Man erntet, was man sät - Bei Nacht und Nebel II

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Residenz (Westbühl), 16. Praios1041 BF

Bei Nacht und Nebel II

Etwas später saß Alvide von Eichental in einem bequemen Stuhl im Studierzimmer des Vogtes. Die vielen Wanduhren beachtete Alvide gar nicht weiter. Nachdem sie sich den Ruß und Schweiß abgewaschen und ihre Kleidung gewechselt hatte, war sie geradezu über die dargereichten Speisen und Getränke hergefallen. Vor ihrem nächtlichen Ausritt hatte sie keinen Appetit gehabt. Sie war schlichtweg zu aufgeregt gewesen.
Brumil betrachtete seine Gäste schmunzelnd. Neben Alvide war noch der junge Schlachtreiter Edelfried von Butterbös anwesend, der sich aber eher im Hintergrund hielt. Nachdem Alvide ihren schlimmsten Hunger und Durst gestillt hatte, berichtete sie dem geduldig wartendenden Brumil vom Auftrag des Wehrmeisters und dem fürstlichen Fußvolk, welches wohl in einer guten Woche eintreffen sollte.
Brumil hörte ihr aufmerksam zu und wirkte ehrlich erleichtert, als Alvide ihm von der Befreiung Eckbarts berichtete. „Aber jetzt habe ich so viel erzählt. Wie ist die Lage denn hier? Hat Baron Narmur völlig den Verstand verloren oder warum belagert er eine fürstliche Burg und wo kommt das ganze Heer her? Ich dachte immer, der Baron sei pleite.“

Brumil lehnte in seinem Ohrensesel und räusperte sich, ehe er zu berichten anfing: „Narmurs Verständnis nach belagert er nicht die Burg des Fürsten, sondern befreit sie von Aufständischen. Dass hat er jedenfalls behauptet, als er vorgestern anrückte und unsere Aufgabe forderte.
Das Gold für die Truppen hat er vom Händler Urbald Zarabas. Er hat ihn kurzerhand des Hochverrats bezichtigt, vom Rabenfelsen stürzen lassen und all seine Besitzungen konfisziert.
Und natürlich von seinen Plünderungszügen durch Drift, die er euphemistischerweise Steuereintreibungen nennt.
Urbalds Tochter Karine Zarabas hat daraufhin die Aufständischen gegen Narmur geführt.
Leider ist sie vorige Woche an einer Schlachtenwunde gestorben. Wir konnten ihr keine adäquate Hilfe zukommen lassen, da Narmur bereits seit mehreren Wochen die Burg unter Quarantäne gestellt hat. Er kontrolliert die Straßen nach Thûrbrück und Kehrenstein und fängt Versorgungslieferungen nach Yassburg ab.
Mittlerweile hat er uns komplett eingekesselt. Bestimmt ist er schon darüber informiert, dass fürstliche Truppen hierher unterwegs sind, denn er verfügt über gute Informanten…“
Brumil strich sich durch den Bart: „Er wird wohl versuchen, ihnen zuvorzukommen, und bald einen Sturm auf die Burg wagen. Welch ein Glück, dass ihr uns zur Hilfe gekommen seid!“
Alvide begleitete die Ausführungen Brumils mit regelmäßigen Nicken oder verständnislosem, leichtem Kopfschütteln. Dabei versank sie immer tiefer in das für sie eigentlich zu kleine Polstersofa. Jetzt erst merkte sie, wie müde sie war: „Wir werden ihn morgen früh zur Rede stellen. Mal sehen, ob er immer noch vorhat, die Burg zu nehmen, wenn sie von fürstlichen Schlachtenreitern gehalten wird.“
Alvide richtete sich auf und nahm einen kräftigen Schluck vom kühlen Bier: „Flussbräu“, murmelte sie unwillkürlich, als sich der seltsame Nachgeschmack in ihrem Mund breitmachte.
Brumil schmunzelte: „Ja. Gegen den Nachgeschmack hilft nur weitertrinken! Die Brauerei gehört dem Baron. Er hat ein Monopol über Drift ausgesprochen. In der ganzen Baronie gibt es nur sein Drifter Flussbräu zu kaufen.“
In diesem Moment begann der Gong der großen Standuhr eine Melodie zu schlagen. Brumil erhob sich aus seinem Sessel und griff zu einer kleinen Henkelvase, aus der ein Leuchtpilz wuchs: „Es ist spät. Kommt, ich zeig euch euer Quartier für die Nacht.“