Dreister Einbruch in Steenback - Der Magier und der Händler

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Zwischenwasser, 1033

Halmar vom Kargen Land ahnte derweil nichts Böses, als er an der Straße am östlichen Ufer des Angbarer Sees nach Süden ging. Bei seinem Tempo würde es sicher noch eine Weile dauern, bis er das Gut seiner Familie erreicht hätte – aber warum hetzen? Unnötige Eile versperrte oft den Blick auf Kleinigkeiten. Er genoss es, sich diese Freiheit nehmen zu können. Als er nach Steenback einbog, kam ihm einer Reiter entgegen, der es offenbar eilig hatte und sein Pferd eben antreiben wollte, jedoch zielstrebig auf ihn zusteuerte und anhielt, nachdem er Halmar erblickt hatte.
„Den Zwölfen zum Gruße!“, rief der Bursche aufgeregt. „Ihr seid doch ein Magier, richtig?“
„Das habt Ihr richtig erkannt.“
„Guter Mann, dann kommt schnell zum Gut Steenback! Der edle Herr ist von Räubern überfallen worden! Jedwede Hilfe ist willkommen!“ Mit diesen Worten ritt der Mann, der noch nicht einmal seinen Namen genannt hatte, schnell Richtung Norden.
Halmar überlegte kurz, während er durch den Ort ging.
Viele Koscher mochten keine Magie. Nur in höchster Not wandten sie sich an Vertreter der magischen Zunft – wenn alle anderen Mittel bereits versagt hatten. Die Wertschätzung, die erfolgreiche Magier nach Lösung solcher „aussichtslosen“ Situationen genossen (wobei ein, zwei Zaubersprüche meistens reichten und die Sache war gegessen), war jedoch nie von langer Dauer. Gegen Räuber zu kämpfen, das war sicher nicht Halmars Sache. Andererseits hatte der Reiter ihn einen „guten Mann“ genannt.
Warum nicht einen kleinen Umweg in Kauf nehmen? Vielleicht könnte er sich ja tatsächlich nützlich machen. Halmar beschleunigte seine Schritte.

Etwas weiter östlich.
Seit einem guten halben Tage war Rijk van Kacheleen unterwegs.
Er kam aus Ferdok und war mit dem Ziel Angbar unterwegs. Dort galt auf dem Markte Auschau nach einer besonderen Antiquität zu halten. Eine Lanze. Dieses hatte er vor einigen Tagen einem Ritter in einem Gasthaus versprochen. Unterwegs wollte er zudem einem anerkannten Sammler von Militaria einen Besuch abstatten und zwei alte Waffen anbieten.
So kam es, dass er sich bald in der Gegend um Steenback befand. Steenback war, so weit das Auge reichte, stark bewaldet und es gab wohl nur wenige fahrbare Straßen.
Auf einer von diesen reiste Rijk. Ein zeitweilig mit ihm ziehender Händler hatte berichtet, dass hier auch seit Generationen keine Räuberbanden ihr Unwesen treiben würden. Die Gegend galt demnach als ruhig, wohlhabend und friedlich.
Rijk dachte schmunzelnd dabei, dass sich in Steenback wohl Fuchs und Hase Gute Nacht sagen würden. Aber genau dieser befriedete Umstand machte die Reise umso angenehmer.
Bei sich trug Rijk einen sehr alten Säbel sowie ein reich verziertes Schwert, beide in Tuch eingewickelt. Diese Waffen wollte er dem alten Stordan feil bieten.
Mitten in seinen Gedanken sah er aus einem Weg, der die Straße kreuzte einen Reiter eiligst galoppierend auf ihn zukommen. Er gestikulierte mit dem rechten Arm und hielt rasant neben Rijk an
„....Überfalll.....bei Rondra...wir sind überfallen worden ....“ keuchte er atemlos … „..wir brauchen Hilfe, mein Herr liegt wohl im Sterben .... Stordan ...Hilfe....“ mehr brachte er nicht hervor.
„Beruhigt Euch. Sagt mir wo und wie weit. Ein Horasier hilft!“
Rijks Stimme klang herrisch und versprühte den notwendigen Mut, der dem jungen Reiter durch die Glieder fuhr und ihn zum Reden animierte.
„Herr, reist diesen Weg entlang“, der Reiter zeigte auf die Straße rechterhand, „das Gut Steenback liegt nicht weit von hier.“
Eiligst beeilte sich Rijk. Er hatte nun keine Zeit mehr zu verlieren, galt es doch zu helfen und im besten Fall danach die Waren gewinnbringend an den Mann zu bringen. Ein Sewamunder dachte immer zweckmäßig, selbst wenn eine Sturmflut das eigene Haus ins Wasser reißen würde, so könnte man, falls es gefunden werden konnte, ein schickes Hausboot daraus machen.
Sei's drum. Der Weg zum Gut Steenback wurde sehr schnell zurück gelegt.

Als Halmar vom Kargen Land Gut Steenback erreichte, fand er Gidiane vor, die am Bett ihres Großonkels wachte. Wenn es stimmte, was ihm die Bediensteten erzählt hatten, musste Stordan eine bemerkenswerte Kondition haben. Nicht viele in seinem Alter überlebten eine Verwundung, die mit Bewusstlosigkeit und im eigenen Blut liegend endete...
Ohne lange abzuwarten, gebot Halmar der Geweihten, zu schweigen, damit nicht seine Konzentration gestört würde. Dann beugte er sich über den Herrn den Hauses. Aus magietheoretischer Sicht war es reine Verschwendung, was er an dem Mann praktizierte. Allerdings würde sich wohl jeder glücklich schätzen, wenn ein anderer seine Zauber- in eigene Lebenskraft umwandelte.
Als Halmar schließlich innehielt, schwitzte er von der Anstrengung und fühlte sich seltsam leer. Stordans Gesicht zeigte deutlich entspanntere Züge, auch wirkte es nicht mehr aschfahl, sondern hatte wieder eine gesunde Farbe angenommen. Halmar war zufrieden mit seinem Werk.
Er tupfte sich mit einem Tuch das Gesicht ab und sagte abschließend zu Gidiane: „Er kommt wieder in Ordnung. Lasst ihn einige Tage ruhen und er wird wieder ganz der Alte sein!“
Die Hesinde-Geweihte wusste wohl nicht so recht, was sie sagen sollte.
Jedenfalls stotterte sie ziemlich vor sich herum, als sie sich bedankte. Halmar verabschiedete sich und machte sich wieder auf den Heimweg.

Hesinde und ihren Geschwistern sei Dank!
Gidiane blickte dem jungen Magus noch lange nach und ordnete die Gedanken in ihrem Kopf. Doch es wollte ihr nicht gelingen. Die Angst um ihren Großonkel, der Überfall auf das Gutshaus, die verschwundene Waffensammlung: Das alles war zu viel für die junge, Harmonie bedürftige Geweihte. Sie sackte auf den Stufen der Eingangstreppe zusammen, begrub ihr Gesicht in den Händen und fing bitterlich an zu weinen.
Wenn doch bloß bald die Helfer da wären!