Besuch aus einem anderen Land - Geschichten aus der Ferne

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Sommer am Anfang 1041 BF
Geschichten aus der Ferne
...und Neues


Kapitel 4

Autor: Rainfried

1033 BF, Grimsaus Ehr

Das Feuer prasselte in der Mitte des kleinen Platzes, an dem sich gut vier Handvoll Menschen versammelt hatten. Die Sonne war schon nicht mehr sichtbar, nur einzelne Strahlen färbten den Himmel in ein dunkles Rot. Die sonst so präsenten Geräusche des Sumpfes schienen wie durch einen Schutzwall gedämpft. Einzig das Knacken des brennenden Holzes war hörbar und bildete zusammen mit dem mystisch anmutendem Licht eine schummrig-schaurige Atmosphäre.
Die Bewohner von Grimsaus Ehr hatten es sich auf den kleinen Strohmatten der Familie Korber bequem gemacht, und lauschten gebannt den Worten des dicken Mannes, der um das Lagerfeuer schritt.
„Oh ja, mein neugieriger Freund!“ Der Erzähler wandte sich dem vor ihm sitzenden jungen Mann zu, der die ganze Zeit eine kleine Zinnfigur in seiner Hand hielt.
„Prachtvoll war die Krönung der Kaiserin Rohaja zu Gareth, Phex möge über sie wachen. Aber ebenso prachtvoll war die des Kaisers Selindian zu Punin, Boron möge mit ihm sein!“
„Zwei Kaiser zur gleichen Zeit! Das kann nicht gutgehen. Das bringt nur Unglück!“, warf einer der Lauschenden ein, ein großgewachsener, recht kräftiger Mann, dessen mit Ruß verschmiertes Gewand ihn ohne Zweifel als den Schmied Hufmacher erkennen ließ.
„Lieber einen König, aber den dann richtig! Sonst weiß man ja gar nicht, wem man denn Untertan sein muss!“
„Ihr seid doch aus Almada? Wer ist denn euer Herrscher?“
Die leise Stimme drang kaum bis zu Tacodar vor, und so dauerte es eine Zeitlang, bis er ihren Ursprung ausmachen konnte. Die weiter vom Feuer weg sitzende Frau trug einen Kapuzenmantel, die Kopfbedeckung bis weit in das Gesicht gezogen.
„Ja, ich bin aus Almada. Dort wo die Sonne immer scheint, die Trauben am saftigsten und die Frauen am schönsten sind.“
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
„Natürlich nach den Frauen aus Grimsaus Ehr.“
Ein leises Kichern kam aus der Menge. Ein eng umschlungenes Paar drückte sich noch etwas fester zusammen, und der Mann flüsterte seiner Begleiterin etwas ins Ohr. Was immer es auch gewesen sein mag, er wurde mit einem scheuen Kuss belohnt.
Tacodar musste schmunzeln. Madalein hatte nicht übertrieben, was die Immensteins angeht. Kalt würde den beiden heute Nacht sicher nicht werden.
„Und was deine Frage über meinen Herrn betrifft, liebe Quenja, da fragst du den Falschen. Ich kenne nur einen Herrn, der mir den Weg weist. Der, dessen Volk uns danach sehnen lässt, ebenfalls fliegen zu können. Der, dessen Funke in uns es ist, der uns den ersten Schritt auf einem langen Weg machen lässt. Der, der uns den Mut gibt, über jede Brücke, sei sie auch noch so hoch, zu schreiten um vorwärts zu kommen. Der, dessen Farben die das Paradiesvogels sind und dessen Name Aves ist.“
Er ließ sich eine kurze Pause, bevor er weitersprach.
„Aber wenn du mich fragen wolltest, wem du folgen sollst, dann ist meine Antwort eine andere. Folge deinem Herzen, zuallererst immer deinem Herzen. Und dann deinem jungen Lehnsherr von Grimsau.“
Er fuhr in jovialerem Wortfall fort.
„In der Reihenfolge kannst du dann nichts mehr falsch machen. Erst das Herz, dann der Ritter. Und welcher Kaiser der richtige ist, darum schere dich lieber nicht. Das ist die Sorge der höheren Stände.“
Tacodar schritt vor dem hell flackernden Feuer auf und ab, beide Hände vor sich haltend, als würde er versuchen, weitere Diskussionen über diese Angelegenheit bereits im Keim zu ersticken.
„Aber ich wollte euch doch überhaupt nicht von Pflichten und geteilten Kaiserreichen erzählen.“
Er setze dort an, wo er kurz zuvor vom Schmied unterbrochen wurde.
„Ich wollte euch doch von den Krönungsfesten der hohen Herrschaften berichten. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei dem jungen Kaiser. Wusstet ihr, dass er in Almada der ‚Mondenkaiser‘ genannt wird?“
Er schaute erwartungsvoll in die Menge.
„Offenbar noch nicht. Man munkelt, er möge das Madamal lieber als die Praiosscheibe. Aber das ist in Almada kein schlechtes Zeichen. Nein, meine Freunde. Das gänzliche Contrario ist der Fall!“
Eine weitere Pause.
„Wenn ihr mich fragt, liegt das daran, dass Frauen im Mondlicht gleich noch etwas schöner sind!“
„Oder man sie dann gar nicht mehr sieht, weil’s so dunkel ist!“
Die vom Wein schwere Männerstimme, die Tacodar so rüde unterbrach, war ohne Zweifel die des Korbflechters. Bedrücktes Schweigen machte sich breit.
„Und wenn du noch mehr Wein trinkst, Borracho, dann siehst du sie alle doppelt.“ entgegnete ihm der Avesdiener sichtlich um Fassung ringend.
„Und schaden würde es nicht wenn dir deine Frau in doppelter Ausführung den Kopf mal so richtig waschen würde, Xerber!“
Tacodar fixierte den nun sichtlich eingeschüchterten Gatten Quenjas.
„Lass mich dir von einer Frau erzählen, der du besser nie begegnen solltest!“
Er setzte sich auf einen kleinen Hocker nahe beim Feuer, langsam wieder zu einem ruhigeren Ton findend.
„Es begann alles natürlich auf einem rauschenden Fest. Ein Fest, wie es im Mittelreich nicht gefeiert wird, nicht gefeiert werden darf. Ein Fest in Al’Anfa.“
Sein Blick schien in weite Ferne zu schweifen.
„Ich traf sie dort. Talina. Kaum bekleidet, den Gästen als Dienerin und Gespielin verpflichtet. Denn sie war eine Sklavin des Gastgebers, ein Neffe Goldo Paligans, dessen Name sogar euch etwas sagen müsste. Und wenn ich kaum bekleidet sage, dann meine ich das auch. Nicht so wie das geradezu hochgeschlossene, prüde Kleid von Madalein hier. Mehr als ein paar dünne Seidenbänder waren es nicht, die die zartesten Stellen ihres Körpers verdeckten.“
Tacodar fächelte mit der rechten Hand, so als hätte er sie sich gerade verbrannt.
„Und fragt mich lieber nicht, wie ich auf das Fest gekommen bin. Mit etwas Hilfe des Listenreichen geht vieles.“
Er wurde wieder ernster.
„Hätte ich damals schon gewusst, dass sie es ihre Zunge kosten könnte, wenn sie mit mir reden würde, ich hätte sie wohl nicht einfach so angesprochen.“
Tacodar blickte sich kurz um, und als sein Blick Nella erfasste eilte diese sofort mit einem Becher Wein zu ihm.
„Ich danke dir, Nella.“
Er fuhr fort. „Sie hatte eine dunklere Hautfarbe als unsereins, ihre Haare glänzend schwarz wie die Nacht, genauso wie ihre Augen. Und obwohl sie versklavt war, sprühten die Augen vor Lebenslust. Und etwas dunklerem. Und ihre Lippen hatten die Farbe dieses Weins.“
Den Becher leicht zwischen den Händen schwenkend, sah er dem Spiel der Flüssigkeit zu und nahm dann einen Schluck.
„Ihre Heimat war Fasar, wie sie mir erzählte. Und dass sie gerne wieder dorthin zurück wollte. Den ganzen Abend haben wir miteinander geredet. Oh nein, nicht am Stück. Immer nur kurz, um nicht aufzufallen. Sie wollte nicht, dass ihr Besitzer zornig wird, weil sie zuviel Zeit mit einem einzelnen Gast verbracht hatte.“
Tacodar und seine Zuhörer waren so in die Erzählung vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie zwei Reiter in der Siedlung ankamen. Beide stiegen leise ab. Der eine nahme beide Zügel und führte die Pferde zum Stall, der andere ging vorsichtig in die Nähe der Gruppe und setzte sich auf einen freien Platz. Es war bereits so dunkel, dass er niemandem auffiel.
„Und wurde er zornig?“ fragte ein weiterer junger Mann.
„Nein, zornig wurde er nicht, Kalman“, antwortete der weitgereiste Wanderer.
„Aber aufmerksam auf uns. Denn eines muss man den Granden lassen: Sie sind achtsam. In vielerlei Hinsicht. Kein Bissen wird von ihnen zu sich genommen, ohne dass ihn ein Vorkoster prüft. Keine Sklavin und kein Sklave wird zu einer Org... “, ein kurzes Räuspern, „einem Fest zugelassen, ohne dass sie oder er gründlich untersucht wird. Und kein Fremder bleibt auf den Festen unbeobachtet.“
Er hielt kurz inne.
„Und so kam es, dass mich der Gastgeber vor allen Gästen persönlich ansprach. ‚Wenn euch meine Sklavin so interessiert, dann zieht euch doch mit ihr in eines der Separees zurück. Ich kann ihr befehlen, dass sie euch gut unterhält.‘ Im ersten Moment wusste ich nicht, wie ich antworten sollte. ‚Aber das tut sich doch so schon. Sie unterhält mich besser, als ich es mir wünschen könnte!‘ war alles, was ich hervorbrachte.“
Um die beginnende Rauigkeit der Stimme zu mindern, nahm Tacodar einen weiteren Schluck aus dem Becher.
„Der junge Grande wollte sich schon wieder von mir abwenden, aber dann kam der Moment, an dem ich mal wieder nicht meine Klappe halten konnte. ‚Und da sie nicht mir gehört, so habe ich auch keinen Anspruch darauf, dass ihr befohlen wird.‘ Ho, ihr hättet die Gesichter der Anwesenden sehen sollen. Wie konnte ich mich nur erdreisten, einem Granden ein Widerwort zu geben. Ich, ein Avesgeweihter, der noch nicht einmal offiziell eingeladen war. Oh, ich bin mir sicher, der Gastgeber war sich dessen durchaus bewusst.“
„Hat er euch dann bestraft?“ fragte der junge Mann, der die Zinnfigur in seiner Hand noch immer nahezu andächtig hielt.
„Zum einen bestraft ein Grande nicht, er lässt bestrafen. Und zum anderen wäre ich nicht mehr hier, wenn er das gemacht hätte. Vielmehr wäre ich als Futter für eines der Tiere in der Arena geendet.“
Tacodar griff sich an den Wanst, und fuhr lachend fort.
„Aber ich wäre ein wahrer Festschmaus gewesen!“
Gebannt warteten seine Zuhörer, bis er sich vom Lachen soweit wieder gefangen hatte, um fortfahren zu können.
„‚Wollt ihr damit andeuten, dass ihr sie nicht wollt, da sie mir gehört?‘ Der Ton des Granden war äußerst gereizt, wie eine Giftschlange, die leise fauchend darauf wartet, ihre Fänge mit dem Gift in das Fleisch ihres Opfers zu schlagen. Und bevor ich antworten konnte, redete er schon weiter. ‚Oder gar, dass ich sie nicht besitzen dürfte? Oder wollt ihr mir nur sagen, dass ihr Besitzer dieser Sklavin sein wollt? Wisst ihr, wieviele Dublonen sie mich gekostet hat? Schaut sie euch an. Der Körper ist wohlgeformt und makellos, keine Narbe ist zu sehen. Wie wollt ihr sie euch jemals leisten können?‘ Ich konnte ihm nichts erwidern, nur zusammenhangslos gestammelte Worte kamen aus mir heraus. Und als ich erkannte, dass ich wohl zu weit gegangen war, legte ich mein Leben in die Hände des Einzigen, der mir noch helfen konnte. ‚Hilf mir, Phex!‘ murmelte ich leise. Aber wohl nicht leise genug, denn der Gastgeber hatte mich gehört. ‚In Phex Hände wollt ihr also die Entscheidung legen, wer wen heute noch erfreut?‘ entgegnete er mir. ‚Ich finde, das ist eine gute Idee! Dann lasst uns doch etwas spielen. Jeder von uns würfelt einmal, die höchste Zahl gewinnt.‘ Er klatschte in die Hände, und sogleich brachten Sklaven mit ebenholzfarbener Haut einen kleinen Tisch und zwei Becher mit je einem Würfel herbei. ‚Den Einsatz bestimme ich. Ist euer Wurf der höchste, so schenke ich euch die Sklavin, und ihr geht eurer Wege. Gewinne ich, so wird die Sklavin als Bestrafung für ihr Verhalten vor aller Augen ausgepeitscht. Und sollte sie das überleben, schicke ich sie in die Arena.‘“
Tacodar hielt inne, um die Anspannung noch weiter zu steigern. Man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es auf dem Dorfplatz im Moorbrücker Sumpf.
„Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das Leben der armen, so wunderschönen Frau hing wegen meiner unbedachten Bemerkung von zwei kleinen Würfeln ab. Wie sehr habe ich mir in dem Moment gewünscht, ich wäre einfach still gewesen. ‚Ihr würfelt zuerst!‘ forderte mich der Grande auf. Wie von einer fremden Macht geleitet nahm ich den Würfel, legte ihn in den Becher und begann selbigen zu schütteln. Das Knallen des Bechers höre ich heute noch, als ich ihn auf den Tisch absetzte. Ich wollte nicht hinsehen, als ich den Becher anhob und so hörte ich nur die Hähme des Granden. ‚Ihr macht es mir aber leicht, Fremder. Eine Zwei ist nicht schwer zu übertreffen!‘ Eine Zwei, bei Phex! Eine Zwei! Es war mir nicht bewusst gewesen, aber Talina war während des Würfelns hinter mich getreten, und nun verkrampfte ihre Hand in meiner Schulter. ‚Um die Spannung zu erhöhen, würfle ich offen. So kann niemand behaupten, ein Paligan würde betrügen.‘ Mit diesen Worten warf er den Würfel in die Luft, die, so kam es mir vor, dicht wie Wasser wurde. Denn ich konnte sie kaum atmen, und der Würfel kullerte so langsam auf dem Tisch, als müsse er sich durch schweren Seegang quälen. Und als er liegen blieb, konnte ich keine Augenzahl erkennen. Zu sehr war alles in meinem Blick verschwommen. Erst, als sich die Hand von meiner Schulter löste, kam ich wieder richtig zu mir. ‚Nun gut, ein Paligan steht zu seinem Wort, sie soll euch gehören!‘ Sprach’s, stand auf, und ging, als wäre nie etwas gewesen. Als ich auf den Spieltisch sah, lag neben meinem Würfel ein weiterer. Und dieser zeigte nur ein einziges Auge.“
Der Geweihte hielt kurz inne, blickte die versammelte Menge an, und mit leisen Worte beendete er die Geschichte.
„Talina war mein!“
Ein Schluchzen unterbrach Tacodars Geschichte. Nella griff nach ihrem Rocksaum und hielt ihn sich vor den Mund, um weitere Laute zu vermeiden. Tränen flossen aus ihren Augen. Tacodar erhob sich von seinem Hocker und kniete sich vor die völlig aufgelöste blonde Magd.
„Aber, aber. Du musst nicht traurig sein. Talina und ich haben noch so Einiges miteinander erlebt. Und ich habe sie auch zurück nach Fasar gebracht. Und auf unseren Reisen hat sie mir auch erzählt, wie sie nach Al’Anfa in die Sklaverei gekommen ist. Aber das – erzähle ich euch ein anderes Mal.“
Er erhob sich wieder, und auch seine Zuhörer standen auf, denn es war über die Erzählung Nacht geworden. Vereinzelt konnte man Murren hören wie ‚Märchenerzähler.‘ oder ‚Hat er jetzt mit ihr, oder nicht?‘ Tacodar verabschiedete seine Zuhörer.
„Und dann erzähle ich euch auch von der prachtvollsten Krönungsfeier, der ich je beiwohnen durfte. Und nein, das ware keine der beiden Kaiser, sondern die der Nisut zu Trahelien. Dort sind die Frauen vielleicht nicht die schönsten, aber die exotischsten alle mal!“
„Und ihr wärt der Letzte, der sich etwas Exotik entgehen lassen würde, euer Gnaden!“.
Der erst später im Dunklen dazugekommene Zuhörer war ebenfalls aufgestanden, und Tacodar wandte sich ihm zu. Die Stimme hatte ihm die Identität des Mannes schon verraten, und der Lichtschein des Feuers bestätigte dem Avesgeweihten, dass er den Ritter von Grimsau vor sich hatte.
„Und ihr der Erste, dem ich auf die Nase binden würde, wie angenehm doch diese Exotik sein kann, euer Wohlgeboren!“
Der Geweihte setzte sein gewinnendstes Lächeln auf. Nur wenige Augenblicke später hielten sich zwei Freunde in den Armen und klopften sich gegenseitig nahezu den Rücken blau.
Der Grimsauer ließ als erstes los. „Wo warst du solange, Hombre? Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Das muss doch schon fünf Götterläufe her sein?“
„Sechs, amigo. Sechs mal zwölf lange Götternamen. Du bist in deine Heimat aufgebrochen, um einen Broterwerb zu finden, und ich in die entgegengesetzte Richtung“, erwiderte ihm Tacodar.
„Ich wäre noch schneller gelaufen, hätte ich geahnt, dass du aus warst, gegen Flammenvögel zu kämpfen und Caballero zu werden!“
Das Grinsen wurde noch breiter.
„Nicht absichtlich, compadre. Hätte ich damals gewusst, was mich erwartet, ich wäre wohl in Almada geblieben!“
Die anfängliche ausgelassene Stimmung des Ritters schlug wieder in die, den Siedlern inzwischen wohlbekannte Melancholie um.
„Vielleicht wäre das auch die bessere Wahl gewesen. Wir wären jetzt vermutlich in irgendeiner Taverne und würden uns über die Streitigkeiten der hohen Häuser lustig machen. Und nicht in einem Sumpfloch gefangen, in dem noch nicht mal das Korn wächst, geschweige denn meine Reben je Trauben tragen werden.“
„Ach was! Wir würden griesgrämig den Wein von Madaleins Vater saufen, und du deinen Schwertarm an den Meistbietenden vermieten! Und wir hätten all das hier nie kennen gelernt!“
Der dem Paradiesvogel so unähnliche Götterdiener neigte sich zu Rainfried und murmelte im leisen Verschwörerton.
„Und ich finde, diese Nella ist es durchaus wert, sie näher kennenzulernen!“
Er zwinkerte und nickte kurz über die Schulter des Ritters.
Rainfried verstand den Wink, drehte sich um, und sah wie erwartet Nella vor sich stehen, die den Kopf senkte und auf die ihr eigene Art knickste.
„Braucht ihr noch etwas, Herr? Soll ich für euch noch den Waschzuber richten? Den Wein wieder wärmen?“
Sie blickte den Grimsauer dabei nicht an. Tacodar entging es jedoch nicht, dass sie sich wartend auf die Unterlippe biss.
„Vielen Dank, Nella. Aber für heute will ich nur noch in Bishdariels Schwingen abgleiten.“
Die Magd ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken, doch Tacodar bemerkte, dass Nella sich ein kleines bisschen zu schnell abwandte und zur Nachtruhe in ihr eigenes Heim begab. Rainfried wandte sich wieder Tacodar zu.
„Lass uns hineingehen. Ich möchte nach meiner Großmutter sehen, die guten Leute brauchen ihren Schlaf, der Sumpf wird uns auch morgen nicht verschonen. Und wir müssen für dich noch eine Schlafstätte finden.“
„Meinst du, ich könnte heute nach bei...“
Die Worte des Geweihten wurden wieder jäh von Madalein unterbrochen, die sich zu ihnen gesellt hatte.
„Und noch einmal: Vergiss es, Tacodar! Und um deine Schlafstatt mach dir keine Sorgen. Etwas Stroh findet sich noch für dich, und ich glaube, du bist es ja schon gewohnt, in ländlichen Verhältnissen im Stroh zu schlafen. Nur die willige Bäuerin, die kann ich dir nicht bieten!“
Die drei gingen fröhlich feixend gemeinsam zum Haus des Ritters.
„Morgen musst du mir erzählen, ob diese Talina nur wieder eines deiner Hirngespinste ist, oder tatsächlich eine Frau aus Fleisch und Blut!“, konnte man die letzten Worte des Grimsauers vernehmen, dann schloss sich die Tür hinter ihnen.
Die blonde Magd, die sie in der Dunkelheit hinter der Hausecke versteckt beobachtet hatte, wischte sich, leise schluchzend, eine weitere Träne aus den Augen.