Wengenholmer Geister - Ein konspiratives Treffen

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Kaisersteg, Ende Firun 1041


Halmar von Sindelsaum hatte sich schon wenige Tage nach seiner Ankunft auf dem Erlenschloss bereits wieder reisefertig gemacht. Bereits zwei Tage nach seiner Ankunft auf seinem Edlengut Kaisersteg war sein Reisiger Bodar gen Auersbrück aufgebrochen, um eine Nichte zu besuchen, die gerade heiratete, wie Bodar und Halmar dem Gesinde versicherten. Von einer Nicht in Auserbrück hatte bis dahin niemand je etwas gehört, so dass das Hofgesinde sich einig war, dass Bodar sicherlich in geheimer Mission für den Edlen unterwegs war.
Während draußen ein kalter Wind blies, ging Halmar unruhig in der „großen“ Halle seines Edlengutes auf und ab. Bis vor wenigen Jahren war in diesem Raum noch eine Schenke gewesen, aber damit war natürlich Schluss gewesen, als er eingezogen war, dennoch hatte der Raum nie ganz das Wesen einer Dorfwirtschaft abgeschüttelt. Im Kamin knisterte ein fröhliches Feuer und einige große Tafeln standen verlassen herum, während Halmar auf und ab marschierte.
Halmars Verwalter Tarosch betrat mit einem kleinen Stapel Holzscheite den Raum und musterte den jungen Edlen mit einem Kopfschütteln. „Eure Gäste werden schon noch kommen.“, brummelte er und legte einige Holzscheite nach, während er die übrigen neben dem Kamin aufstapelte. Tarosch verstand überhaupt nicht, warum sein Herr sich seiner Rückkehr vom Erlenschloss so aufführte. Ihm war klar, dass etwas im Busch war, aber was, das konnte er noch nicht sagen. Der angebliche Jagdausflug in den Wengenholm, den Halmar plante, hielt Tarosch jedenfalls für eine Ausrede. Wer ging im Firun schon jagen und wer wartete schon auf seine Jagdgäste wie ein gefangener Stier in der Arena? Nein, das alles stank ganz stark nach einem konspirativen Treffen. Die aufgekratzte Stimmung des Edlen griff mit jedem Tag immer mehr auf Tarosch über und so ertappte sich der Ambosszwerg immer wieder dabei, wie er aus dem Fenster des Gutshofs blickte um nach den erwarteten Gästen Ausschau zu halten.

Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, sah er ein Pferd mit einem dick vermummten Reiter den Weg zum Gut einschlagen. Dampf quoll von den Nüstern des Tieres, einer wahrhaft stattlichen Tralloper Riesin, wie ihr Herr mit Decken gegen die Kälte geschützt.
Der Mann hielt kurz vor dem Tor, die Wache sprach mit ihm und führte ihn dann in den Innenhof. Tarosch eilte nach draußen, wo ihn die Kälte wie mit eisigen Krallen ansprang.
„Seid willkommen auf Kaisersteg“, begrüßte er den Fremden, dessen Körperhaltung Wachsamkeit ausdrückte. Das Gesicht konnte Tarosch unter der Kapuze noch nicht sehen – war das am Ende gar keiner der erwarteten Gäste?
„Wen darf ich dem Herrn von Sindelsaum melden?“
Der Mann schlug die Kapuze zurück und blickte sich aufmerksam um, als rechne er tatsächlich mit einem Hinterhalt.
Roban Grobhand von Koschtal“, brummte dieser, ohne den Angroscho anzusehen. „Erklär mir mal einer, warum Halmar so um Bochswies gekämpft hat. Wohnt doch ganz nett hier!“
Tarosch verstand zwar nicht, von was der Mann sprach, aber der Name war ihm als geladener Gast natürlich bekannt. So führte er den merkwürdigen Fremden in die Halle, wo Halmar ihm entgegen eilte, dann aber drei Schritte vor ihm stehen blieb, als wisse er nicht, ob er wirklich einen Verbündeten vor sich hatte. Sekundenlang musterten die beiden sich wie zwei Duellanten. Dann zuckten Robans Mundwinkel verdächtig nach oben.
„Keine Suppe heute?“, fragte er. Halmar brach in schallendes Lachen aus, dann lagen die beiden sich in den Armen.
„Gut, dass Ihr da seid! Ich hoffe, die Reise war keine zu große Unbill!“
„Der übliche Mist im Winter“, winkte Roban ab. „Schnee, Eis, glatte Straßen, unwillige Brückenposten, überfüllte Gasthäuser. Gibt Schlimmeres. Und wenn Ihr bei der Kälte so ein armes Schwein mit einem Brief bis nach Moorbrück schickt, dann muss die Hose gewaltig kneifen. Also, um was geht es?“
Roban warf seinen groben Umhang über einen Stuhl und strich sich einige geschmolzene Schneeflocken vom Bart.
„Ich erwarte noch einige Gäste, die ebenfalls geladen wurden“, erklärte Halmar rasch. „Falls es beliebt, trinken wir was Warmes. Erklärungen gibt es, wenn alle da sind!“
„Auch recht!“, willigte Roban ein und ließ sich auf einen angebotenen Platz fallen. „Heizen wir von innen, bis die anderen eintrudeln!“

Der nächste Gast kam zu Fuß auf den Hof von Gut Kaisersteg. Er führte ein unscheinbares, recht kleines und eher zäh als kräftig wirkendes Pferd am Zügel hinter sich her. Der Mann trug lederne Kleidung, recht schwere gefütterte Stiefel und darüber einen dicken, im Moment vorne geschlossenen Mantel aus sehr dunkelbraunem, fast schon schwarzem Fell. Er war vielleicht etwas größer als 180 Halbfinger und soweit man das unter der dicken Kleidung und Fellmantel erkennen konnte, eher schlank. Er hatte lange schwarze Haare und einen massiven Vollbart, trug allerdings keine Kopfbedeckung. Die allermeisten würden ihn wohl auf Ende 20 schätzen. Hinter ihm lief ein massiver und sehr großer Hund mit langem, sehr dickem, hellbraunem Fell mit schwarzen Flecken.
Das Pferd wurde an einen Knecht übergeben und der Neuankömmling ging zur Tür des Haupthauses.
Halmar war sich inzwischen sicher, dass es sich um Gilborn Bockling von Bilchtrutz handelte. Gilborn war Halmar von Nadyana von Wengenholm angetragen worden. Zum einen, weil der Ritter, der sowohl Sendrich der Sendschaft um die Burg als auch Herr der Burg Bilchtrutz war und diesen Anspruch mit der Heirat mit Azila Vieska Borking von Bilchtrutz, der letzten Überlebenden der vorher auf Bilchtrutz lebenden und herrschenden Familie, untermauert hatte, in Auersbrück als sehr fleißiger Waidmann bekannt war, dementsprechend sowohl über einiges an Fähigkeiten verfügte als auch dem Schein einer Jagdgesellschaft verstärkte. Halmar war aber zusätzlich von Nadyana im Namen ihres Bruder gebeten worden, den Mann genau zu beobachten und anschließend vielleicht kein Urteil, aber eine Meinung über ihn abzugeben. Es verhielt sich wohl so, dass er dem Grafen kaum bekannt war und die Umstände, wie Gilborn als auch vor ihm sein kürzlich beim Haffaxfeldzug gefallener Vater überhaupt zu der Burg Bilchtrutz gekommen waren. Alle stammten nicht aus dem Kosch und waren in den unruhigen Zeiten des Jahres 1033 BF mit nicht kleinem Gefolge an Waffenvolk plötzlich aufgetaucht und hatten Bilchtrutz im Sturm genommen. Beim Feldzug im Wengenholm hatten der Koscher Wehrmeister und die ihm damals unterstehenden Truppen die kleine Flussburg sogar ein paar Tage belagert, bis aufgeklärt werden konnte, dass nicht die Bocklings die Räuberbande waren, die die vorher auf Burg Bilchtrutz lebenden Borkings überfallen und größtenteils umgebracht hatten. Es gab viele Gerüchte, dass die Bocklings die nun auf Bilchtrutz lebten vorher als Fahrende Ritter durch halb Aventurien gezogen waren und fast schon als Söldlinge tätig waren. So sollen sie zum Beispiel aktiv am kompletten horasischem Thronfolgekrieg teilgenommen als auch ein paar Jahre bei der Goldenen Lanze in Garetien gedient haben. Wie auch immer, der Graf von Wengenholm war an einem ausführlichem Bericht über den Bockling interessiert.

Gilborn betrat das Haus und begrüßte die Anwesenden:
"Die Zwölfe zum Gruß, Firun voran!
Mein Name ist Gilborn Bockling von Bilchtrutz und ich denke ,ich werde von euch erwartet, um Teil einer besonderen .... Jagdgesellschaft zu werden....".
Der Mann wurde von dem großen Hund beim Eintreten begleitet und veranlasste den Bockling dazu, noch einen Satz nachzuschieben.
"Ist das in Ordnung oder soll ich Gemma lieber im Stall lassen?"

Es hatte zu schneien begonnen, und es sah ganz danach aus, als würde es nicht nur eine dünne Schneeschicht werden, die sich über den Boden legte. Niam von Grimsau wischte sich den immer wieder kondensierenden Atem aus ihrem Gesicht, und zog den mit Fell gefütterten Mantel enger um die Schultern. Ihrem Pferd, einem klassischer Elenviner, schien die Kälte genauso in die Knochen gefahren zu sein. Immer wieder schüttelte er den Kopf, unwillig, Niam noch allzu weit zu tragen.
„Ist schon gut, du störrisches Weib!“ Niam tätschelte dem Pferd den Hals, um es zu beruhigen. „Nicht mehr lange, dann haben wir Kaisersteg erreicht.“

Der stärker werdende Schneefall verkürzte inzwischen deutlich die Sichtweite, und so stand Niam mit ihrem Pferd schon direkt vor dem Tor des Edlengutes, ohne dass sie jemand bemerkte.

„Heda! Travia zum Gruße! Ist hier jemand, der einer durchgefrorenen Ritterin und ihrem undankbaren Gaul Unterkunft für die Nacht gewährt?“, rief Niam in Richtung des Wohnhauses, aus dem kurz darauf bereits Tarosch heraustrat. Ein Stallbursche kümmerte sich um Niams Pferd, während Tarosch auf Niam zuschritt und sie begrüßte: „Angrosch zum Gruße und seid willkommen auf Kaisersteg. Wen darf ich seiner Wohlgeboren Halmar…“
„Schon gut, schon gut. Niam von Grimsau. Ich wurde hierhergebeten, ohne dass ich den wahren Grund genannt bekam. Was mir ja im Grunde egal sein kann, wenn‘s nur nicht so kalt wäre. Im Sommer würde der Ritt von Moorbrück hierher mehr Spaß machen. Oder vielleicht auch nicht, wenn in dem Loch mal wieder der Boden auftaut, und du keinen Schritt machen kannst, ohne Angst haben zu müssen, auf das Gesicht oder den langen Rücken zu fallen. Und bei Rahja, der ist mir durchs Reiten schon breit genug geworden, dass ich ihn nicht noch auf dem Boden breiter klopfen lassen müsste.“ Tarosch war sprachlos ob des Wortschwalls der Ritterin und ging nur stumm neben ihr her in Richtung des Wohnhauses. „Wie geht es Halmar? Hab ihn schon lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal müsste... Hmm, ich kann es gar nicht mehr sagen. Muss wohl im Dachsbau gewesen sein. Ist schon ziemlich lang her.“ Tarosch hoffte, dass der Redeschwall irgendwann ein Ende fand, verkniff sich aber jede Bemerkung und öffnete die Tür und deutete Niam, einzutreten.

„Hach, hier ist es ja doch tatsächlich schön warm. Ich dachte schon, mir faulen die Zehen ab, bei der Kälte da draußen. Und die Finger auch noch. Bei der Nase wäre es egal, die ist nicht so hübsch. Aber die Finger und Zehen hätt ich schon gerne noch ein bisschen länger.“

Tarosch schloss die Tür hinter sich.

Niam blickte sich um, und musterte die Anwesenden, bis sie Halmar ausgemacht hatte und ging dann in dessen Richtung. „Die Zwölfe zum Gruße, die Herren!“ Sie reichte Halmar die Hand zum Gruß, den dieser freudig und mit festem Druck erwiderte.
„Niam! Schön dich zu sehen. Ich danke dir, dass du den weiten Weg von Grimsaus Ehr auf dich genommen hast.“ „Schon gut. Wie sollte ich denn die Bitte des Sohnes meines Schwertvaters ausschlagen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen?“ Niam blickte sich wieder etwas um. „Sag, willst du mir nicht die Anwesenden vorstellen?“

Halmar stellte jeden einzelnen der Anwesenden vor.

„Roban Grobhand von Koschtal kennst du ja bestimmt, ihr seid ja direkte Nachbarn in Moorbrück. Mich wundert, dass ihr nicht gemeinsam hierher geritten seid. Zum einen wäre das sicherer und zum anderen deutlich unterhaltsamer, als die ganze Zeit allein zu reisen.“
„Ha! Das ist also der berüchtigte Roban Grobhand! Mein Cousin Rainfried hat mir einiges über euch erzählt, aber getroffen haben wir uns bisher noch nicht. Schon lustig, dass es dann soweit weg von zu Hause ist, dass man sich über den Weg läuft! Stimmt es eigentlich, dass ihr den halben Sumpf weggesprengt habt? Hätte von mir aus auch der Ganze sein können. Das Loch ist so feucht, da fault einem die ganze Stimmung weg. Und nicht nur die!“
Roban zog eine Augenbraue nach oben und blickte Halmar an, der nur etwas verschämt lächelte, kannte er doch Niams nie still stehendes Mundwerk zu gut.
„Sag Niam, darf ich dir etwas zu trinken anbieten?“, fragte Halmar die Ritterin.
„Oh ja! Wo du so fragst, hast du vielleicht etwas Stärkeres zur Hand? Ich bin doch schon eine ganze Weile unterwegs und etwas zum Wärmen von Innen wäre jetzt doch ganz recht! Ich nehm aber auch gewärmten Wein. Hauptsache, die Zunge schmeckt wieder etwas anderes als Schnee und Spucke!“ Niam nahm den angebotenen Tonbecher entgegen und gönnte sich einen tiefen Schluck. „Schon besser! Und jetzt erzähl! Worum geht es?“ „Übe dich noch etwas in Geduld, Niam. Es sind noch weitere Gäste angekündigt, und ich möchte mich nicht mehrfach wiederholen.“ Halmar zeigte in die Runde. „Unterhalte dich doch lieber solange mit meinen Gästen.“ Die hinter Niams Rücken verdrehten Augen der Anwesenden sowie das leise Stöhnen überging Halmar innerlich feixend. Wusste er doch, dass auf Niam trotz ihrer Redseligkeit Verlass war, wenn es darauf ankam.

Laut fluchend kündigte sich ein weiterer Gast an, der anscheinend gerade auf dem Gut angekommen war. Als man aus dem Fenster sah, konnte man Zeuge einer doch recht amüsanten Szene werden. Ein breit gebauter und schwer gerüsteter Zwerg in einem moosgrünen Wappenrock unter dem dicken Fellmantel versuchte hartnäckig und zunehmend verzweifelter, sein scheinbar recht bockiges Pony dazu zu bewegen, in die Stallungen zu gehen. Erst nach geraumer Zeit, als er dem Tier einen kräftigen Klapps auf den Allerwertesten gab, tat es das verlangte, nicht jedoch, ohne kräftig auszukeilen und dabei den Angroschim nur um Haaresbreite zu verfehlen.
Gerede folgte. Zunächst war die helle Stimme eines Stallburschen zu vernehmen, dann der tiefe, fast schon grollende Bass des Zwergen, welcher nur kurz darauf mit immer noch finsterer Miene durch den Schnee zur Tür stapfte, um das Haus zu betreten. Über der Schulter trug er einen großen Rucksack mit achteckigem, beschlagenem Schild und einem Bolzenköcher daran.
Herein trat ein Angroschim im besten Alter, mit wildem, rotbraunem haar, welches nur im Falle seines Bartes zu drei langen, dicken Zöpfen gebändigt war. Das auffälligste an ihm war aber das Fehlen eines Auges. Anstelle dessen lag eine auf hochglanz pollierte, silbrig glänzende Kugel in der Höhle. Der andere, existierende Augapfel hatte einen goldenen Glanz, wie es ihn nur bei Zwergen gab.
Der Wappenrock trug bei näherer Betrachtung ein weißes Achteck mit darüber gekreuzten, schwarzen Spitzhacken als Wappen über der Brust.
An einem fünf Finger breitem Ledergürtel mit kunstvoller Schließe aus einer dicker, grünlich angelaufener Kupferscheibe in Form eines stilisierten Eberkopfes hingen die Scheide eines Drachenzahnes sowie kleinere Taschen. In einem massiven Eisenring hing ein Kriegshammer.
“Angrosch zum Gruße, hohe Herrschaften. Ich bin Tharnax, der Sohn des Thogrimm und auf Bitten unseres Canzlers hier”, gab er eine kurze Erklärung zu seiner Person ab, nahm seinen Packen vom Rücken und sah erwartungsvoll in die Runde.
Tharnax war ein Kriegsveteran und darüber hinaus hoch dekorierter ehemaliger Hauptmann der Angbarer Sappeure. Er hatte in der Ogerschlacht, den vergangenen Orkenstürmen und beim Bruch der Belagerung Greifenfurts das Fürstentum ehrenvoll vertreten. Wegen dieser Verdienste war er nach Beendigung seiner Zeit als Soldat vom Rogmarog von Dumron Okosch zum Bergvogt der Wacht Ârxozim ernannt worden. Diese lag im und am Berg Götterfirst, einer der höchsten Erhebungen des Koschmassives, auf dem Gebiet der Baronie Bärenfang.
Nirwulf, der Sohn des Negromon schätzte Tharnax jedoch nicht nur wegen seinen militärischen Verdienste, sondern auch wegen dem ihm eigenen Scharfsinn und seiner Verschwiegenheit. Und so hatte der Canzler des Kosch seinen langjährigen Freund gebeten, sich an der Suche nach den Verschwundenen zu beteiligen, als dieser gerade wegen Verhandlungen zu ausstehenden Toschkril- Lieferungen der Mienen Ârxozims auf dem Erlenschloss weilte.
Doch dies konnten die anwesenden natürlich nicht wissen. Die wenigsten von ihnen kannten den Zwergen.

Der dick eingepackte Reiter murmelte leise Verwünschungen vor sich hin, während er gegen den kalten Wind ankämpfend die verschneite Straße entlangritt. Sowohl unter der dichten Kapuze als auch von den Nüstern des in ein wärmendes Roßwams gehüllten Pferdes stiegen Atemwolken in die klirrend kalte Luft hervor. Unter dem dicken Reiterumhang mit der fellbesetzten Kapuze war die Person kaum zu erkennen, die sich hier im tiefsten Winter vorkämpfte in Richtung Oberangbar.
Jaja, eine gute Gelegenheit, sich zu behaupten… wohl eher eine gute Gelegenheit, um sich den A… llerwertesten abzufrieren dachte er gerade bei sich, als er den Marktflecken erreichte. Sein Ziel, das Edlengut Kaisersteg, lag inmitten des Ortes und er trieb sein Pferd zur Eile an. Auf ein warmes Getränk und eine ebensolche Mahlzeit hoffte er nach dem Ritt, denn seit seinem Aufbruch heute morgen in Steinbrücken hatte er nichts mehr gegessen und hatte auf den letzten Wegesmeilen schon befürchtet, dass ein großer Troll hinter ihm her sei, dabei war es wohl doch nur sein Magen, der sich laut knurrend bemerkbar machte. Zu seinem Glück hatte er nun endlich das Gut inmitten der Stadt erreicht und saß ab. Während er in einer der Satteltaschen nach ein paar Papieren suchte, rief er einen Stallburschen herbei, der nur wenig jünger war als er selbst: „Bring meine Sachen herein und dann den Braunen gut unter und sorge dafür, dass er gut versorgt wird. Die Reise war lang und ich möchte nicht zu Fuß gehen müssen in den nächsten Tagen. Hast du mich verstanden?“ Das Nicken des Stallburschen, der sich sofort eilig um das Pferd kümmerte, quittierte er mit einem Lächeln, sobald sich der Stallbursche abgewandt hatte. Es war noch gar nicht so lange her, als er selbst dafür zuständig war, das Pferd seines Schwertvaters zu versorgen – und fürwahr, Nachtschweif hatte ihm dabei einige Stüber verpasst. Seit dem Fürstenturnier zu Angbar nun war er selbst Ritter, hatte seinen Ritterschlag vor dem großen Turnierpublikum aus der Hand seines Schwertvaters erhalten – und war tatsächlich sehr gerührt gewesen an diesem Tag.
Dieser Ritt, diese Aufgabe war seine erste größere Unternehmung, die er für seinen alten und neuen Herrn Baduar Ibram von Eichstein durchführte. Als der Bote vor einigen Tagen das Schloss in Rohalssteg erreichte, stand der Entschluss ziemlich schnell fest, dass Aedin diese Aufgabe übernehmen würde. Und nun war er – nach einem kurzen Zwischenhalt in der Thalessia in Angbar und ein weiterer beim Praiostempel zu Angbar – hier in Oberangbar und war gespannt, wer sich noch alles einfinden würde und was der Edle ihnen wohl an weiteren Details berichten konnte. In dem Schreiben war nur von einer Winterreise – einer möglichen Jagd – die Rede, verbunden mit dem Hinweis, eher unauffälliges und jagdtaugliches Gepäck zu führen, das auch einem Ausflug in die Wildnis standhalten würde.
Einen Augenblick hielt er inne, als er nun am Ziel seiner Reise im Innenhof des Edlengutes stand. Soeben setzte wieder Schneefall ein und sorgte im Zusammenspiel mit dem ohnehin schon kalten Wind für ein dichtes Schneetreiben. Kurz schüttelte Aedin sich, dann sah er zu, dass er ins warme kam.
„Den Zwölfen zum Gruße“, wandte er sich an die Anwesenden im Inneren. „Aedin von Eschenquell mein Name, Ritter in den Diensten des Barons zu Rohalssteg.“ Kurz musterte er die anderen Anwesenden und ging im Kopf durch, wen er kannte. Den Grobhänder hatte er 1038 kennengelernt, als er gemeinsam mit seinem Schwertvater in den Erbstreit des Hauses Utztrutz verwickelt war und schon ein Jahr später hatte er ihn auf dem Heerzug wiedergetroffen. Den Edlen jedoch, auf dessen Gut er hier zu Gast war, kannte er bisher noch nicht, vermutete aber, dass es wohl einer der beiden Menschen sein müsse, die er beide noch nicht kannte, ebensowenig den Zwerg, an dem ihm sofort der merkwürdige Augapfel auffiel, den er – ohne es zu wollen – immer wieder anschauen musste. Dann fiel ihm auf, dass sein schneebedeckter Umhang langsam damit begann, den Boden vollzutropfen und er schaute sich um. „Ihr gestattet, dass ich die nassen Sachen ablege?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er zuerst die Fausthandschuhe aus und schälte sich dann aus dem dicken Umhang, den er über einen der Stühle nahe an der Tür drappierte. Darunter kam ein drahtiger junger Mann hervor, von etwas schlaksiger Statur. Unter der Bunthaube, die er unter der Mantelkapuze trug, lugte rotblondes Haar hervor, dass sich ebenso in seinem Gesicht in Form eines gut gestutzten Vollbartes zeigte. Gekleidet war er in zum Wetter passende Reisekleidung, der Dicke nach könnte es sich bei dem Oberteil um einen Eisenmantel handeln. Die Farben waren die der Baronie Rohalssteg – Eisenmantel, Hose und Hemd in dunklem Blau, dazu soweit sichtbar weiße Unterkleidung und gut gefettete hohe dunkelbraune Stiefel. Am Gewandgürtel aus schwarzem Leder hingen eine große und eine kleine Gürteltasche, außerdem eine Geldkatze, ein Paar Lederhandschuhe und eine etwas größere und breitere Dolchscheide, aus der ein fein gearbeiteter Griff in dunklem Holz und einer silbernen Griffkappe hervorschaute. Außerdem trug der junge Mann einen zusätzlichen drei Finger breiten schwarzen Gürtel mit silberner Schließe und einem Riemenendstück, dass das Wappen des Hauses Eichstein zeigte. Hieran befand sich eine Schwert- und eine Dolchscheide, ebenfalls war ein Buckler eingehängt.
Nachdem er sich seines Umhangs entledigt hatte, wandte er sich mittlerweile lächelnd wieder zu den anderen Anwesenden und drehte dabei gedankenverloren die Papiere zusammen, die er nach dem Ablegen des Mantels wieder an sich genommen hatte. „Das ist wirklich ein wahres Firunswetter da draußen, da friert einem ja alles ein. Gibt es hier vielleicht etwas Warmes zu trinken für einen ausgekühlten Reisenden?“

Der Zwerg indes hatte sich an einen der massigen Holztische gegenüber eines hellen Fensters gesetzt. Er holte gelassen einige Dinge aus seinem Rucksack hervor und bereitete sie nacheinander vor sich auf der Holzplatte aus. Mit einer beinernen, kunstvoll geschnitzten Pfeife im Mundwinkel, welche er sich zwischenzeitlich hingebungsvoll gestopft und angezündet hatte, entrollte er zunächst eine zuvor zugeschnürte, lederne Mappe, in der in diversen Schlaufen und kleinen Täschchen eine Vielzahl von geölten Feinmechaniker-Werkzeugen zum Vorschein kam. Danach packte Tharnax Bestandteile einer unzweifelhaft modernen Armbrust mit Spann- und Windenvorrichtung, welche während der Reise zusätzlich in Wachstüchern eingeschlagen gewesen waren, aus, und begann sie in aller Seelenruhe zusammenzubauen und zu verschrauben.

Keiner hatte Einspruch gegen die Anwesenheit seines Hundes erhoben weshalb Gilborn ihn nicht in den Stall brachte. Das große Tier schüttelte sich noch an der Tür erst einmal das Fell aus und besah sich dann neugierig die Anwesenden. Sein Herrchen zog derweil den schweren Fellmantel aus und man konnte sehen das er darunter einen grob knielangen ledernen Gambeson nach Brigantina Art. Darunter dann eine Hirschlederhose und Fellgefütterte Lederstiefel. Er öffnete den Waffengürtel und hängt beides, also Fellmantel und Gürtel auf. Anschließend ging er, mit Gemma im Schlepptau, zu der Tafel die am weitesten von dem Kaminfeuer entfernt war. Der Hund ließ sich seufzend auf den Boden fallen und legte seinen Kopf sogleich zwischen die Pfoten auf den Boden. Gilborn setzte sich und kramte einen Beutel mit Pfeife, Tabakbeutel und Werkzeug hervor. Ruhig fing er an die Pfeife zu säubern.
Die Ruhe die kurzfristig geherrscht hatte wurde unterbrochen als Niam von Grimsau eintrat und die nächsten Minuten den Raum mit ihren Worten ausfüllte. Gilborn grüßte noch mit einem freundlichen "Firun zum Gruß", zurück hielt sich dann aber lieber geschlossen um nicht auch Opfer einer Wortflut zu werden. Auch Gemma hob erst freudig den Kopf bei dem Neuankömmling senkte diesen aber ebenso schnell wieder.
Als nächstes folgte ein Angroscho der sich vorstellte. Gilborn grüßte ihn freundlich zurück und stellte sich seinerseits vor.
Das gleiche Tat er beim kurz danach eintreffenden Aedin von Eschenquell.
Allen stellte er sich als
"Ritter Gilborn Bockling von Bilchtrutz" vor.

Er nahm seine Arbeit an der Pfeife wieder auf als der Zwerg sich an seine Armbrust machte. Offenbar waren sie noch nicht vollzählig.

Als letztes traf ein Mensch in Begleitung eines Zwerges ein. „Den Zwölfen zum Gruße! Ritter Boromil vom Kargen Land mein Name… und dies ist Ingramosch Grambart, mein abenteuerlustiger Gefährte.“ Der Hausherr begrüßte die Neuankömmlinge, nicht ohne seiner Verwunderung darüber Ausdruck zu verleihen, dass der Ritter den jungen Angroscho mitgenommen hatte. Dieser antwortete geradeheraus: „Wie ich ganz offen und ehrlich sagte: Ingramosch steht der Sinn nach Abenteuer. Was wäre eine bessere Gelegenheit, ihm die wahre Bedeutung des Wortes zu vermitteln, als eine Reise mitten im Winter in klirrender Kälte? So musste ich wenigstens niemand anderem zumuten, bei diesem Wetter durch den halben Kosch zu ziehen!“ Ingramosch hatte sich sofort nützlich gemacht und ein Getränk für sich und den Ritter besorgt. Nachdem sich die beiden zugeprostet hatten, fuhr Boromil ungerührt fort. „Ja, das ist schon ein fähiger Bursche. Geschickte Finger und läßt sich nicht so leicht nervös machen. Das können wir sicher gut gebrauchen für diesen Auftrag, worum es auch gehen mag. Dass das hier keine echte Einladung zur Jagd war, war mir schon vorher klar. Die Saison für vierarmige Oger ist jedenfalls vorbei.“ Als er aus dem Hintergrund ein deftiges Lachen hörte, prostete er seinen anwesenden Nachbarn zu. „Die halbe Moorbrücker Neusiedlung hier versammelt… na, das kann ja etwas geben!“

Tharnax indes musterte die hinzukommenden Gäste mit stetig wachsendem Interesse, während er die Metallteile der Fernkampfwaffe vor sich polierte und noch an einigen Stellschräubchen justierte. Bei dem Zwergen erhob er sogar seinen Krug Bier zum Gruße und nickte ihm erfreut zu. Fürwahr, eine illustre Runde war da zusammengekommen.

Versonnen betrachtete Halmar seine zahlreichen Gäste. So voll war es auf Kaisersteg schon lange nicht mehr gewesen. Sechs Ritter und zwei Zwerge hatten sich, ihn eingeschlossen, hier versammelt. Insgesamt waren sie also acht an der Zahl, eine ingerimmgefällige Zahl, die freilich eher Zufall gewesen war. Während Tarosch und eine Magd warme Getränke und Speisen reichten, wurde es zunehmend stiller in der „großen Halle“ Kaiserstegs. Die Gäste waren von ihrer langen Reise offensichtlich hungrig geworden und vertieften sich in ihre Schüsseln und Krüge. Schließlich, nachdem der schlimmste Hunger und Durst gestillt waren und wohlige Wärme in den Knochen und Mägen der Anwesenden Einzug gehalten hatte, ergriff Halmar das Wort.
„Ich muss euch allen noch einmal für das schnelle und zahlreiche Erscheinen danken. Ihr werdet euch jedoch sicher alle wundern, was denn genau hinter meinem Hilfeersuchen stecken mag.“ Zahlreiches Nicken verriet, dass seine Gäste allesamt neugierig waren, was sie hierher geführt hatte. „Es ist ein Auftrag von höchster Heikelkeit, der uns vom Fürsten selbst erteilt wurde. Ihr alle wurdet mir von Seiner Durchlaucht oder aus seinem Umkreis empfohlen, um diese Situation diskret zu lösen.“ Kurz ließ Halmar seine Worte wirken, dann fuhr er fort. „Ich will nicht länger um den heißen Brei herumreden. Ihr habt sicher alle schon einmal vom Vetter des Fürsten, Harrad von Eberstamm-Weidenhag, gehört.“ Kurz warf Halmar Tharnax einen Blick zu, war er sich doch unsicher, ob Harrad dem Zwergen bekannt war, aber der nickte wissend. „Harrad trieb sich jedenfalls eine ganze Weile lang im Osten herum und wurde dort sogar festgenommen, weil er im Verdacht stand, mit dem falschen Herzog Arngrimm unter einer Decke zu stecken. Zur Läuterung und um absolut sicher zu gehen, dass die Anschuldigungen wirklich haltlos waren, wurde er jedoch in ein Praioskloster nach Greifenfurt gesteckt. Von dort hörte man jedoch nur Gutes über ihn und so schickte der Fürst seinen loyalen Ritter Viburn von Rohenforsten, um seinen Vetter abzuholen und auf das Erlenschloss zu bringen, damit er ihn selbst in Augenschein nehmen konnte. Auf dem Rückweg aus Greifenfurt verschwand die Reisegruppe aber, nachdem sie Auersbrück passiert hatte.
Ob sie Wegelagerern in die Hände gefallen sind oder ob nur ein Unglück geschehen ist, weiß niemand zu sagen.
Nun möchte der Fürst keine großen Suchtrupps ausschicken, denn es soll kein Aufsehen erregt werden. Unsere Aufgabe ist es also, herauszufinden, ob die Gruppe in Schwierigkeiten geraten ist oder ob Harrad alle getäuscht hat und mit ehemaligen Schergen der Finsterzwerge unter einer Decke steckt. Vogt Feron von Nadoret vermeldet jedenfalls, dass seine Patrouillen wieder vermehrt auf lichtscheues Gesindel stoßen und das, obwohl der Oger Goro ja erst kürzlich sein Ende fand.
Wir werden also nach Auersbrück aufbrechen und dort unsere Nachforschungen anstellen. Ich habe bereits meinen Waffenknecht Bodar vorgeschickt, damit dieser sich bereits etwas umhören kann. Sollte Harrad nur in Schwierigkeiten geraten sein, werden wir ihm helfen, falls er jedoch alle getäuscht hat, werden wir sehen müssen, ob wir alleine etwas ausrichten können. Sonst werden wir wohl von der Stolzenburg Hilfe holen müssen.“

Boromil seufzte. „Gut, nun weiß ich, warum ich eingeladen wurde. Für die anderen Anwesenden: Ich war seinerzeit einer derjenigen, die Harrad hinter feindlichen Linien aufgespürt und festgesetzt haben. Leicht ist es mir nicht gefallen, einen vom Eberstamm wie einen gewöhnlichen Verbrecher der Obrigkeit zu übergeben… jedoch, die praiosgefällige Ordnung muss für jeden gelten, und so habe ich zusammen mit den anderen Beauftragten meine traurige Pflicht erfüllt. Ja, Ingramosch, so ist das, wenn ein Kind aus gutem Hause seiner Familie durch seinen Lebenswandel Kummer bereitet!“ Ingramosch hatte tatsächlich den Worten des Ritters gelauscht und fragte nun: „Was ist Harrad denn passiert?“ Boromil versuchte sich kurz zu fassen und scheiterte dabei. „Harrad ist das erste Kind von Thalia von Eberstamm-Weidenhag, der älteren, ja, älteren Schwester unseres seligen Fürsten Blasius. Weil Thalia damals noch unverheiratet war und sich weigerte, den Namen des Vaters preiszugeben, wurde sie von der Thronfolge ausgeschlossen und Harrad als Kind einer nicht standesgemäßen Verbindung angesehen. Er galt immer als ein Getriebener, den die fehlende Gewissheit über seine eigene Herkunft unstetig machte. Vor zwanzig Götterläufen musste er dann seine eigene Schwester von ihren Qualen erlösen, nachdem sie in der Dämonenschlacht grässlich verstümmelt worden war. Das muss etwas in ihm zerbrochen haben. Er gab sich dem Alkohol hin und verlor schließlich seine Stelle als Reichs-Medicinal-Rat. Die Suche nach Hinweisen auf die Identität seines Vaters trieb ihn jedoch weiter an. Das führte ihn auch gen Osten. Er hatte Gerüchte vernommen, sein Vater sei ein Hochadeliger gewesen und dass es schriftliche Zeugnisse darüber gebe… es war ihm wohl nicht bewusst, dass er in diesem Fall plötzlich Ansprüche auf den Fürstenthron anmelden könnte, unehelich oder nicht. Über die Frage nach der Rechtmäßigkeit hätte er den ganzen Kosch entzweien können! Den Zwölfen sei Dank erwiesen sich die Dokumente sämtlich als Fälschungen. Da hatte sich jemand gut ausgerechnet, dass mit Harrad Unruhe zu stiften war. Mir tat er damals sehr leid, denn er hatte seine Reise aus guter Absicht angetreten und war verzweifelt danach, seinen Namen reinzuwaschen.“ „Dann glaubst Du also nicht, dass sein Verschwinden aus eigenem Antrieb geschah.“ „Richtig, Harrad traue ich so einen Schurkenstreich nicht zu. Er müsste so viele Leute so lange getäuscht haben. Und die Maske noch in einem Praioskloster aufrechtzuerhalten? Nein! Aber seine Verzweiflung macht ihn anfällig dafür, als Werkzeug für Intrigen zu dienen, bei denen andere ihn als Faustpfand verwenden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass jemand ihn abgefangen und als wertvolle Geisel einsetzen möchte. Es besteht kein Zweifel darin, dass das Haus Eberstamm einen der seinen nicht im Stich lassen wird. Und hier im nördlichen Kosch ist so eine Enführung gut zu bewerkstelligen – ganz besonders um diese Jahreszeit. Wenn ich mir überlege, wie ich vor einem Monat durch den Borrewald gezogen bin, als ich mit Graf Growin und den anderen Goro aufgespürt und erledigt habe…“

Wengenholm im Winter!” Roban grinste in die Runde. “Klingt unterhaltsam. Besser als in Moorbrück zu vergammeln. Außerdem sind wir auf Bitten des Fürsten hier. Bin also auf jeden Fall dabei, hätte aber noch ein paar Fragen: Wie viele Leute umfasste die Gruppe außer Harrad und dem Ritter von Rohenforsten? Waren sie beritten oder zu Fuß, und sind die Wege im Wengenholm im Moment für Pferde überhaupt passierbar? Falls nicht, wo lassen wir die Tiere, sobald die Wege für sie nicht mehr gangbar sind?”
Halmar nickte kurz in Robans Richtung. Ein wahrer Ritter dachte erst an sein Pferd, dann an sich selbst. Kein Wort davon, ob und wo sie selbst Obdach finden konnten. Aber vermutlich würde der Koschtaler sich ohnehin einfach irgendwo in den Schnee wühlen oder in eine Baumkrone setzen, wenn er müde wurde. Es gab so ziemlich nichts, was Halmar dem Kerl nicht zutraute.

Tharnax nahm noch einen kräftigen Schluck Bier und säuberte gründlich seine Pfeife. Als sich wieder würzig riechende Schwaden um den Zwergen ausbreiteten, lehnte sich der Bergvogt zurück und faltete die Hände scheinbar zufrieden auf seinem Bauch.
Er achtete darauf, wer der Anwesenden welche Fragen stellte und in welcher Reihenfolge das Wort ergriffen wurde. Seine eigenen Fragen würde er sich für später aufheben, wenn sie dann nicht bereits beantwortet waren. Bis dahin fixierte er die jeweiligen Redner mit seinem gesunden und dem Kril- Auge.
Halmar nickte Roban zu. „Eine gute Frage. Die Wege nach Auersbrück sind gangbar, auch zu Pferde. Jedenfalls sind vorgestern zwei Händler aus Auersbrück in Oberangbar durchgekommen. Wie es abseits der Hauptpfade aussieht, kann ich aber auch kaum einschätzen. Je nachdem müssen wir wohl unsere Pferde in Auersbrück zurücklassen.“ Halmar hielt kurz inne. „Bezüglich der Größe der Gruppe handelte es sich abgesehen von Viburn und Harrad nur noch um vier Diener und Waffenknechte des Rohenforsters. Im Falle eines Angriffes also keine große Truppe.“

Gilborn hatte die Essenseinladung natürlich angenommen und ebenfalls kräftig zugelangt. Beim Essen selber war wenig gesprochen worden...ja genaugenommen gar nichts. Gemma hatte sich wie üblich aufgerichtet als das Essen reingebracht worden war. Sie kam nicht zum Tisch und bettelte aber jeder Bissen wurde verfolgt wie er vom Teller den Weg in Gilborns Mund fand. Ganz zum Schluss warf Gilborn dem großen Hund ein Stück Käse hin und schloss seinen Magen mit einem weiteren.
Als auch der letzte Anwesende fertig war ergriff der Hausherr das Wort und lüftete das Geheimnis der Einladung. Gilborn war ein wenig verblüfft Teil dieser Gesellschaft zu sein. Er grübelte darüber nach wer ihn wohl empfohlen hatte. Mit der Jagd kannte er sich sehr gut aus und die vielen Jahre als Fahrender Ritter und besonders der horasische Thronfolgekrieg hatten aus ihm einen sehr ordentlichen Kämpfer gemacht. Diesen Harrad vom Eberstamm kannte er nur von einer einzigen Erwähnung, eben das Verbringen durch Standeskollegen in das Praioskloster. Auch was Viburn von Rohenforsten anging...mehr als die Tatsache das er existierte wusste er von ihm nicht. Der erste Redner nach dem Gastgeber der sich als Boromil vom Kargen Land vorgestellt hatte brachte dankenswerter Weise einiges an Informationen rüber die das Bild für Gilborn runder machten. Trotzdem schwieg er erst einmal und wartete ab was noch an Fragen kam und Antworten gegeben wurden.

Der Bergvogt von Árxozim räusperte sich, als scheinbar niemand anderer mehr das Wort ergreifen wollte und wartete geduldig bis er die Ohren der Anwesenden hatte.
“Ich war den großen Teil meines Lebens einfacher Soldat und verstehe nicht viel vom Ränken, Fehden und Intrigenspiel. Ich bin ein Freund klarer Worte und weiß gerne womit ich es zu tun habe beziehungsweise kenne gerne die äußeren Faktoren.“
Tharnax ließ seinen Blick einmal durch die Runde schweifen und zog nochmal genüsslich an der Pfeife.
„Da schon angedeutet wurde, dass wir es möglicherweise mit einer Entführung zu tun haben, stelle ich mir die Frage wer aus dem Verschwinden politischen Gewinn ziehen könnte? Ich weiß das es Mutmaßungen wären, aber ich denke auch das genannte Namen, die hier fallen, sicher in dieser Runde bleiben würden.”

Niam war die ganze Zeit seit dem Essen seltsam schweigsam, was wohl daran lag, dass sie außer Halmar niemanden besser kannte. Boromil vom Kargen Land und Roban Grobhand von Koschtal waren zwar ihre Nachbarn in Moorbrück, aber noch hatte sie das Lehen nicht so lange, dass sie zu einem Antrittsbesuch Zeit gefunden hätte.
Sie musterte die Anwesenden anfangs mit einer gehörigen Portion Neugier, doch lauschte sie ihren Worten nach der Erzählung Boromils nur noch halbherzig. Ein Eberstamm, der anscheinend vom rechten Weg abgekommen war, und zurück in den Kosch gebracht werden sollte. Und seltsamerweise dabei verschwand. Erst die Worte von Tharnax ließen sie wieder aufhorchen. Auch Niam war der Meinung, dass hier Ränkespiele des Hochadels im Gange waren. So ganz wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie, anstatt eine Jagdgesellschaft zu sein, bald selber das Jagdwild sein würden. Und das hinterließ bei ihr einen sehr bitteren Beigeschmack.
Halmar nickte Tharnax zu. „Da können wir wirklich nur spekulieren. Es mögen einfache Wegelagerer gewesen sein, oder Schergen der Finsterzwerge, die im Wengenholm ja immer mal wieder ihr Unwesen treiben. Charissia von Salmingen ist natürlich immer daran interessiert dem Fürstenhaus zu schaden. Letztlich werden wir es aber erst vor Ort erfahren. Interessant ist jedoch, dass Blasius nur durch den Verzicht seiner Schwester Thalia den Eberthron besteigen konnte. Sie musste damals wegen einer unstandesgemäßen Hochzeit auf den Fürstentitel verzichten. Aus eben jener Ehe entspringt Harrad. Es mag also durchaus sein, dass hier jemand sehr hoch pokert und dies ein Versuch sein könnte Anshold abzusetzen und durch Harrad zu ersetzen, allerdings ist das nun wirklich sehr spekulativ. Es ist selbstverständlich genauso möglich, dass die Gruppe im Schneetreiben vom Weg abkam und dann in irgendwelche andere Schwierigkeiten geriet.

Den Rest des Abends klang schließlich in einem geselligen Beisammensein aus und da es an Gästezimmern mangelte und in der „großen“ Halle auch am wärmsten war bereiteten Tarosch und das übrige Gesinde ihren Gästen eben dort ihre Nachtlager.