Dohlenfelder Thronfolgestreit - Ein heikler Auftrag

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
1032 BF
Ein heikler Auftrag
Ernste Zeiten


Kapitel 11

Der zweite Tag
Autor: M.W. und S.A.


Nordmarken, 1032

„So sei es also. Ich werde mich informieren, wie man am besten Abenteurer anheuert und die Anwerbung übernehmen. Dann kann ich auch einigermaßen sicher gehen, dass sie den Anforderungen genügen, die wir an sie stellen.“
Voltan nahm einen Schluck aus seinem mit einer detaillierten Jagdszene verzierten Krug.
„Nur, wie viel sollen wir den Abenteurern preis geben? Ich möchte vorschlagen, sie über Charissia möglichst umfassend zu informieren – das sollte ihre Erfolgschancen erhöhen, sie zu finden. Über Bernhelms Testamentsänderung möchte ich jedoch lediglich das Nötigste anmerken: das ungefähre Datum, den Ort und unsere Vermutung, dass dies Charissias Werk sein könnte, und sie Bernhelm wahrscheinlich die letzten Tage seines Lebens in Gestalt seiner Frau hinterlistig begleitet hat. Die Teilnahme des Herzogs und anderer Edelleute an der Jagd möchte ich zum Wohle der Ordnung verschweigen.“
Abermals nickte Garmwart bei den Ausführungen Voltans. Der Landedle hatte Recht, die besagten Abenteurer sollten wohl ausgewählt werden, denn deren Verhalten und Taten mochten auf jene zurückfallen, die ihnen den Auftrag gaben. Einen strengeren Blick als jenen des Landedlen von Wichtenfels in dieser Sache, konnte sich der Baron von Eisenhuett nicht vorstellen.
„Ihr habt Recht, wir sollten aufrichtig sein in dieser Sache. Charissias Taten sollten überdies allerdings gemein hin bekannt sein. Wenn die werten Herrschaften von ihr noch gar nichts gehört haben wollen, solltet Ihr Euch die Herrschaften genau anschauen. Die Motive um die es uns geht, sollten auch nicht im Verbogenen bleiben. Wenn es ihnen jedoch gelingt ihrer habhaft zu werden, dann sollte es wohl möglich sein, weit mehr von der Schurkin zu erfahren als nur dies. Wenn diese Herrschaften jedoch zu Anfang schon manche Antwort, Bernhelm betreffend in Erfahrung bringen können, dann soll es so sein. Ohne eine gewissenhafte und von angemessener Stelle durchgeführte Befragung, sollte man den Worten der Schurkin jedoch wenig trauen. Wir sollten also nicht zu viel erwarten. Was seine Hoheit angeht“, Voltan wusste spätestens seit dem Herzogenturnier, dass es ein durchaus gespanntes Verhältnis zwischen dem Baron und dem Herzog gab. Seine Hoheit mochte manchen Details wenig Beachtung geschenkt haben und Garmwart vielleicht viel interpretieren, aber es schien tatsächlich so, als ob seine Hoheit manchen seiner Barone im Isenhag in die Schranken wies. Garmwart hatte jedoch seinen Teil beigetragen, sei es bei seinem Widerstand gegen den Albenhuser Bund oder ähnlichen Ansinnen. Es gab während einiger Festlichkeiten in den letzten Götterläufen und auch anlässlich eines Traviabundes im Hause Quakenbrück zudem Gesten des Herzogs, die kein Zufall sein konnten. Voltan war auch der Ehrgeiz mit dem Garmwart Mitglieder des Hauses vom großen Fluss während des Herzogenturniers als Gegner forderte, während andere Teilnehmer dies auf Furcht vermieden, nicht entgangen. Auch hatte er seine Hoheit im vorletzten Durchgang nicht geschont und bereits mit der Wahl seinen Sieg verspielt. Seine Hoheit galt noch immer als einer der besten Turnierreiter des Herzogtums. Ein Leichtes wäre es Garmwart dagegen vermutlich gewesen, einen der beiden Ritter, die letztlich den letzten Durchgang bestritten, zu schlagen. Garmwart hatte damit eine deutliche Aussage getroffen. Dennoch seine Treue galt noch immer dem Isenhag und den Nordmarken, damit auch dem Herzog und keiner mochte dies anzweifeln
„...seine Hoheit sollte an keiner Stelle Erwähnung finden. Niemand, der nicht mit den Taten der Schurkin in Verbindung steht, soll hierin Erwähnung finden, sodass Anschein aufkommt, wir würden an dessen Worten und Taten zweifeln. Seine Hoheit hat Recht getan. Lediglich soll es darum gehen, ob die Schurkin Einfluss auf Bernhelm nahm und vor allem, ob sie für seinen Tod verantwortlich ist.“
Der Abend wurde später, das Fässchen Dohlenfelder Dunkelbräu leerte sich stetig und löste zunehmend die Zungen der Adligen. So recht wollte noch niemand die Tafel aufheben lassen, zu selten saß man in dieser Konstellation zusammen und konnte sich neben allerlei Fachsimpelei über Güter, Turniere und Politik auch über regionale Begebenheiten von geringerer Bedeutung unterhalten. Interessanterweise war es Rohaja, Voltans hochgeborene Gattin, die als erste das Thema anschnitt, das zwar wie ein reifer, roter Apfel gleichsam im Raume hing, von den Herren des Abends aber gemieden wurde, als trügen sie die Angst in sich, dieser Apfel könnte vergiftet sein:
„Mein hochverehrtester Garmwart, verzeiht meine ungebührliche Neugier, doch nicht nur diese Unart, sondern auch große Sorge machen mich überlegen, ob Ihr gedenkt, Euch mit Waffenknechten hier an die Lande am Darlin zu begeben, sollte dereinst tatsächlich der grausame Kor über Praios' juristischen Ratschluss, Rondras ehrenhaften Zweikampf, Aves' umtriebige Kräfte und nicht zuletzt über die Weisheiten Peraines, Travias und Hesindes triumphieren.“
Garmwart hatte den Abend an der Tafel des Landedlen sichtlich genossen. Er war zwar stets bedacht, ein maßvolles Leben zu führen, doch sollte hier das Aufgebot des Herrn von Wichtenfels alle Ehre erfahren. Zudem empfand er dessen Gastfreundschaft als äußerst angenehm. Die Frage Rohajas, die wieder zurück zum Erbstreit führte, hatte Garmwart schon lange belastet. Ginge es nach dem Drängen seines Bruder Roderich, so würden sich, als deutliches Zeichen gegen das Ansinnen Hagens, schon lange Waffenknechte in den Farben Eisenhuetts in Dohlenfelde befinden und auf das Wort Angronds hören. Er hatte vor wenigen Götterläufen einige Speerkämpfer nach Liepenstein geschickt, als man ihn darum bat, da die Fehde der Reichvögtinnen auszuufern drohte. Aber in Dohlenfelde sah er keine Veranlassung für solch eine Geste.
„Ich gedenke derartiges derzeit nicht zu tun. Solange noch ein Ausweg aus diesem Zwist besteht, der Praios oder Rondra ehrt, bleibt zu hoffen, dass sich keine Partei Ritter oder Waffenknechte bedient und auf die Felder Dohlenfeldes bestellt, um sich mit Spieß und Lanze zu messen. Wie wohl ich es als unangemessen empfinde, wenn sich Streiter, die nicht Hagen oder Angrond die Gefolgschaft leisten und in deren Farben streiten, einmischen. Sollte der eine Bruder dem anderen jedoch auf angebrachte Art die Fehde erklären, so steht es ihnen freilich an, ihre Vertrauten und Anverwandten um Hilfe zu bitten. In solch einem Fall, würde ich mich freilich nicht entsagen meinen Verpflichtungen gegenüber dem Hause Sturmfels nachzukommen.“
Garmwart wollte damit ausdrücken, dass er noch immer der Überzeugung war in beiden Brüdern ehrbare Nachkommen Bernhelms zu sehen, denen er gleichermaßen, wie einst Bernhelm, mit Rat und Tat zur Seite stehen wollte. Voltan wusste jedoch, dass Garmwart unmöglich beiden würde helfen können. Zudem, dass Hagen eine solche Bitte niemals aussprechen würde und Angrond über seine Gemahlin Isida als erstes Eisenhuett bemühen würde.
„Ehe dies geschieht, würde ich jedoch jeden fremden Knecht, der seinen Fuß in kriegerischer Absicht auf Dohlenfelder Boden setzt, als Angreifer von Bernhelms Erbe betrachten“, womit er implizierte, dass er sodann dessen Herrn selbst die Fehde erklären würde, wie er einst Bernhelm zugesagt hatte. Ohnehin nahm Garwart das Fehderecht sehr ernst. Während der Zeit des Landfriedens hatte er sich an die Gebote gehalten, wenn auch zu jener Zeit die gegebenen Möglichkeiten zu nutzen gewusst, um Entscheidende Fragen, selbst mit den Beteiligten auf ehrbare Weise zu klären. Leichtfertig hatte er jedoch eine Fehde niemals ausgesprochen.
„Wir wollen aber hoffen, dass hier niemand unbedacht handelt“, hierbei dachte Garmwart vor allem an den Tandoscher. Tatsächlich war die Lage recht schwierig. Denn nach den Missverständnissen auf Crumolds Aue mit bei der Barox Sohn des Burgamon, Vogt von Brüllenbösen, stand Garmwart kurz davor, dem Vogt die Fehde zu erklären. Der Vogt hatte sich über die Rangordnungen des Isenhags hinweggesetzt. Er hatte beinahe das Isenhager Aufgebot in Unordnung gestürzt und damit den albernischen Gegnern ausgeliefert, um sich dann jedoch selbst abzusetzen. Garmwart empfand es nicht als verwerflich, wenn ein in der Rangfolge niederer Ritter den Mut beweißt und sich an die Spitze stellt, wie es dann Hagen tat. Im Gegenteil, zeichnet es den Ritter sogar besonders aus. Barox hatte jedoch in einem Moment in dem sich die Reihen geordnet in Bewegung setzen sollten und Garmwart letzte Anweisungen an das Fussvolk gab, das Heft in die Hand genommen, die Rangfolge durcheinander gebracht, mehrere Barone übergangen und für Unsicherheit gesorgt. Das hätte Garmwart noch verzeihen können, doch anstatt die Verantwortung zu tragen und sich selbst an die Spitze der Isenhager zu stellen nach vollbrachter Konfusion, hatte sich der Vogt entfernt, um an anderer Stelle des Schlachtfeldes nach Ruhm und Ehre zu suchen. Erst die Vermittlung des Barons von Tandosch und ein besonderes Götterurteil, an dem Garmwart nicht beteiligt war, aber doch beiwohnen durfte, hatten etliche Götternamen später die Differenzen schlichten können. Damals wurde vereinbart, um den Nordwesten des Isenhags zu beruhigen und in Hinblick auf die Machenschaften des Eisensteiners, dass man sich im Falle einer Fehde, die gegen die Person oder Familie des Vogtes von Brüllenbösen, des Barons von Tandosch und des Barons von Eisenhuett gegenseitigen Beistand leisten würde. Es wurde ein ritterlicher Schwur geleistet, der einem Zwerg und einem Baron mit dem Hintergrund Irians von Tandosch wenig zu passen schien, aber von Garmwart seither ernst genommen wurde. Der Umstand, dass der Tandoscher vor einigen Götternamen ohne Abstimmung mit Hagen selbst Angrond und Isida die Fehde hatte erklären wollen, hatte Garmwart entsprechend verstimmt. Bedeutete es nicht nur, dass der Tandoscher einem Familienmitglied Quakenbrücks die Fehde erklärte, damit den geleisteten Schwur brach, sondern auch noch erwartet hatte, dass sich Garmwart dem wie selbstverständlich anschloss. Ein Wortbruch sondergleichen. Bisher hatte der Tandoscher von der Umsetzung seiner damaligen Absichten jedoch abgesehen.

„Wir wollen es so handhaben. Ich werde bei meinem Besuch auf Burg Dohlenhorst Angrond nahelegen jede Tat gegen seine Bruder zu unterlassen bis unser Auftrag Früchte trägt. Ebengleiches werde ich schriftlich niederlegen und Hagen zukommen lassen. Auf das das Erbe Bernehlms nicht in Blut gedrängt wird. Denn gleich welche Absichten er verfolgte, Blutvergießen zwischen seinen Söhnen und Kriegsvolk auf den Feldern Dohlenfeldes waren gewiss nicht seine Absichten. Sie werden, davon ich überzeugt, verstehen und ihren Vater zu ehren wissen. Überdies bin ich mir sicher, dass sie sich unseren Absichten nicht verwehren werden.“

Die Nacht nach der Unterhaltung war kurz, denn Garmwart ließ sich früh wecken, um das allmorgendliche Praiosgebet in der dem Sonnenaufgang zugewandten Ucuri-Kapelle der Burg wahrzunehmen. Das im Dunkel beginnende Gebet, an dem ausschließlich die wenigen Adligen teilnahmen, widmete sich der beständigen Ordnung Praios', der Voraussetzung für ein jegliches fruchtbares Miteinander im täglichen Kampf gegen die Gefahren des Chaos. Während des Gebets kämpfte sich langsam die Sonnenscheibe über den Horizont, schickte ihre herbstschwachen Strahlen durch die gelben, klaren und roten bleigefassten Fenster der Kapelle und tauchte so die Betenden in ein zartes, warmes Licht. Die kräftigen Sommermonate, in denen die Kapelle schon zur Morgenstunde schier in feuriges Gold getaucht schien, waren vorüber.