Roterzer Herzklopfen - Es wird ernst

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Kriegsrat in Sindelsaum, Dachsbau (Mitte Efferd 1041)

Erlan von Sindelsaum raufte sich die Haare. Es war erschreckend wie schnell ihm die Sache zu entgleiten schien. Erst der Diebstahl, dann der Brief der Grobhands und nun waren auch seine Abgesandten mit leeren Händen zurückgekehrt. Baronin Derya von Uztrutz hatte sich ohne die Orginalurkunde außer Standes gesehen eine Entscheidung zu treffen, immerhin behaupteten hier zwei Barone Eigentümer des gleichen Gutes zu sein, auch der Grafenhof hatte sich für nicht zuständig erklärt, somit blieb nur noch eine Fehde. Erlan stritt sich nicht gerne, aber der Überfall auf sein Haus, die Brandstiftung der Villa Espensee, der Diebstahl seine Wagen und Zugochsen, sowie der Mord an seinem Waffenknecht zwangen ihn zum handeln.
“Was schlägst du vor Barthalm?” fragte Erlan seinen Bannerträger
“Wir müssen Stärke und Umsicht beweisen, ansonsten nimmt uns niemand mehr ernst. Schon die Sindelfehde lief nicht gerade nach unserem Willen, hier aber können wir unsere Macht unter Beweis stellen. Eure Besitzungen sind weit verzweigt, wenn wir angreifbar erscheinen mag dies andere Adelshäuser auf den Plan rufen, gerade in den unsicheren Zeiten in denen wir derzeit leben.”
“Ich habe Halmar bereits losgeschickt um die Munteren Breitäxte anzuwerben, sie sind bereits auf dem Marsch, er schätzt aber, dass sie für die gesamte Strecke 18 Tage brauchen, denn immerhin kommen sie von Auersbrück herab. Auf halber Strecke können sich ihnen unsere Leute anschließen und dann gemeinsam gegen Bochswies vorrücken.”
Barthalm nickte bedächtig. “Wie viele der Breitäxte kommen denn?”
“Dreißig!”
“Und wie viele der unseren sollen wir schicken?”
“Noch einmal fünfzehn Waffenknechte, der Rest bliebt hier und hält die Augen offen. Ich will nicht schon wieder irgendwelche Überraschungen erfahren.
“Was ist mit den Barabeinern?”
“Lass sie zu den Waffen rufen, aber auch sie sollen sich nur bereithalten. Dieser Roban hat lange Jahre in Tobrien gekämpft. Würde mich wundern, wenn der still hält und darauf wartet, dass wir den Hof überrennen.
Barthalm nickte zustimmend. Mit den eigenen Leuten und Söldnern würden fünfzig Kämpfer in Bochswies zu Verfügung stehen.
Erlan wollte sich fast schon abwenden, als er sich doch noch einmal umwendete “Ach und schickt den Onager ebenfalls mit und lass Baltram von Eichental rufen. Der hat einen ruhigen Kopf. Vielleicht reicht das Drohpotential ja um Roban und seine Bande zum aufgeben zu bewegen.

Zur gleichen Zeit am Gasthof zur Praiosblume
Binsbart war in der Abwesenheit eines Herrn nicht untätig gewesen, er hatte das Boot nach Ferdok genommen und im Hafen dort vier Söldner aufgetrieben, mit diesen war er dann zur “Praiosblume”, ihrem Gasthaus zurückgekehrt, doch er hatte sich nicht lange ausgeruht und hatte sich selbst zur Stadt Uztrutz aufgemacht und dort zwei weitere Söldner angeworben, gemeinsam mit den beiden Mietlingen war er nun auf dem Rückweg zu ihrem Stützpunkt. Ein kalter Wind pfiff über die abgeernteten Felder und ließ Binsbart frösteln. Die sich verfärbenden Blätter hatten es schon angekündigt, aber es war nun unverkennbar, bald würde der Winter beginnen. Wo war er hier nur hineingeraten? Er war Oberknecht und auf dem Feld daheim, doch anstatt den Hof Bochswies für das Frühjahr bereit zu machen zog er nun durch die Gegend und warb Söldner an.

Derweil, auf dem Roterzpass
Baron Grimwulf ließ die Truppen, die er in aller Eile zusammen gerufen hatte, an sich vorbei defilieren. Wobei, defilieren war wohl etwas hochgestochen. Das Häufchen von kaum zwei Dutzend Streitern war bunt gemischt. Größere Söldnerhaufen fanden sich erst in Almada, und bis Rondrolf von dort zurück kommen konnte, würde wohl noch eine ordentliche Menge Wasser den Großen Fluss hinunter gehen. So hatte er alles zusammen gerafft, was er an Abenteurern, Mietlingen und sonstigem losen Volk hatte greifen können. Ob sich diese Leute im Kampf bewähren würden, wussten die Götter allein, aber für den Anfang würde es reichen. Wenn es erst einmal gelang, dieses unselige Gut so gut zu befestigen, dass jeder Sturm der Sindelsaumer verlustreich werden würde, konnte man sie vielleicht von einem Angriff abbringen. Zumindest versuchen musste er es – die Grobhands hatten zu lange auf die Chance gewartet, wieder zu Ansehen zu gelangen, als dass man jetzt vor einem anderen Adelshaus kneifen würde.
Grimwulf schnaubte fast so laut wie sein Pferd vor lauter Unwillen. Er war allmählich zu alt für so einen Mist. Viel lieber hätte er mit der Enkeltochter vor dem Kamin gespielt, als sich mit anderen Koschern zu befehden. Aber die Götter hatten es so gefügt, und er würde auf seine alten Tage nicht zum Feigling werden.

Und immer noch derweil, nahe Bochswies
“Roban?” Leowina ließ den Blick durch den Birkenhain nahe Bochswies streifen. Genau hier hatte sie Roban das letzte Mal gesehen. Von dem Hain aus konnte man den einzigen Weg zum Gut im Auge behalten, ohne selbst gleich gesehen zu werden, aber von Roban keine Spur. Hatten die Sindelsaums den Ritter etwa gefangen genommen – oder Schlimmeres?
Leichte Beklemmung beschlich Leowina, als sie an den nächtlichen Meuchler dachte. War jetzt gelungen, was vor einigen Nächten gescheitert war?
“BUH!”
Vor Schreck wäre sie beinahe umgefallen. Unbemerkt war jemand hinter sie getreten, bohrte ihr etwas Spitzes in den Rücken. Aber sie war sicher gewesen, dass hinter ihr niemand gewesen war.
“Waffen und Selbstachtung fallen lassen! Handstand machen und dabei wie ein Huhn gackern, und das so lange, bis ein Hofmaler den Moment für die Ewigkeit festhalten konnte!”
Als sie die Stimme erkannte, schwand die Anspannung und machte brodelnder Wut Luft.
Roban, du selten dämlicher Scheisskerl! Wie kannst du es wagen, mich so zu erschrecken?”
Roban stand mit breitem Grinsen hinter ihr. Auf dem Rücken trug er eine Art Geflecht aus dünnen Ästen, Gräsern und Blattwerk, so dass er fast wie eine laubbedeckte Schildkröte aussah. In der Hand hielt er einen weiteren Ast, eben jenen, den Leowina im Rücken gespürt hatte.
“Das war ein Bild. Senkrecht in die Höhe bist du gesprungen wie ein Frosch! Mindestens zwei Spann hoch!”
Leowina stieß ihn wütend vor die Brust.
“Ach, halt die Klappe! Wer kann auch ahnen, dass du unter dem Laub ein Nickerchen machst?”
“Kein Nickerchen, Tarnung!” Roban schnallte das Geflecht ab und legte es sorgfältig über die Mulde, in welcher er gekauert hatte. “Du bist direkt an mir vorbei gelatscht, ohne mich zu sehen. Wer ruhig liegen bleibt, könnte Feinde sogar belauschen, wenn sie sich hier auf die Lauer legen!”
“WENN Sie sich hier auf die Lauer legen, du Genie!” Leowina betrachtete Robans Tarnung genauer. Bei allem Ärger musste sie zugeben, dass das Ding nicht übel war. Die Pflanzen unterschieden sich nicht von der Umgebung, und wenn jemand darunter lag, wirkte er wie eine normale Erhöhung des Bodens. Durch eine schmale Lücke konnte man draußen spähen, ohne selbst bemerkt zu werden – wer würde schon damit rechnen, dass ein Gegner faktisch aus dem Boden wuchs?
“Lernt man so was in Tobrien?”
“Frag nicht, dann muss ich nicht lügen”, erwiderte Roban leise. “Sagen wir, ich habe gelernt, wie wichtig es sein kann, nicht gefunden zu werden. Wirkt leider nicht gegen Hunde, Dämonen, Untote und ähnliches Kroppzeug.”
“Derlei werden Sindelsaums wohl auch nicht auffahren”, versicherte Leowina. “Eher Söldner, Angroschim und ähnliches. Angeblich haben die sogar eine Wurfmaschine – daran schon gedacht?”
“Sindelsaums wollen das Gut erobern, nicht zerstören”, widersprach Roban, während sie sich auf den Rückweg zum Gut machten. “Vermutlich werden sie die Wurfmaschine also nur dann einsetzen, wenn es nicht anders geht, oder um ein Loch in die Mauer zu schießen. Allerdings ist die Mauer nicht besonders hoch, eine Wurfmaschine nicht allzu genau...”, Roban kaute auf seiner Unterlippe.
“Ich denke gerade daran, was passiert, wenn man einfach ein paar große Wackermänner in den Löffel packt und uns damit bepflastert. Dürfte Kopfschmerzen geben!”
“Aber nur kurz”, stimmte Leowina zu. “Danach kommt die ewige Schmerzfreiheit! Und wie willst du dich dagegen wehren? Den Hof überdachen?”
Der Grobhander schürzte die Lippen, blickte hin und her, als suche er in der Umgebung nach der Lösung seines Problems.
“Winchen, ich glaube, ich habe eine Aufgabe für dich. Ein paar Puseratzen habe ich ja noch. Mach dich auf die Socken, Richtung Großer Fluss. Da kaufst du alles an Fischernetzen auf, was sich finden lässt. Darf ruhig gebraucht sein und stinken, solange sie solide und engmaschig sind.”
“Denkst du wirklich, das hält ein Wurfgeschoss ab?” Leowina betrachtete ihn zweifelnd. Entweder war die Idee genial oder völlig verrückt – eine typische Roban-Idee eben.
“Vielleicht nicht abhalten, aber vielleicht abbremsen. Besser eine Beule an der Rübe als gar keine Rübe mehr! Also, besorgst du uns die Netze?”
Leowina rollte mit den Augen, verschränkte die Arme, nickte aber schließlich.
“Eins muss man dir lassen, Roban Blödmann von Koschtal – langweilig wird es mit dir nie!”