Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Vorabend

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
26. Bor 1032 BF
Der Vorabend
Der Vertrag


Kapitel 17

Der Angriff beginnt

Nordmarken

26. Boron 1032 BF

Es war der triste Nachmittag des 26. Boron des Jahres 1032 nach Bosparans Fall, finstere Wolkenberge wurden vom Beleman hoch über dem Tal des Großen Fluss gen Rahja getrieben, es war für die Jahreszeit ungewöhnlich kalt und windig.
Ein guter Mond war seit den Beratungen auf Burg Salmingen in der Baronie Dunkelforst vergangen. Hagen von Salmingen-Sturmfels, Baron zu Dunkelforst, Baruns Pappel und Dohlenfelde hatte seine adligen Verbündeten um sich geschart, hatte Söldlinge angeheuert, war gar ein geheimes Bündnis mit der Herzogenstadt Twergenhausen eingegangen, um seine Ansprüche in der Baronie Dohlenfelde im Isenhagschen durchzusetzen. Der Stadt waren für ihre Unterstützung weitgehende Zugeständnisse gemacht worden, unter anderem war ihr die Herrschaft über Burg Schwarzfels an der Via Ferra zugesichert worden.
Nun war der Tag der Entscheidung gekommen. Auf insgesamt fünf Schiffen – dem Baron zu Tandosch, einem der treuen Verbündeten Hagens, und der Herzogenstadt eigen – waren Ritter samt ihrer Rösser und sonstiges Waffenvolk eingeschifft worden, um den geplanten Handstreich gegen Angrond von Sturmfels, Baron zu Dohlenfelde, durchzuführen. Die Segelschiffe hatten sich zwischen dem 22. und 24. Boron am Nordufer einer dem Herzog gehörenden, großen aber unbewohnten Insel in der Mitte des Großen Flusses zwischen den Vogteien Nilsitz und der Baronie Ludgenfels gesammelt und lagen dort dicht am Strand verankert. Noch trugen die Bäume auf der Insel genügend buntes Laub, dass kein auf der Südseite der Flussinsel passierender Kahn – denn dort befand sich die übliche Fahrrinne – die fünf Schiffe sehen konnte.
Zahlreiche und teilweise sehr alte Feuerstellen auf der Insel zeugten davon, dass dort Fischer und vielleicht auch Schmuggler und Flusspiraten gerne nächtigten. Ein unheimlicher, halb im sandigen Boden eingesunkener, basaltener Altar wurde von den Adligen und ihrem Gefolge gleichermaßen gemieden, konnte doch niemand sagen, ob hier dereinst heilige oder unheilige Wesenheiten verehrt wurden. Neue Feuerstellen zu errichten war den Soldaten verboten worden, fürchtete man doch die Entdeckung durch vorbeifahrende Schiffe. So froren und bibberten die Kämpfer, in dicke Decken gehüllt und zu Efferd betend, dass es ja nicht regnen möge, und warteten auf das erlösende Signal zum Angriff auf die Baronie Dohlenfelde.
Baron Hagen inspizierte „seine“ Truppen mit großer Zufriedenheit. Er war stolz darauf, so viele Unterstützer in seiner Sache zu haben. Die Zwölfe – und sicherlich auch das Verhandlungsgeschick seiner Mutter Frylinde – waren mit ihm. Der junge Baron hatte sich mit den mit ihm verbündeten Adligen und Geweihten in einem eigentlich viel zu kleinen Zelt versammelt, eine prächtige, illuminierte Dohlenfeldekarte lag dort ausgebreitet auf einem niedrigen Tisch. Es war ein Exemplar der 1029 BF noch von Baron Bernhelm bei einer grangorschen Kartographin in Auftrag gegebenen Baroniekarte. Etwas abseits stand der der Patrizier Throndwig Perval Aurentian Gliependiek, der auf Burg Salmingen als Unterhändler der Herzogenstadt Twergenhausen fungiert hatte.
Nach mehrstündigen Beratungen war man sich endlich einig über den Angriffsplan geworden: Am nächsten Morgen, dem 27. Boron, sollten beim ersten Silberstreif am Horizont die Schiffe ablegen und gen Twergenhausen fahren. Dort würden sie nicht lange nach Sonnenaufgang eintreffen und sogleich entladen werden. Das Gros der Truppen sollte dann rasch über die Pervalsbrücke südlich Twergenhausens gen Burg Dohlenhorst vorstoßen, um den Thronräuber Angrond und seine Familie möglichst noch beim Frühstücksmahl zu überrumpeln und festzusetzen – und notfalls zu erschlagen. Auf Burg Dohlenhorst war auch die Hälfte der Angrond treuen Truppen Dohlenfeldes – ein Dutzend Streiter – zu erwarten, die wohl kaum bereit wären, einen hoffnungslosen Kampf wider die erdrückende Übermacht der Angreifer zu führen.
Gleichzeitig würde die Stadtwehr Twergenhausens, unterstützt von nur wenigen Adelstruppen (die insbesondere Frylinde eher als Aufpasser betrachtete) in raschem Marsche den Darlin aufwärts vorstoßen, um gegen Mittag die an der Via Ferra gelegene Burg Schwarzfels einzunehmen. Dort war die andere Hälfte der Kämpfer Angronds zu erwarten. Mit dem Fall oder zumindest dem Einschließen von Burg Dohlenhorst und Burg Schwarzfels wäre die Baronie in den Händen Hagens von Salmingen-Sturmfels.
Um das Junkergut Erzweiler musste man sich keine Sorgen machen: Die dortigen Soldaten hatten bereits über den Ritter zu Maringen Hagen ihre Treue erklärt, und würden sich am Angriff auf Burg Schwarzfels beteiligen.
Der junge dreifache Baron schaute in die Runde seiner Freunde und Unterstützer.
Zufrieden sprach er: „Bleibt nur noch eines zu klären: Wer von Euch wird an der Seite des Herrn Gliependiek, der die Twergenhäuser Truppen kommandieren wird, gen Burg Schwarzfels reiten, und wer wird mir nach Burg Dohlenhorst folgen?“
Die Baronin zu Wolfsstein wirkte zwischen den gepanzerten Männern und Frauen etwas verloren, überragten diese die zierliche Baronin doch auch fast alle. Gewappnet war Praiodara einzig und allein in eine Brigantine, die sie unter dem wärmenden Umhang trug. An ihrer Seite baumelte ein Rapier, jedoch wussten ihre Vasallen, dass die Frau aus dem Hause Föhrenstieg diesen eher ungerne einsetzte. Wenn es denn zu einem Kampf kommen sollte, würde sich die Baronin wohl eher auf ihre kostbare Balestrina verlassen.
Ihre beiden Gefolgsfrauen – die hochgewachsene Rittfrau Phelinda von Gernebruch und die untersetzte, fast bullig wirkende Rhela von Föhrenstieg – wirkten da schon eher kampferfahren. Beide Frauen wiesen bereits graue Strähnen im blonden Haar auf, neben einigen Narben, die von vergangenen Schlachten und Gefechten erzählten.
„Ich denke, dass dem Herrn Sohn des Bürgermeisters ein adeliges Geleit gut zu Gesicht stehen würde. Zudem jemand, der ein waches Auge auf die Entscheidungen und die Bündnistreue der Stadtwehr haben wird. Wie ihr ja wisst, sollte auch ein reicher Patrizier ab und zu an seinen Platz in der praiosgefälligen Ordnung erinnert werden.“
Ein dünnes Lächeln unterstrich die leisen Worte der blassen Baronin. Die kalte Witterung schien der zierlichen Edeldame ein wenig zuzusetzen.
„So ihr wünscht, könnte meine Base Rhela ein wenig Ordnung in die Fußtruppen der Stadtwehr bringen. Als ehemalige Korporälin des Bannstrahl-Ordens ist sie es gewohnt, schwere Infanterie zu führen und gegen Berittene zu kämpfen, wenn es sein muss.“
„Dem Herrn Sohn des Bürgermeisters ist ein adeliges Geleit durchaus willkommen. Mögen sich die werten Damen und Herren von der Schlagkraft und Bündnistreue Twergenhausens überzeugen“, erwiderte Throndwig Gliependiek mit einem süffisanten Lächeln.
„Es bedarf uns allerdings keiner Unterstützung an Befehlshabern, vielen Dank, So Ihr Euch und die Euren indes in die Truppen der Stadtwehr einreihen wollt, werde ich Euch nicht im Wege stehen, Euer Hochgeboren.“
Für die meisten Anwesenden überraschend war der tandoscher Baron nicht anwesend. Die Ereignisse im Westen zwangen ihn, die albernische Grenze im Auge zu behalten.
Stellvertretend hatte er seine Tochter Fiona geschickt, die in den Nordmarken bisher kaum in Erscheinung getreten war. Ihre hübsche, zierliche Erscheinung konnte nur von ihrer Mutter stammen und war durchaus geeignet, manch Galan anzulocken. Umso erstaunlicher war es, dass sie weder verheiratet noch versprochen war, auch schien ihr Vater keine Ambitionen zu hegen, seine Tochter politisch zu verheiraten. Fiona wechselte leise ein paar Worte mit dem tandoscher Korgeweihten, dann erklang ihre glockenhelle Stimme.
Tandosch wird mit Euch gen Dohlenhorst ziehen.“
Baron Rajodan von Keyserring auf Eisenstein überblickte finster dreinblickend die Szene. Die Wolken und der kalte Wind ließen auf Sturm schließen. Ja, einen Sturm würde es geben. So war es richtig, befand der Baron. Was würde wohl Bernhelm von Sturmfels sagen, wenn er die Scharr seines Sohnes hier nun sehen könnte. Die Zwölfe mochten wissen, ob er dies womöglich tatsächlich vermochte, Rajodan hoffte es. In einer Nacht-und-Nebelaktion würde der eine Bruder über den anderen herfallen. Das hätte dem Vater sicherlich gefallen. Trotz der Kälte die jede Kleidung durchdrang, empfand er bei diesem Gedanken ein warmes wohliges Gefühl.
Der Schädel des Barons war kahlrasiert, nur der dünne braune Schnurrbart zierte sein Antlitz. Die hervortretenden Wangenknochen machten das Gesicht des Barons kantiger als es bereits war. Missmutig schien er stets, doch wer in kannte, wusste dass er guter Dinge war. Der Baron trug eine Harnischen aus dunklem Stahl ohne große Zier.
An der Seite des Eisenseinter stand sein getreuer Ritter Gorwin von Eisentein-Schleiffenröchte. Die Verhandlungen hatte er seinem Ritter überlassen, doch nachdem der Konflikt in Albernia derart unblutig zu Ende gebracht worden war, bereits ab Efferd wieder Friede herrschte und sich jeglicher Widerstand in Luft aufgelöst zu haben schien, hatte es sich Rajodan nicht nehmen lassen selbst zu erscheinen. Er schätzte eine Gefahr für dieses Unternehmen nicht groß ein.
Seine Spione hatten ihm berichtet, dass mögliche Anhänger und Verbündete Angronds sicher wiegten und keine Anstalten gemacht hatten, Angrond Unterstützung zu schicken. Und wie es nun hieß, war Angrond auf einen Angriff nicht vorbereitet. Nicht Hagen, Frylinde war es, die hier geschickt agiert hatte und ihre Verbündeten reiflich ausgewählt hatte. Rajodan hatte mit Verrat oder zumindest dem Durchsickern des Treffens in Salmingen gerechnet und Konsequenzen erwartet. Derartiges war nicht unwahrscheinlich und bei manch einem hatte er nichts anderes erwartet. Doch nichts dergleichen war geschehen.
Besser so, er gehörte ungern zur Partei, die Opfer eines Verrates wurde. Dennoch hatte er dafür gesorgt, dass Roban von Hax ausreichend Männer und Frauen verblieben war.
Ja, das Gros der Eisensteiner Wehr, vor allem die erfahrenen Streiter waren in der Heimat verblieben. Neben Gorwin war ihm auch kein weiterer Ritter gefolgt. Wichtige Anliegen, eine Krankheit und eine persönliche Fehde um Ruhm und Ehre hatten sie gehindert, so zumindest die Aussage des erbosten Barons über seine Vasallen. Hier setzte Rajodan allerdings auch lieber auf Söldlinge, die es nun aus Albernia zu genüge gab. Einige Bauern, die sich gut in den Wappenröcken der Eisensteiner Wehr machten, verstärkten den Haufen. Niemand würde es erfahren und es hatte den Vorteil, dass seine Nachbarn lediglich von der Abreise des Barons erfahren haben mochte, die Eisensteiner Wehr war abgesehen der persönlichen Wache daheim geblieben. Rajodan wollte niemandem Grund zum Spekulieren geben.
Dem Tandoscher wollte er zudem nicht vertrauen, wenn es darum ging, Eisenstein zu entsetzen. Einer nicht unwahrscheinlichen spontanen Reaktion aus Eisenhuett oder Kyndoch wollte er seine eigenen Lande allerdings nicht preisgeben. Er verfolgte andere Pläne, und wenn sich alles entwickelte, wie sich der Baron erhoffte, würde es zu seinem Gunsten ausfallen.
Das Fernbleiben des Barons von Tandosch machte ihm zunächst jedoch stutzig, ja ein Verdacht möglichen Verrats keimte in ihm. Wohl hatte er seine Tochter gesandt, ein Opfer, dass Irian sicher nicht bringen würde, dennoch erschienen ihm die Erklärungen seiner Abwesenheit eher als Ausflucht und er mochte auf alles gefasst sein. Würde Irian seine Tochter auf Wunsch des Herzogs opfern?
Sicher nicht, aber Isora war nicht mehr, Invher verbannt und Widerstand, wie Kaiserstreue hatten sich hinter Idra vereint.
Noch immer war Albernia nicht gänzlich zur Ruhe kommen, doch Grenzen mussten keine gesichert werden, die stolzen Streiter Albernias waren schon lange auf den Feldern verhungert oder verblutet. Wer noch am Leben war, konnte in Rajodans Augen nur feige und ehrlos sein. Nur noch Räuberbanden und Marodeure suchten das Land heim, und damit sollten die Albernier schon selbst fertig werden.
Sollte sie der Tandoscher und Hagens Absichten jedoch hintergehen, er würde leiden müssen, hatte Rajodan entschieden. Wenn es Growin im Falle eines Verrates nicht gelänge, der Tochter des Tandoscher habhaft zu werden, hatte der Baron dem fähigsten Schützen seiner persönlichen Wache einen entsprechenden Auftrag gegeben. So oder so, der Preis würde gezahlt werden.
Nach einem Moment der Stille ergriff Erlan von Sindelsaum schließlich das Wort.
„Mir scheint, dass Burg Dohlenhorst für uns oberste Priorität hat, da sich dort Angrond aufhält. Daher werde ich mit meinen Leuten gen Dohlenhorst ziehen. Wie versprochen, habe ich einige fähige Geschützmeister angeworben, und diese Leute werden wohl vor Dohlenhorst benötigt. Da das viele Material meinen Anmarsch verlangsamen wird, werde ich mit meinen Leuten der eigentlichen Heermacht hinterher ziehen und dann wohl leider etwas später als das eigentliche Heer an der Burg eintreffen.“
Als sich sämtliche Anwesenden für das eine oder andere Ziel des morgigen Angriffs entschieden hatten, wandte sich Frylinde von Salmingen an die versammelte Runde: „Im Namen des Hauses Salmingen-Sturmfels, auch ich danke Euch allen nochmals für Euer Erscheinen und Eure tatkräftige Unterstützung des wahren Barons von Dohlenfelde. Insbesondere möchte ich dem leider abwesenden Baron zu Tandosch meinen Dank aussprechen – ohne die tandoscher Schiffe wäre dieses Unternehmen wohl nicht mehr vor dem Winter geglückt.“
Frylinde nickte bei diesen Worten Fiona von Tandosch anerkennend zu.
„Und auch Euch, Euer Hochgeboren von Sindelsaum, gilt Unser besonderer Dank, werden sich Eure Geschützmeister vor Burg Dohlenhorst sicherlich als überaus nützlich erweisen – und sei es nur, um Angrond zur schnellen und unblutigen Aufgabe der Burg und seiner falschen Ansprüche zu bewegen.“
Unter den Blicken der Anwesenden bildeten sich rote Flecken auf Fionas Wangen. Sie blickte beschämt zu Boden, zuckte mit den Schultern und versuchte mit einem kleinen Schritt rückwärts aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit zu gelangen.
Erlan nickte Frylinde freundlich zu. Im Stillen dachte er, dass sein Aufgebot dennoch nicht der Rede wert war. Es war lediglich dadurch wertvoll, dass er zwei Rotzen und eben so viele Hornissen mit sich führte. Die Armbruster, die er angeworben hatte, waren aber auch recht fähige Sappeure.
Alles in allem waren es wohl drei dutzend Fußknechte, fünf Ritter und zehn andere Reiter. Nicht schlecht, aber andererseits auch nicht so viele, dass er befürchten musste, die Kontrolle über seine Leute zu verlieren.