Praios erhob sein strahlendes Auge aus Tau und Nacht und breitete seinen Purpurmantel über den |
Aktuelle Version vom 2. April 2022, 18:10 Uhr
Herr Praios erhob sein strahlendes Auge aus Tau und Nacht und breitete seinen Purpurmantel über den Osten aus, ein herrlicher Anblick. Seine Strahlen zerteilten die Frühnebel wie der Gesang der Waldvögel die nächtliche Stille, und die Welt erwachte zu neuem Leben. Die Ritter und ihr großes Gefolge schüttelten die Müdigkeit aus ihren klammen Knochen, man labte sich an einem kargen Mahl aus warmer Milch und Brotsuppe, um nicht mit einen allzu vollen Bauch in trägen Müßiggang zu verfallen.
Bald schwärmten sie aus wie die Bienen, wenn sie die roten Blüten und gelben Kelche von Tarnele und Drachenmaul auf der Wiese suchen, doch galt diese Suche nicht dem frohen Farbenspiel Perainens, sondern den Fährten eines grauen Räubers. Mit Freude sah Baron Kordan, wie die Hunde an den Stricken zerrten, das Spiel der Muskeln und Sehnen unter ihrem glatten Fell.
Schon am Vortag hatten die Jäger einen Wildbach rauschen hören, und nun fand man sich an einer schmalen Furt am Ufer ein. Die Treiber und Knechte wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, die eine folgte Wilbor Tannschlag, dem Meister Pannlapp die andre. Wohlgerüstet mit Pfeil und Bogen, Speer und Ger, Spieß und Klinge ritten die Edlen hinterdrein, vom Pferdesattel aus den Boden und das Tannengehölz am Wegesrand betrachtend. So zogen sie, in leises Gespräch vertieft, durch Wengenholms Forste, der Graf, sein Vogt und Ritter Falk nach Norden, nach Süden aber die Geistmärker, der Ritter Lucrann und der Rondrianer. Der ernste, firunliche Baron schien sich mit dem Diener der Leuin so gut zu verstehen wie die beiden jungen, leutseligen Degen in ihrem Gefolge. Globerich hatte alle Scheu verloren, die er noch auf der Angenburg wie einen Schild vor sich hergetragen hatte, und gab nun allerlei Geschichten zum besten, wie man sie in der Geistmark zahlreich kennt.
Auf diese Art vergingen die Stunden wie im Fluge, ganz als bliese ein frischer Wind in Satinavs Segel und treibe das Schiff der Zeit mit guter Fahrt voran. Der Morgen war schön, doch gegen Mittag zogen erste Wolken auf und nahmen dem Land die wärmende Sonne. Kalt wurde es, und der Wind rauschte in den Zweigen sein herbes Lied der Weite. Fast zur gleichen Zeit trafen sie wieder im Lager ein; es regnete leicht, in warmen, dicken, schweren Tropfen, und der ganze Himmel war trübe. „Ihr Herren, ich hoffe, Euch war beßrer Erfolg beschieden als uns?“ fragte der Graf, schillernde Perlen im Haar.
„So habt Ihr nichts gefunden, Hochwohlgeboren?“ fragte der Geweihte der Leuin. „Nicht eine Wolfsfährte!“ entgegnete dieser und ließ sich seinen Unmut deutlich ansehen. „Aber Pilze!“ entgegnete Ritter Falk fröhlich. Die andern waren verwundert. „Eine lange Geschichte, die sich gut beim Abendmahl erzählen läßt“, brummte der Stolzenburger und wies einladend auf die Feuerstelle, die eifrige Mägde unter dichtbelaubten Bäumen eingerichtet hatten. Ein Kessel mit Kräutersud köchelte schon über den bleckenden Flammen. Die Reiter streckten behaglich die Beine aus, die Stiefel standen hinter ihnen, die Socken qualmten in der Nähe des Feuers.
„Was hat’s denn nun mit den Pilzen auf sich?“ fragte Globerich voller Neugier. „Na, die kommen jetzt in die Suppe, hoffe ich doch!“ erklärte Ritter Falk voller Überzeugung und winkte den Koch herbei, um ihm die wichtigen kulinarischen Anweisungen zu geben. Inzwischen nahm Vogt Stolzenburg den Faden auf und erzählte von den Stunden ihres Rittes: „Bis zum Mittag geschah nichts, rein gar nichts. Einmal kamen wir an eine Stelle, die das Wild offenbar häufig als Tränke benutzt, denn es gab dort etliche Abdrücke im Ufersand – doch von einer Wolfspfote weithin keine Spur. Dann hörten wir plötzlich ein Knacken im Gebüsch, und der Graf schickte zwei von den Knechten in diese Richtung. Mit einem Male ein überraschter Schrei, dann lautes Zeter und Mordio. Wir stürmen hin zu der Stelle, und sehen die beiden Knechte verdutzt neben einem Mütterchen stehen – oder vielmehr über ihr, denn die Alte war vor Überraschung und Schrecken offenbar gestürzt, saß auf ihrem Hinterteil im Gras und fluchte, wie ich noch keinen Zwölfgöttergläubigen habe fluchen hören. Sie funkelte die Knechte an und fauchte: Das sind mir schöne Sitten, wer immer Ihr auch seid! Ein wehrlos altes Weib so hinterrücks zu überfallen wie der Jergenquell! Ihr seid’s wohl gar, ihr Lumpenhunde, noch nie von Mutter Travias Gesetz und Ingerimms Sitten gehört, daß man die Schwachen zu schützen und die Alten zu ehren habe, wie’s jedem guten Koscher zukommt, trag’ er Rock oder Rüstung!“
„Meiner Treu!“ lachte Lucrann, „da scheine ich ja ein wahres Bubenstück verpaßt zu haben – welche Schande!“
Auch die anderen schmunzelten bei der farbigen Erzählung des Stolzenburgers, der nun fortfuhr: „Dem Grafen gelang es jedoch rasch, die Alte zur Ruhe zu bringen – denn als er in Firunszeug und Federhut, mit Schwert und Speer dastand, da sah man doch...“
„Schmeichelt nicht, Vogt, sonst laß ich den Ritter Falk die Märe weiter erzählen!“ lachte Graf Jallik, dessen gute allmählich zurückkehrte.
Gelphart von Stolzenburg winkte hastig ab und fuhr fort: „Also gut, das Weib ward still, doch schien sie gar nicht einmal so verdutzt, den Herren des Landes vor sich zu sehen. Wie dem auch sei, die Knechte halfen ihr auf; sie war eine hagere, sehr hochgewachsne Erscheinung, aber schon gebeugt und das Gesicht voll Runzeln, und schlohweißes Haar. Im Märchen könnte ein Kräuterweiblein nicht besser geschildert sein.“
Der Graf nickte und übernahm nun die Erzählung: „Und um sie herum lagen weit verstreut Dutzende von Pilzen. Den ganzen Morgen habe sie eifrig gesammelt, ob der Herr Graf denn wisse, wie das einen alten, geplagten Rücken schmerze, und da kämen nun die Büttel des hohen Herrn und machten die Mühe und die Arbeit all zunichte, bei den Göttern! Sie schien’s im Ernste wie im Spaße gleichermaßen zu meinen, und ich wußte nicht recht, ob ich mich an ihrer Einfalt ergötzen oder über ihre Leutseligkeit verärgern sollte.“
„Die Knechte mußten schließlich die Pilze aufsammeln und in die Körbe legen, wie die Alte sie hieß: Zwergenhelme, Wengenholmer Mützchen, Elfenschößlinge und Rohalskappen“, ergänzte der Stolzenburger. „Doch dann geschah etwas Seltsames: sie trat vor Seine Hochwohlgeboren hin und sah im tief ins Auge, zumindest für einen Moment. Dann verneigte sie sich, reichte ihm eines der geflochtenen Körbchen und sagte: dies als Dank für Eure Gerechtigkeit, Herr Graf – und als verspätete Steuer; ich glaube, Eure Büttel kommen nur selten an meine Kate. Doch seid Ihr stets willkommen, wenn Euch Eure Suche nach dem Wolf dorthin führt. – Sprach’s und trat zwischen die Bäume.“
„Wir standen verdutzt“, gestand der Graf, „und ich wollte sie noch zurückrufen und fragen, woher sie wisse, daß wir den Wolf zu stellen gedächten – doch da war sie bereits im Forst verschwunden, und nur ein paar schwankende Zweige zeigten noch die Stelle an.“
„Das ist wirklich eine seltsame Geschichte“, meinte der Diener der Leuin Lucardus und kratzte sich am Kinn. „Ich wüßte doch zu gerne, ob das nun eine gewöhnliche, wenn auch etwas wunderliche Alte war, oder...“
Weiter kam er nicht in seinen Gedanken, denn soeben trat Ritter Falk wieder in den Kreis und erklärte stolz, was er den Koch geheißen hatte, von den Pilzen zu kochen. Da verspürten sie alle, wie sehr der Hunger in ihren Mägen grimmte.
„Das brummt da drinnen nämlich schon wie ein Hollerbär“, erklärte Ritter Falk und klopfte sich auf den Wanst. „Dem muß Abhilfe geschaffen werden.“