Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der junge Baron

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, weitere


Nordmarken, 1033

Hagen von Salmingen-Sturmfels fühlte sich wohl, endlich würde der unselige Streit um das Erbe seines geliebten Vaters beendet werden! Hier war der Ort und die Zeit, die die Himmlische Leuin ausersehen hatte, um den Kampf zu entscheiden.
Streiff, sein getreues Streitross, trug Hagen im Galopp auf die Linien Angronds zu. Der Sechsundzwanzigjährige konnte durch den schmalen Schlitz seines Helmvisiers gerade genug sehen, um die Spitze seiner Lanze ins Ziel zu bringen. Der Ritter ihm gegenüber war Hagen nicht bekannt, das Wappen ließ erahnen, dass es sich um einen Gratenfelser Niederadligen handelte. Das bekümmerte ihn: Wie gerne hätte er einen der Barone, die sich gegen ihn gestellt hatten, durchbohrt. Oder einen Verwandten. Aber nun musste es eben dieser Ritter sein, die engen Reihen der aufeinander zustürmenden Blüte der beiden Heere ließen ihm keine andere Wahl.
In wenigen Augenblicken war es so weit. Zu seiner Linken sah Hagen die Lanzenspitze seines Freundes Korbrandt, zu seiner Rechten nahm er im Augenwinkel seine Getreue Roana von Schwarzfels wahr.
Hagen fixierte nun seinen Gegner. Dieser war durchaus ein erfahrener Ritter, er hatte sein Streitross, einen mächtigen Kaltblüter, exzellent unter Kontrolle und hielt seine Lanze ausgesprochen ruhig. Er zielte wie im Turnier auf Hagens Schild – nur um seine Waffe im letzten Moment um wenige Handbreit in die Höhe zu reißen und auf den Kopf zu zielen. Ach, wie gerne wäre Hagen diesem Gegner beim Tjosten begegnet, hätte seine Kräfte mit ihm gemessen, ohne dass er ihn zu Boron schicken müsste!
Hagen beugte sich mit aller Kraft nach vorne, auf jeden Halbfinger kam es nun an, denn wessen Lanze zuerst ihr Ziel erreichte, der hatte deutlich bessere Chancen, dieses Aufeinandertreffen zu überleben. Jeder Muskel im Körper des dreifachen Barons spannte sich an. Er brüllte: „Rondra!“ und bereitete sich auf den Einschlag der Lanzen vor, und schon brachen um ihm herum die Niederhöllen los.
Die Lanze seines Gegners verfehlte sein Haupt nur um Haaresbreite, sein Helm schlug kräftig an das Holz des Lanzenschafts und raubte Hagen die Sinne. Als er Augenblicke später wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war die Kriegslanze des Salmingen-Sturmfelsers zersplittert, er hatte seinen Gegner getroffen. Vom Aufprall war sein rechter Arm jedoch taub, der zerbrochene Lanzenstumpf war ihm entglitten.
Die beiden Streitrösser berührten sich, als Hagen und sein vermutlich schwer verwundeter Gegner einander auf Armeslänge im Galopp passierten. Überall waren Todesschreie von Ross und Reiter zu hören, Holz knirschte und splitterte, Metall klang auf Metall, der Geruch von Blut, Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten lag in der Luft.
Da sah Hagen auch schon die nächste Reihe feindlicher Reiter vor sich: Angronds Heer verfügte über so viele Berittene, dass Heerführer Garmwart sie dreifach gestaffelt aufgestellt hatte, Hagens Reihen waren deutlich lichter und nur doppelt gestaffelt. In der zweiten Reihe Angronds standen keine Ritter von Stand mit stolzen Wappen, aber durchaus ernst zu nehmende schwere Kavalleristen, die zum guten Teil auch mit Kriegslanzen bewaffnet waren. Hagen hatte keine eigene Kriegslanze mehr, ebensowenig seine Kameraden, denen mit ihm der Durchbruch gelungen war. Dieser Nachteil war kaum wettzumachen.
Hagen blieb wenig übrig, als auf das Beste zu hoffen und sein Schwert zu ziehen – doch war sein rechter Arm immer noch taub, zudem fiel ihm das Atmen unter seinem Helm schwer, der Baron hatte Erstickungsängste. Die Lanzenspitze näherte sich mit rasender Geschwindigkeit. Hagen dachte an seine Angetraute Ansoalda von Leihenhof, an seine Mutter, seine Freunde, die Jagdausritte, die vielen Turniere, die bisher überstandenen Zweikämpfe und Schlachten.
Mit einer hundertfach geübten Bewegung brachte er seinen Schild im letzten Augenblick zwischen sich und die auf ihn gerichtete Lanze des mit Garether Platte gerüsteten berittenen almadanischen Söldners. Hagen konnte die Waffe seines kampferprobten Gegners nur mit großer Mühe und viel Glück ablenken, denn der Söldner hatte offenbar nicht genau genug gezielt. Der Baron verlor bei der Parade auch noch seinen Schild. Als er seines Lebens froh an seinem zweiten Gegner vorbeirauschte, spürte der Baron aber zumindest seinen Waffenarm wieder.
Dies geschah genau zur rechten Zeit, denn vor ihm fand sich schon die nächste Reihe Feinde, leichte Reiter mit Klingenwaffen. Hagen ließ Streiff steigen und zog endlich sein ererbtes Familienschwert Hlûtharhilf, das er vor nunmehr über drei Jahren von seinem tödlich verwundeten Vater entgegengenommen hatte. Der Baron parierte routiniert den ersten Streich seines Gegenübers, eines berittenen Gardisten im Kurbul, der die Farben der Baronie Liepenstein trug. Die Schwertstreiche wurden nicht elegant wie in der Fechtschule, sondern grobschlächtig und ungelenk geführt – Hagen spürte, wie ihm von der bisherigen Anstrengung langsam die Kräfte schwanden, sein leichtgerüsteter Gegner wiederum hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, einem Ritter oder gar dem feindlichen Heerführer gegenüberzustehen und kämpfte überraschend zurückhaltend. Funken stieben, als sich die Klingen über den Köpfen der beiden Streiter trafen und ineinander verhakten. Hagen packte Hlûtharhilf mit beiden Händen, rief die Göttin Rondra und alle Heiligen um Hilfe und drückte die Klinge laut schreiend immer tiefer herunter, bis dem Gardisten, der seine Waffe nur in der Rechten führte, die Schwerthand wegknickte. Hlûtharhilf traf ihn mit großer Gewalt mitten auf seinen Helm, der seinen Halt verlor und dem Söldner die Sicht raubte. Die kurze Orientierungslosigkeit nutzte Hagen, um seinem Gegner mit einem kraftvollen Hieb mit dem Schwertknauf Nase und Mund zu einer blutigen Masse zu zertrümmern, um ihn unmittelbar danach den Leib mit der Klinge zu durchbohren. Als er sein Schwert zurückzog, sackte der Gardist leblos aus dem Sattel.
Der Baron ließ seinen treuen, nun mit dem Blut des Liepensteiners bespritzten Streiff wenden und sah erfreut, wie Ritter Korbrandt von Bösenbursch seine Streitaxt in der Brust eines Gegners versenkte und Roana sich im heroischen Zweikampf mit einem Ritter mit prachtvoller Helmzier befand. Andere Verbündete waren gefallen, aber seine beiden engsten Vertrauten waren noch am Leben und sogar im Sattel! Wenn das kein Zeichen Rondras war!
Hagen atmete mehrfach tief durch und spürte, wie die Kräfte in seine überanstrengten Glieder zurückkehrten. Eine Baronie für einen doppelten Gulmond! Aber er war zumindest nicht verletzt und er würde in dieser Schlacht noch viele Feinde töten – und hoffte, dass ihm die Himmlische Leuin endlich einen angemessenen Gegner und nicht nur unbekannte Ritter, namenlose Söldlinge und gemeine Büttel vor das von seinem Vater ererbte Familienschwert Hlûtharhilf treiben würde. Hagen von Salmingen-Sturmfels stritt schließlich nicht nur für seine Baronie, sondern auch für Ruhm und Ehre!